Leitsatz:
Die fristlose Kündigung wegen fortdauernd unpünktlicher Mietzahlungen ist unwirksam, wenn der Zeitraum zwischen Abmahnung und nächstem Zahlungstermin sowie dem Ausspruch der Kündigung zu kurz bemessen ist (hier: 3 beziehungsweise 5 Werktage). Dieser Umstand wirkt sich auch bei der wegen unpünktlicher Mietzahlung ausgesprochenen ordentlichen Kündigung zugunsten des Mieters aus.
LG Berlin vom 23.10.2015 – 65 S 239/15 –
Mitgeteilt von VRinLG Astrid Siegmund
Anmerkungen des Berliner Mietervereins
Der fristlosen Kündigung wegen fortdauernd unpünktlicher Mietzahlungen muss eine Abmahnung des Vermieters vorangehen, damit die Kündigung wirksam ist. Vorliegend war Folgendes geschehen: Der Mieter hatte die Miete für November 2014 zu spät entrichtet. Am Donnerstag den 27.11.2014 ging ihm die Abmahnung zu, so dass zum nächsten Zahlungstermin – dem folgenden Mittwoch, 3.12.2014 gerade einmal drei Werktage, verblieben. Am 5.12.2014 erhielt der Mieter dann die Kündigung, wobei er die Zahlung der Miete für den Monat Dezember zwar nicht – wie geschuldet – zum 3.12., aber zum 4.12. bewirkt hatte.
Das Landgericht hielt den Zeitraum zwischen Abmahnung und nächstem Zahlungstermin sowie Ausspruch der Kündigung für unangemessen kurz, so dass er nicht mehr dem Zweck der Abmahnung genügen würde. Die nach § 543 Abs. 3 BGB erforderliche Abmahnung sei kein formaler Selbstzweck; sie diene auch nicht der Vorbereitung der Kündigung. Sie solle dem Mieter vielmehr Gelegenheit zur Änderung seines Verhaltens geben und ihn vor den Folgen der Fortsetzung seines vertragswidrigen (Zahlungs-)Verhaltens warnen. Im Falle unpünktlicher Mietzahlungen könne die Abmahnung diese Funktion nur erfüllen, wenn zwischen Abmahnung und Kündigung ein ausreichender Zeitraum liege; eine Kündigung, die unmittelbar nach der Abmahnung ausgesprochen werde, sei unwirksam.
Der vorstehend beschriebene Zweck der Abmahnung gewinne zusätzlich an Bedeutung, wenn der Vermieter – wie hier – in einem seit mehr als zwei Jahrzehnten andauernden Mietverhältnis die – wenngleich vertragswidrig – verspäteten Mietzahlungen über Jahre beanstandungslos hingenommen habe.
Unter Berücksichtigung des unangemessen kurzen Zeitraums zwischen Abmahnung und nächstem Zahlungstermin sowie Ausspruch der Kündigung sei auch die Wirksamkeit der ordentlichen Kündigung wegen fortdauernd unpünktlicher Mietzahlungen zu verneinen.
Nach § 573 Abs. 1, 2 Nr. 1 BGB könne der Vermieter das Mietverhältnis kündigen, wenn er ein berechtigtes Interesse an der Beendigung des Mietverhältnisses habe; ein solches liege insbesondere dann vor, wenn der Mieter seine vertraglichen Pflichten schuldhaft nicht unerheblich verletzt habe. Zwar setze die ordentliche Kündigung nach § 573 Abs. 1, 2 Nr. 1 BGB keine Abmahnung voraus. Es sei jedoch als Gesichtspunkt bei der Prüfung zu berücksichtigen, ob eine schuldhafte nicht unerhebliche Pflichtverletzung des Mieters vorliege.
Das sei hier mit Blick auf das mehr als zwei Jahrzehnte andauernde Mietverhältnis und die Hinnahme der unpünktlichen Mietzahlungen über Jahre hinweg zu verneinen; Letzteres legte aus der Sicht des Mieters eine (stillschweigende) Duldung seines Zahlungsverhaltens nahe. Daher kam der Abmahnung für die Kündigung nach § 573 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB hier ausnahmsweise insofern Bedeutung zu, als erst ihre Missachtung durch den Mieter dessen Pflichtverletzung das erforderliche Gewicht zu verleihen geeignet gewesen wäre. In Anbetracht des Zeitraums von drei Werktagen zwischen Zugang der Abmahnung und nächstem Zahlungstermin könne die Verspätung der Zahlung um einen Tag, auch mit Blick auf die in der Abmahnung dargestellten Verspätungszeiträume nicht als Missachtung des Willens des Vermieters angesehen werden, der Beklagte möge zu einem vertragsgemäßen (Zahlungs-)Verhalten zurückkehren.
Urteilstext
Beschluss nach § 522 Abs. 2 ZPO:
I.
Das angefochtene Urteil des Amtsgerichts beruht weder auf einer Rechtsverletzung gemäß § 546 ZPO, noch rechtfertigen die nach § 529 ZPO zugrunde zu legenden Tatsachen eine andere Entscheidung, § 513 ZPO. Frei von Rechtsfehlern hat das Amtsgericht die Klage abgewiesen.
Ein Anspruch des Klägers gegen den Beklagten auf Räumung und Herausgabe der von ihm inne gehaltenen Räumlichkeiten aus § 546 Abs. 1 BGB besteht nicht, denn das zwischen den Parteien bestehende Mietverhältnis ist durch die Kündigung mit Schreiben vom 5. Dezember 2014 weder fristlos noch fristgemäß beendet worden.
1. Frei von Rechtsfehlern ist das Amtsgericht auf der Grundlage des Gesetzes und der vom Bundesgerichtshof entwickelten Maßstäbe davon ausgegangen, dass fortlaufend unpünktliche Mietzahlungen eine fristlose Kündigung des Mietverhältnisses grundsätzlich rechtfertigen können.
Im Rahmen seiner umfangreichen Kopie von Auszügen aus Entscheidungen des Bundesgerichtshofs – die auch das Amtsgericht kennt und unterstellt – übersieht der Kläger aber den entscheidenden – vom Amtsgericht zutreffend zugrunde gelegten – Gesichtspunkt und Unterschied zu den dortigen Sachverhalten: zwischen der Abmahnung und dem nächsten Zahlungstermin muss ein Zeitraum liegen, der es dem Mieter ermöglicht, auf die Abmahnung – ihrem Zweck gemäß – zu reagieren und sein Zahlungsverhalten umzustellen.
Die nach § 543 Abs. 3 BGB erforderliche Abmahnung ist kein formaler Selbstzweck; sie dient auch nicht der Vorbereitung der Kündigung (vgl. Blank, in: Schmidt-Futterer, Mietrecht, 12. Aufl., 2015, § 543 Rn. 180). Sie soll dem Mieter vielmehr Gelegenheit zur Änderung seines Verhaltens geben (BT-Drucks. 14/5663, S. 69) und ihn vor den Folgen der Fortsetzung seines vertragswidrigen (Zahlungs-)Verhaltens warnen (vgl. Blank, in: Schmidt-Futterer, a.a.O.) Im Falle unpünktlicher Mietzahlungen kann die Abmahnung diese Funktion nur erfüllen, wenn zwischen Abmahnung und Kündigung ein ausreichender Zeitraum liegt; eine Kündigung, die unmittelbar nach der Abmahnung ausgesprochen wird, ist unwirksam (vgl. Blank in: Schmidt-Futterer, a.a.O., m.w.N.).
Der vorstehend beschriebene Zweck der Abmahnung gewinnt zusätzlich an Bedeutung, wenn der Vermieter – wie hier – in einem seit mehr als zwei Jahrzehnten andauernden Mietverhältnis die – wenngleich vertragswidrig – verspäteten Mietzahlungen über Jahre beanstandungslos hingenommen hat.
Hier lagen zwischen dem Zugang der Abmahnung am Donnerstag, den 27. November 2014 und dem nächsten Zahlungstermin – dem folgenden Mittwoch, 3. Dezember 2014 gerade einmal drei Werktage, wobei der Beklagte die Zahlung der Miete für den Monat Dezember zwar nicht – wie geschuldet – zum 3. Dezember, aber zum 4. Dezember bewirkt hat. Das dürfte nach den oben dargestellten Maßstäben ein unangemessen kurzer Zeitraum sein, der nicht mehr dem Zweck der Abmahnung genügt, sondern diese – zweckwidrig – zur Vorbereitung der Kündigung einsetzt, die der Kläger am 5. Dezember 2014, nach Feststellung des Zahlungseingangs (am Vortag) ausgesprochen hat.
Der Sachverhalt würde sich unter Berücksichtigung der vorrangig maßgeblichen Intention des Gesetzgebers und der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs anders darstellen, wenn der Kläger die Abmahnung im unmittelbaren zeitlichen Zusammenhang zur Feststellung der verspäteten Mietzahlung im November 2014 ausgesprochen hätte, also unmittelbar nach dem 5. November 2014, dem 3. Werktag im November 2014.
Vor diesem Hintergrund gehen die umfangreichen Rechtsprechungs-Kopien ins Leere. Niemand, insbesondere auch das Amtsgericht Neukölln nicht, stellt in Abrede, dass eine um einen Tag verspätete Zahlung nach einer Abmahnung ausreichen kann; sie muss es allerdings auch nicht, was der Kläger wiederum verkennt.
2. Zutreffend und in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs hat das Amtsgericht unter Berücksichtigung des unangemessen kurzen Zeitraums zwischen Abmahnung und nächstem Zahlungstermin sowie Ausspruch der Kündigung auch die Wirksamkeit der ordentlichen Kündigung wegen fortdauernd unpünktlicher Mietzahlungen verneint.
Nach § 573 Abs. 1, 2 Nr. 1 BGB kann der Vermieter das Mietverhältnis kündigen, wenn er ein berechtigtes Interesse an der Beendigung des Mietverhältnisses hat; ein solches liegt insbesondere dann vor, wenn der Mieter seine vertraglichen Pflichten schuldhaft nicht unerheblich verletzt hat.
Zwar setzt die ordentliche Kündigung nach § 573 Abs. 1, 2 Nr. 1 BGB keine Abmahnung voraus. Sie ist jedoch als Gesichtspunkt bei der Prüfung zu berücksichtigen, ob eine schuldhafte nicht unerhebliche Pflichtverletzung des Mieters vorliegt (vgl. BGH Urt. v. 28.11.2008 – VIII ZR 145/07, in: NJW 2008, 508, zit nach juris, m.w.N.).
Das ist hier mit Blick auf das mehr als zwei Jahrzehnte andauernde Mietverhältnis und die Hinnahme der unpünktlichen Mietzahlungen über Jahre hinweg zu verneinen; letzteres legte aus der Sicht des Beklagten eine (stillschweigende) Duldung seines Zahlungsverhaltens nahe. Daher kam der Abmahnung für die Kündigung nach § 573 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB hier ausnahmsweise insofern Bedeutung zu, als erst ihre Missachtung durch den Beklagten dessen Pflichtverletzung das erforderliche Gewicht zu verleihen geeignet gewesen wäre (vgl. BGH a. a. O.). In Anbetracht des Zeitraums von drei Werktagen zwischen Zugang der Abmahnung und nächstem Zahlungstermin kann die Verspätung der Zahlung um einen Tag, auch mit Blick auf die in der Abmahnung dargestellten Verspätungszeiträume nicht als Missachtung des Willens des Klägers angesehen werden, der Beklagte möge zu einem vertragsgemäßen (Zahlungs-)Verhalten zurückkehren.
3. Zu Recht hat das Amtsgericht die Wirksamkeit der ordentlichen Kündigung unter den hier gegebenen Umständen auch verneint, soweit sie auf die Nachzahlung aus der Betriebskostenabrechnung 2012 gestützt wurde. Auch insoweit gelten – ohne Einschränkung – die gesetzlichen Voraussetzungen des § 573 Abs. 1, 2 Nr. 1 BGB. In die Bewertung der Pflichtverletzung als „nicht unerheblich“, vgl. Wortlaut des § 573 Abs. 2 Nr. 1 BGB, ist nach den vom Bundesgerichtshof entwickelten Maßstäben die Dauer und die Höhe eines etwaigen Zahlungsverzugs einzubeziehen. Dabei entbindet ein Zahlungsverzug von mehr als einem Monat und eine Höhe des Rückstandes von mehr als einer Monatsmiete die Gerichte nicht etwa von der im Rahmen des Kündigungstatbestandes vorzunehmenden Wertung; es ist umgekehrt: bei einem Rückstand von weniger als einer Monatsmiete über weniger als einen Monat ist die Erheblichkeitsschwelle des § 573 Abs. 2 Nr. 1 BGB jedenfalls nicht überschritten (vgl. BGH Urt. v. 10.10.2012 – VIII ZR 107/12, in: NJW 2013, 159 = Grundeigentum 2012, 1629, zit. nach juris). Im Ergebnis zu Recht hat das Amtsgericht daher den Umstand des laufenden Rechtsstreits über die Betriebskostennachforderung und die fehlende Erwähnung der Forderung in der Abmahnung in seine Wertung einbezogen.
Hinzu kommt, dass im Rahmen der ordentlichen Kündigung der nachträgliche Ausgleich der Nachforderung durch Zahlung vom 22. Januar 2015, nur etwa 6 Wochen nach Ausspruch der Kündigung zu berücksichtigen ist. Sie lässt die Pflichtverletzung des Beklagten (zusätzlich) in einem „milderen Licht“ erscheinen, wobei offen bleiben kann, ob die Zahlung die Wirksamkeit der Kündigung entfallen lässt oder das Festhalten an der (wirksamen) Kündigung unter dem Gesichtspunkt der Rechtsmissbräuchlichkeit nach § 242 BGB zu berücksichtigen ist (vgl. BGH Urt. v. 10.10.2012, a.a.O.).
Offen bleiben kann nach alledem, ob der Beklagte den Ausgleich der Nachforderung aus der Betriebskostenabrechnung durch Barzahlung bereits einen Tag nach Zustellung der Klageschrift in dem Rechtsstreit zum Az. 5 C 243/14 der Hausverwaltung angeboten hat.
II.
Der Kläger erhält Gelegenheit zur Stellungnahme gemäß § 522 Abs. 2 Satz 2 ZPO und gegebenenfalls Rücknahme der Berufung binnen 2 Wochen. Es wird darauf hingewiesen, dass sich die Gerichtsgebühren bei Zurücknahme der Berufung ermäßigen.
14.06.2017