Leitsatz:
Negative Erfahrungen mit dem früheren Vermieter dürfen in der Regel auf Internetportalen veröffentlicht und verbreitet werden, wenn die Veröffentlichung der Wahrheit entspricht. Die Schwelle zur Persönlichkeitsrechtsverletzung wird erst überschritten, wo sie einen Persönlichkeitsschaden befürchten lässt, der außer Verhältnis zum Interesse an der Verbreitung der Wahrheit steht.
(Leitsätze der Redaktion)
BVerfG vom 29.6.2016 – 1 BvR 3487/14 –
Langfassung: www.bundesverfassungsgericht.de.de
Anmerkungen des Berliner Mietervereins
Im Jahr 2007 kam es zu einem Rechtsstreit um Rückzahlungsansprüche des Gewerberaummieters. Die Parteien schlossen im Oktober 2008 einen Vergleich, in dem sich der Vermieter dazu verpflichtete, 1100 Euro an den Mieter zu bezahlen. Im Januar 2009 bot der Vermieter an, den Betrag in 55 Monatsraten zu je 20 Euro zu bezahlen. Dieses Ratenzahlungsangebot lehnte der Mieter ab und stellte zugleich Strafanzeige bei der Staatsanwaltschaft, was er dem Vermieter auch mitteilte. Im Februar 2009 sah sich der Mieter gezwungen, einen Zwangsvollstreckungsauftrag zu erteilen. Kurz vor Erteilung des Auftrags hatte der Vermieter 110 Euro gezahlt. Die Zahlung des Restbetrags erfolgte Ende Februar 2009. Die Staatsanwaltschaft stellte das Ermittlungsverfahren im März 2009 ein.
Im Jahr 2012 berichtete der Mieter über diesen – in der Sache zwischen den Parteien unstreitigen – Vorgang auf Internet-Portalen, welche die Möglichkeit bieten, Firmen zu suchen und eine Bewertung abzugeben. Der Mieter nutzte für seine Äußerungen jeweils die Bewertungsfunktion: „Ende 2007 war ich leider gezwungen, Herrn … bezüglich der Rückgabe meiner Mietkaution vor dem Amtsgericht Hamburg-Wandsbek zu verklagen. Im November 2008 bekam ich dann vom Amtsgericht … einen Titel, der Herr … verpflichtete, 1100 Euro an mich zu zahlen. Am 3.1.2009 bekam ich einen Brief von Herrn …, in dem er angeboten hat, die 1100 Euro in 55 Monatsraten à 20 Euro zu bezahlen, da es ihm zurzeit nicht möglich ist, die 1100 Euro in einer Summe zu zahlen. Erst nach Einschalten der Staatsanwaltschaft … und dem zuständigen Gerichtsvollzieher hat Herr … dann Ende Februar 2009 gezahlt. Mit Herrn … werde ich bestimmt keine Geschäfte mehr machen.“
Der Vermieter hatte den Mieter daraufhin auf Unterlassung dieser Äußerungen verklagt. Er bekam vor dem Landgericht und dem Oberlandesgericht Recht. Hiergegen legte der Mieter Verfassungsbeschwerde ein. Er sah sich in seinem Grundrecht auf Meinungsfreiheit verletzt.
Das Bundesverfassungsgericht stellte fest, diese Äußerungen seien Tatsachenbehauptungen, die unter dem Schutz der Meinungsfreiheit stünden. Dieses Grundrecht sei in Fällen wie diesen abzuwägen mit den auf Vermieterseite zu berücksichtigenden grundrechtlich geschützten Belangen seines allgemeinen Persönlichkeitsrechts. Die Behauptung wahrer Tatsachen, die Vorgänge aus der Sozialsphäre beträfen, müssten grundsätzlich hingenommen werden. Die Schwelle zur Persönlichkeitsverletzung werde bei der Mitteilung wahrer Tatsachen erst überschritten, wo sie einen Persönlichkeitsschaden befürchten lasse, der außer Verhältnis zu der Verbreitung der Wahrheit stehe. Dabei dürfe auch der volle Name des Vermieters genannt werden. Letztlich gebe es ein öffentliches Informationsinteresse möglicher Kunden des genannten Vermieters. Dem drohe auch kein unverhältnismäßiger Verlust an sozialer Achtung. Denn ihm würden keine strafrechtlich relevanten Handlungen vorgeworfen, sondern nur eine schleppende Zahlungsmoral.
23.10.2016