Leitsatz:
Ist der Vermieter der Ansicht, dass der Berliner Mietspiegel 2015 kein Mietspiegel im Sinne der §§ 558 c, d BGB ist, kann er diesen auch nicht zur Begründung seines Mieterhöhungsverlangens heranziehen, sondern muss eines der anderen Begründungsmittel des § 558 a BGB nutzen.
AG Neukölln vom 12.4.2016 – 18 C 288/15 –
Mitgeteilt von RA Reinhard Lebek
Anmerkungen des Berliner Mietervereins
Die Vermieterin, eine große private Berliner Wohnungsbaugesellschaft, verlangte vom Mieter die Zustimmung zu einer Mieterhöhung nach § 558 BGB. Sie hatte sich zur Begründung des Erhöhungsverlangens gemäß § 558 a Abs. 2 Nr. 1 BGB auf den Berliner Mietspiegel 2015 berufen. Der Mieter erklärte aber nur eine Teilzustimmung, so dass es zum Zustimmungsprozess kam. Im Prozess behauptete die Vermieterin, die geforderte Miete von 6,14 Euro pro Quadratmeter sei ortsüblich. Zum Beweis der Ortsüblichkeit berief sie sich im Prozess nicht auf den Berliner Mietspiegel 2015, sondern auf ein vom Gericht einzuholendes Sachverständigengutachten. Sie begründete dies damit, dass die Aufstellung des Berliner Mietspiegels 2015 nicht nach anerkannten wissenschaftlichen Grundsätzen erfolgt sei und daher die Begründetheit des streitgegenständlichen Erhöhungsverlangens nicht mit dem Berliner Mietspiegel 2015 als Erkenntnisquelle beurteilt werden könne und dass die Mängel bei der Erstellung des Berliner Mietspiegel 2015 dazu führen, dass dieser auch nicht als einfacher Mietspiegel taugliche Erkenntnisquelle für die Bestimmung der ortsüblichen Vergleichsmiete sein könne.
Das Gericht wies die Klage als unzulässig ab. Voraussetzung für die Zulässigkeit einer Klage auf Zustimmung zur Mieterhöhung sei, dass ihr ein wirksames Mieterhöhungsverlangen vorausgegangen ist. An einem solchen fehle es vorliegend. Das Mieterhöhungsverlangen sei mangels einer den formellen Anforderungen des § 558 a Abs. 1, 2, 4 BGB genügenden Begründung unwirksam. Die Vermieterin habe sich zur Begründung des Erhöhungsverlangens gemäß § 558 a Abs. 2 Nr. 1 BGB auf den Berliner Mietspiegel 2015 berufen. Es sei der Vermietern jedoch in dem vorliegenden Fall unter Berücksichtigung ihres prozessualen Vortrags, nach dem es sich bei dem Berliner Mietspiegel 2015 nicht um einen qualifizierten handeln soll und dieser auch nicht als einfacher Mietspiegel eine taugliche Erkenntnisquelle für die Bestimmung der ortsüblichen Vergleichsmiete sein soll, verwehrt, den Berliner Mietspiegel 2015 zur Begründung ihres Mieterhöhungsverlangens heranzuziehen.
Denn nach Ansicht der Vermieterin existiert dementsprechend kein Berliner Mietspiegel 2015 im Sinne der §§ 558 c, d, der gemäß § 558 a Abs. 2 Nr. 1 zur Begründung eines Mieterhöhungsverlangens herangezogen werden könnte. Wenn jedoch – wie die Vermieterin meint – der Berliner Mietspiegel 2015 keine sachgerechte Übersicht über die ortsübliche Vergleichsmiete im Sinne des § 558 c BGB wiedergebe, so könne dieser auch kein geeignetes Mittel zur Begründung des Erhöhungsverlangens sein. Mit ihrem Vortrag im Prozess habe die Vermieterin damit ihrer eigenen Begründung die Grundlage entzogen. Da sie sich auch auf keine andere Begründung im Sinne des § 558 a Abs. 2 BGB gestützt habe, fehle es im Prozess an der Darlegung eines formell ordnungsgemäßen Mieterhöhungsverlangens im Sinne des § 558 a BGB.
Weiterhin führt das Gericht aus, dass die Vermieterin sich mit ihrem Vortrag widersprüchlich und auch treuwidrig gegenüber ihren Mietern verhalte. Sie nutze vorliegend eine kostengünstige Möglichkeit zur formellen Begründung ihres Mieterhöhungsverlangens und wolle dem betroffenen Mieter durch die von ihr vertretene Rechtsauffassung dann das Kostenrisiko für den Nachweis der Qualifiziertheit des Mietspiegels im Prozess allein zuweisen. Denn hier behaupte sie, dass der Mietspiegel nicht anwendbar sei. Der Mieter müsste, soweit er der Ansicht sei, dass sich die ortsübliche Vergleichsmiete nach dem BerIiner Mietspiegel 2015 richte, im Rahmen der Begründetheit beweisen, dass es sich bei diesem um einen qualifizierten beispielsweise zumindest um einen einfachen Mietspiegel handele, obwohl die Vermieterin sich selbst in ihrem Mieterhöhungsverlangen auf diesen gestützt habe und ihm dieser von der Vermieterin an die Hand gegeben worden ist, um die sachliche Berechtigung des Erhöhungsverlangens zu überprüfen. Damit werde die Vermieterin mit ihrer Begründung des Mieterhöhungsbegehrens nicht dem Sinn und Zweck der Vorschrift des § 558 a BGB gerecht. Sinn und Zweck dieser Vorschrift sei es nämlich, dem Mieter in dem Erhöhungsverlangen die Möglichkeit zu geben, die sachliche Berechtigung des Erhöhungsverlangens zu überprüfen, um überflüssige Prozesse zu vermeiden.
Anmerkung: Im Ergebnis ebenso: AG Neukölln vom 3.1.2016 – 7 C 352/15 –; AG Köpenick vom 9.2.2016 – 2 C 258/15 –; AG Köpenick vom 23.2.2016 – 14 C 179/15 –; AG Köpenick vom 17.3.2016 – 13 C 203/15 –
Urteilstext
Tatbestand:
Die Klägerin begehrt die Zustimmung zu einer Mieterhöhung von der Beklagten.
Die Klägerin ist Vermieterin, die Beklagte Mieterin der Wohnung M.-Str. x, 12xxx Berlin, 2. OG links.
Die Wohnung verfügt über .eine Größe von 50,60 m². Sie ist mit einem Bad, Innen – WC und Zentralheizung ausgestattet und wurde 1960 bezugsfertig.
Die Miete für die streitgegenständliche Wohnung betrug sowohl am 1.9.2012 als auch noch am 1.9.2015 272,23 € netto. Mit Schreiben vom 16.6.2015 begehrte die Klägerin die Zustimmung der Beklagten zu einer Mieterhöhung um 38,45 € auf 310,68 € netto ab dem 1.9.2015. … Die Beklagte hat eine Teilzustimmung auf eine Nettokaltmiete von 283,36 € erklärt.
Die Klägerin behauptet, die geforderte Miete von 6,14 € pro Quadratmeter sei ortsüblich. Zum Beweis der Ortsüblichkeit beruft sie sich im Prozess nicht auf den Berliner Mietspiegel 2015, sondern auf ein vom Gericht einzuholendes Sachverständigengutachten. Die Klägerin trägt unter Verweis auf das Urteil des AG Charlottenburg in dem Verfahren 235 C 133/13 vor, dass die Aufstellung des Berliner Mietspiegels 2015 nicht nach anerkannten wissenschaftlichen Grundsätzen erfolgt sei und daher die Begründetheit des streitgegenständlichen Erhöhungsverlangens nicht mit dem Berliner Mietspiegel 2015 als Erkenntnisquelle beurteilt werden könne und, unter Verweis auf das Urteil des LG Berlins vom 17.7.2015, GE 2015, 1097, die Mängel bei der Erstellung des Berliner Mietspiegel 2015 dazu führen, dass dieser auch nicht als einfacher Mietspiegel taugliche Erkenntnisquelle für die Bestimmung der ortsüblichen Vergleichsmiete sein kann.
Die Klägerin beantragt, die Beklagte zu verurteilen, der Erhöhung der Nettokaltmiete für die Wohnung M.-Str. x 12xxx Berlin, 2. Obergeschoss links, von bisher 283,36 € um 27,32 € auf 310,68 € monatlich mit Wirkung ab dem 1. September 2015 zuzustimmen.
Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.
…
Entscheidungsgründe:
Die Klage ist bereits nicht zulässig.
Voraussetzung für die Zulässigkeit einer Klage auf Zustimmung zur Mieterhöhung ist, dass ihr ein wirksames Mieterhöhungsverlangen vorausgegangen ist (vgl. BGH, Urteil vom 13.11.2013, VIII ZR 413/12).An einem solchen fehlt es vorliegend. Das Mieterhöhungsverlangen der Klägerin vom 16.6.2015 ist mangels einer den formellen Anforderungen des § 558 a Abs. 1, 2, 4 BGB genügenden Begründung unwirksam. Die Klägerin hat sich zur Begründung des Erhöhungsverlangens gemäß § 558 a Abs. 2 Nr. 1 BGB auf den Berliner Mietspiegel 2015 berufen. Es ist der Klägerin jedoch in dem vorliegenden Fall unter Berücksichtigung ihres prozessualen Vortrags, nach dem es sich bei dem Berliner Mietspiegel 2015 nicht um einen qualifizierten handeln soll und dieser auch nicht als einfacher Mietspiegel eine taugliche Erkenntnisquelle für die Bestimmung der ortsüblichen Vergleichsmiete sein soll, verwehrt, den Berliner Mietspiegel 2015 zur Begründung ihres Mieterhöhungsverlangens heranzuziehen.
Die Klägerin hat in den prozessualen Schriftsätzen unter Verweis auf das Urteil des AG Charlottenburg in dem Verfahren 235 C 133/13 vorgetragen, dass die Aufstellung des Berliner Mietspiegels 2015 nicht nach anerkannten wissenschaftlichen Grundsätzen erfolgt sei und daher die Begründetheit des streitgegenständlichen Erhöhungsverlangens nicht mit dem Berliner Mietspiegel 2015 als Erkenntnisquelle beurteilt werden könne. Dementsprechend ist sie der Ansicht, dass es sich bei diesem nicht um einen qualifizierten Mietspiegel im Sinne des § 558 d BGB handelt. Weiterhin trägt sie unter Verweis auf das Urteil des LG Berlins vom 17.7.2015, NZM 2015, 659, vor, die Mängel bei der Erstellung des Berliner Mietspiegel 2015 würden dazu führen, dass dieser auch nicht als einfacher Mietspiegel gemäß § 558 c BGB zur Ermittlung der ortsüblichen Vergleichsmiete herangezogen werden könne. Nach Ansicht der Klägerin existiert dementsprechend kein Berliner Mietspiegel 2015 im·Sinne der §§ 558c, d, der gemäß § 558 a Abs. 2 Nr. 1 zur Begründung eines Mieterhöhungsverlangens herangezogen werden könnte. Wenn jedoch – wie die Klägerin meint – der Berliner Mietspiegel 2015 keine sachgerechte Übersicht über die ortsübliche Vergleichsmiete im Sinne des § 558 c BGB wiedergibt, so kann dieser auch kein geeignetes Mittel zur Begründung des Erhöhungsverlangens sein. Mit ihrem Vortrag hat die Klägerin damit ihrer eigenen Begründung die Grundlage entzogen. Da sie sich auch auf keine andere Begründung im Sinne des § 558 a Abs. 2 BGB stützt, fehlt es im Prozess an der Darlegung eines formell ordnungsgemäßen Mieterhöhungsverlangens im Sinne des § 558 a BGB.
Die Klägerin verhält sich mit ihrem Vortrag widersprüchlich und auch treuwidrig gegenüber ihren Mietern. Sie nutzt vorliegend eine kostengünstige Möglichkeit zur formellen Begründung ihres Mieterhöhungsverlangens und will dem betroffenen Mieter durch die von ihr vertretene Rechtsauffassung dann das Kostenrisiko für den Nachweis der Qualifiziertheit des Mietspiegels im Prozess allein zuweisen. Denn hier behauptet sie, dass der Mietspiegel nicht anwendbar sei. Der Mieter müsste, soweit er der Ansicht ist, dass sich die ortsübliche Vergleichsmiete nach dem BerIiner Mietspiegel 2015 richtet, im Rahmen der Begründetheit beweisen, dass es sich bei diesem um einen qualifizierten bzw. zumindest um einen einfachen Mietspiegel handelt, obwohl die Klägerin sich selbst in ihrem Mieterhöhungsverlangen auf diesen gestützt hat und ihm dieses von der Klägerin an die Hand gegeben worden ist, um die sachliche Berechtigung des Erhöhungsverlangens zu überprüfen. Damit wird die Klägerin mit ihrer Begründung des Mieterhöhungsbegehrens nicht dem Sinn und Zweck der Vorschrift des § 558 a BGB gerecht. Sinn und Zweck dieser Vorschrift ist es nämlich, dem Mieter in dem Erhöhungsverlangen die Möglichkeit zu geben, die sachliche Berechtigung des Erhöhungsverlangens zu überprüfen, um überflüssige Prozesse zu vermeiden (vgl. Palandt- Weidenkaff, 75. Auflage, § 558a Rn. 7; BGH NJW 2008, 573).
Ist die Klägerin der Ansicht, dass der Berliner Mietspiegel 2015 kein Mietspiegel im Sinne der § 558c, d BGB ist, kann sie diesen auch nicht zur Begründung ihres Mieterhöhungsverlangens heranziehen, sondern muss eines der anderen Begründungsmittel des § 558a BGB nutzen
Die Klage war daher als unzulässig abzuweisen. …
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO, die der vorläufigen Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
08.05.2017