Der weltweite Strom der Menschen in die Städte reißt nicht ab. Die Megametropolen wuchern unkontrolliert und können ihren Bewohnern oft nicht einmal frisches Trinkwasser bieten. Wie lässt sich eine Grundversorgung sichern? Kann verhindert werden, dass Monsterstädte zur Klimafalle werden? Lässt sich eine Mitsprache der Stadtbewohner organisieren? Seit 40 Jahren berät „Habitat“, die Siedlungskonferenz der Vereinten Nationen, in regelmäßigen Abständen über solche Fragen. Endlich werden dabei auch die Städte selbst gehört.
Was verbindet Berlin mit Megastädten wie Mumbai, Lagos, Quito oder auch Tokio? Deren scheinbar ungebremstes Wachstum, der ungeheure Druck, der auf knappen Ressourcen, aber auch auf der Infrastruktur liegt, sind mit Problemen der deutschen Hauptstadt kaum vergleichbar. „Aber die Menschen, die in diese Städte strömen“, erklärt Barbara Berninger, Referatsleiterin in der Berliner Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umwelt, „kommen mit denselben Erwartungen und Hoffnungen auf die Zukunft wie jene, die Berlin, Paris oder London mitgeformt haben.“
Die Menschen strömen in die Metropolen
Dieser Menschenstrom aus ländlichen Gebieten in wild wuchernde Metropolen hat immer weiter zugenommen. Lebten vor 40 Jahren noch zwei Drittel der Weltbevölkerung im ländlichen Raum, so war es 2014 nur noch etwa die Hälfte der Menschheit. Prognosen zufolge könnte sich dieses Verhältnis 2050 dann komplett umgekehrt haben: Zwei Drittel drängen sich in und um die Städte.
Alarmiert durch unkontrollierte Urbanisierung berief die Generalversammlung der Vereinten Nationen schon 1976 im kanadischen Vancouver die erste Wohn- und Siedlungskonferenz Habitat I ein. Ihr Themenschwerpunkt: Wohnungsversorgung und Wohnungsnot. Sie formulierte erste Strategien, um urbanes Wachstum zu kontrollieren. 20 Jahre später musste Habitat II in Istanbul eine deutliche Verschlechterung der Lage konstatieren. Die 171 teilnehmenden Regierungen sprachen nun über Verslumung und darüber, dass die Monsterstädte ihren Bewohnern oft nicht einmal das Nötigste bieten konnten: keinen Wohnraum, keinen Zugang zu sauberem Trinkwasser, zu Strom, geschweige denn eine Gesundheitsversorgung oder gar Bildung. Als ganz wesentlich für eine Verbesserung von Lebensqualität wurden eine nachhaltige Stadtplanung, der Zugang zur Grundversorgung und der Ausbau der Infrastruktur benannt.
Dass die Städte nun selbst – und nicht nur ihre nationalen Regierungen – bei der dritten Siedlungskonferenz Habitat III im Oktober dieses Jahres in Quito mit am Verhandlungstisch saßen, ist nicht zuletzt auch Berlins Regierendem Bürgermeister Michael Müller (SPD) als Co-Präsident des Netzwerks zu verdanken. Er drängte im April 2015 in einer Rede vor den Vereinten Nationen auf Einbindung der Städte, lud im Sommer dieses Jahres zu einer Vorbereitungskonferenz für Habitat III nach Berlin ein und überbrachte in Ecuador schließlich die „Berliner Empfehlung für die Neue Urbane Agenda“. In ihr geht es beispielsweise darum, dass schnell wachsende Städte nicht zu einer Klimafalle werden. Es geht um die Frage, wie Stadtbewohner, die den Wandel der Metropolen ja vorantreiben, bei dessen Bewältigung einbezogen werden können. Und es geht darum, was Städte voneinander lernen können.
Darüber hinaus sind es aber vor allem die aktuellen Krisen und die globalen Fluchtbewegungen der letzten Jahre, die ein Zusammengehen immer notwendiger machen. Nur Städte, die miteinander eng vernetzt sind, können von den Erfahrungen anderer lernen. Barbara Berninger: „In China gibt es Millionenstädte – von denen wissen wir noch nicht einmal den Namen.“
Rosemarie Mieder
Die Riesen
Als Megastädte werden Kommunen mit mehr als 10 Millionen Einwohnern bezeichnet. Ihre Geschichte ist die Geschichte des letzten Jahrhunderts. Noch im Jahr 1900 galt London mit 5 Millionen Einwohnern als bevölkerungsreichste Stadt der Welt. 1950 zählten New York und Tokio zu den größten Städten (über 10 Millionen Menschen), Mitte der 70er Jahre kam Mexiko City dazu. Heute gibt es bereits 36 Mega-Metropolen. An ihrer Spitze steht Tokio. Die japanische Hauptstadt gilt mit 36 Millionen Menschen als größter Ballungsraum der Erde.
rm
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29.11.2016