Die Wohnanlage Rosenfelder Ring in Friedrichsfelde entstand Mitte der 1960er Jahre. Die sieben Blöcke mit 840 Wohnungen und rund 1300 Bewohnern sind der zweitgrößte Bestand der Wohnungsbaugenossenschaft Vorwärts – „ein liebenswertes Viertel“, befindet deren Homepage. Im Monitoring-Bericht Soziale Stadtentwicklung 2015 dagegen wird der Kiez als „Gebiet mit besonderem Aufmerksamkeitsbedarf“, also Problemkiez, ausgewiesen.
Ute und Manfred Lehnert gehören zu den Erstbeziehern in den Hochhäusern am Rosenfelder Ring. Seit 50 Jahren wohnen sie dort. Von der senatsoffiziellen Einstufung ihres Kiezes haben sie aus der Zeitung erfahren. Gespürt haben sie den sukzessiven Abstieg schon länger. 5,07 Euro je Quadratmeter beträgt das durchschnittliche Nutzungsentgelt, wie in den genossenschaftlichen Blöcken die Mietzahlung genannt wird. Viele Bewohner wären wie die Lehnerts bereit, etwas mehr zu zahlen, wenn dafür der Wohnkomfort steigen würde. Aufgrund der niedrigen Nutzungsentgelte wohnen inzwischen viele Familien hier, die Transferleistungen beziehen.
Bereits seit 2008 forderten die Lehnerts von ihrer Wohnungsbaugenossenschaft eine Beseitigung der gravierendsten baulichen Mängel. Im Sommer steigen zum Beispiel die Zimmertemperaturen auf der Sonnenseite auf 30 bis 35 Grad, im Winter kühlen die Wohnungen schnell aus. Die Folge: In den Fensterkehlen entwickelt sich Schimmel. Die Fassaden verströmen noch den „Charme“ der 1960er Jahre. Die Böden der überdachten Zugänge zu den Treppenhäusern sind bei erhöhter Luftfeuchtigkeit und bei Regen nass, die Scheiben beschlagen von innen, und im Haus breitet sich ein dumpf-muffiger Geruch aus.
Der Wohnungsbaugenossenschaft sind die Probleme bekannt. Trotzdem gibt sie sich „sehr erstaunt“ über den vermuteten Abstieg des Kiezes. Vorwärts-Sprecher Mathias Nordmann verweist auf eine Mitgliederbefragung im vergangenen Jahr, die ergeben habe, dass 77 Prozent der Bewohner mit der Wohnsituation zufrieden beziehungsweise sehr zufrieden seien. Am Rosenfelder Ring gäbe es eine Fluktuation von nur fünf Prozent.
Auf der Vertreterversammlung im Mai 2015 kündigte Vorwärts-Vorstandsvorsitzender Tom Wünsche aber eine „komplexe Sanierung des Wohngebietes Rosenfelder Ring“ an. Die Genossenschaft klärt derzeit mit einem Ingenieurbüro „die Frage, wie, in welchem Umfang und wann“ die Modernisierung der Häuser stattfinden wird.
Der „Charme der DDR“, vor zwei Jahren in einer Nostalgiewohnung der Genossenschaft in der Einbecker Straße kurzzeitig konserviert, und die Probleme der Bewohner werden also noch eine Weile Bestand haben.
Rainer Bratfisch
26.01.2017