Manchmal geht es Wissenschaftlern wie Politikern. Sie werden bedeutend, weil sie medial beachtet werden. Im Fall einer Kurzstudie des Kölner Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) lag der Grund für die Aufmerksamkeit auf der Hand: Die Mieten – so das IW – seien zwischen den Jahren 2010 und 2016 mit 10,2 Prozent weniger stark gestiegen als die verfügbaren Einkommen der privaten Haushalte mit 11,5 Prozent.
Der Autor der Studie zieht aus seiner Datenauswertung einen weitreichenden Schluss: Es seien keine erheblichen Verwerfungen im Verhältnis von Wohnkosten und Einkommen zu erkennen. „Die Politik muss daher keine neuen Programme initiieren oder die Wohnungsmärkte stärker regulieren. Die Wohnungsmärkte funktionieren.“ Diese wahrscheinlich beabsichtigte Botschaft bleibt hängen, und sie war der Grund für das Echo, das sie erzeugt hat. Eine wissenschaftliche Analyse wird nicht dadurch falsch, dass sie dem Augenschein widerspricht. Die Frage ist, ob das IW seine These wirklich auf eine belastbare Grundlage gestellt hat.
Verwandt wurden Einkommensdaten aus den Kaufkraftanalysen der Gesellschaft für Konsumforschung (GfK), ergänzt um Einkommensrechnungen der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung (VGR). Neben diese Daten wurde die Marktmietensammlung des Hamburger Instituts Forschung und Beratung (F+B) gelegt. Gegen die verwandte Datenbasis ist wenig zu sagen. Die Art, wie IW sie zusammengefügt und interpretiert hat, ist allerdings diskussionswürdig. Zunächst ist es keine neue Information, dass die deutschen Wohnungsteilmärkte und deshalb auch die Mieten sich stark unterschiedlich entwickeln. Ähnliches gilt für die Einkommen. Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW): „Die Ungleichheit bei Löhnen, Markteinkommen und verfügbaren Einkommen ist in den vergangenen Jahrzehnten deutlich angestiegen.“ Wenn die zentralen Schlussfolgerungen sich auf Durchschnittswerte stützen, darf man also ein großes Fragezeichen setzen.
Armin Hentschel
27.09.2016