Leitsätze:
Gemäß § 556 b Abs. 1 BGB, der bestimmt, dass die Miete zu Beginn, spätestens bis zum dritten Werktag der vereinbarten Zeitabschnitte zu entrichten ist, kommt es für die Rechtzeitigkeit der Mietzahlung im Überweisungsverkehr nicht darauf an, dass die Miete bis zum dritten Werktag des vereinbarten Zeitabschnitts auf dem Konto des Vermieters eingegangen ist. Es genügt, dass der Mieter – bei ausreichend gedecktem Konto – seinem Zahlungsdienstleister den Zahlungsauftrag bis zum dritten Werktag des vereinbarten Zeitabschnitts erteilt.
In Allgemeinen Geschäftsbedingungen eines Wohnraummietvertrages, der bestimmt, dass die laufende Miete monatlich im Voraus, spätestens am dritten Werktag des Monats auf das Konto des Vermieters zu zahlen ist, ist die Klausel „Für die Rechtzeitigkeit der Zahlung kommt es nicht auf die Absendung, sondern auf den Eingang des Geldes an. Aus mehrfach verspäteter Mietzahlung kann der Mieter keine Rechte herleiten; vielmehr kann dies im Einzelfall ein Grund für eine Kündigung des Mietverhältnisses sein.“ gemäß § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB unwirksam, weil sie bei der gebotenen kundenfeindlichsten Auslegung das Risiko einer durch Zahlungsdienstleister verursachten Verzögerung des Zahlungsvorgangs entgegen der gesetzlichen Regelung dem Mieter auferlegt.
BGH vom 5.10.2016 – VIII ZR 222/15 –
Langfassung: www.bundesgerichtshof.de [PDF, 20 Seiten]
Anmerkungen des Berliner Mietervereins
Mit Schreiben vom 23.8.2013 mahnte die Vermieterin die Mieter unter Hinweis auf die – im Leitsatz wiedergegebene – mietvertragliche Formularklausel ab, dass die Miete in den Monaten Januar, Februar, März, Mai und Juli 2013 nicht bis zum dritten Werktag des Monats auf ihrem Konto eingegangen sei.
In den Monaten März, April und Mai 2014 zahlten die Mieter die Miete spätestens am dritten Werktag des Monats in bar bei ihrem Zahlungsdienstleister (Deutsche Post AG) ein und erteilten gleichzeitig einen Überweisungsauftrag. Die Vermieterin machte geltend, in den vorgenannten Monaten sei die Miete erneut nach dem dritten Werktag auf ihrem Konto eingegangen. Deshalb kündigte sie das Mietverhältnis wegen verspäteter Mietzahlungen jeweils fristlos, hilfsweise fristgerecht.
Der BGH verneinte jedoch einen Anspruch der Vermieterin auf Räumung und Herausgabe der vermieteten Wohnung.
Die auf verspätete Mietzahlungen gestützten Kündigungen seien schon deshalb unwirksam, weil die Mieter die Miete jeweils pünktlich spätestens am dritten Werktag des Monats gezahlt hätten. Hierfür genüge es gemäß § 556 b Abs. 1 BGB, dass sie die Leistungshandlung (Überweisungsauftrag) jeweils bis zu diesem Zeitpunkt vorgenommen hätten; auf einen späteren Eingang der Miete auf dem Konto der Klägerin komme es nicht an. Die entsprechende Formularklausel sei gemäß § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB wegen unangemessener Benachteiligung der Mieter unwirksam, weil sie abweichend von § 556 b Abs. 1 BGB dem Mieter das Risiko von Zahlungsverzögerungen im Überweisungsverkehr auferlege, die durch Zahlungsdienstleister verursacht worden seien.
Schon dem Gesetzeswortlaut des § 556 b Abs. 1 BGB lasse sich nicht zwingend entnehmen, dass eine im Überweisungsverkehr gezahlte Miete bereits am dritten Werktag des Monats auf dem Konto des Vermieters eingegangen sein müsse. Der Begriff des Entrichtens sei nach allgemeinem Sprachgebrauch als Synonym für das Bezahlen eines Geldbetrages zu verstehen.
Entscheidend sei aber letztlich die in den Gesetzesmaterialien zum Ausdruck gekommene Zielsetzung des § 556 b Abs. 1 BGB. Danach sei der Eingang der Miete auf dem Konto des Vermieters nicht maßgeblich für die Rechtzeitigkeit der Mietzahlung.
Bei der Schaffung des § 556 b Abs. 1 BGB habe sich der Gesetzgeber von der Erwägung leiten lassen, dass in der vertraglichen Praxis überwiegend eine Vorleistungspflicht des Mieters vereinbart, zugleich aber dem Mieter das Recht eingeräumt worden war, die Miete bis zum dritten Werktag des jeweils maßgeblichen Zeitabschnitts zu entrichten. Der Gesetzgeber habe dabei jedoch nicht auf den Eingang der Miete beim Vermieter abgestellt, sondern als ausreichend erachtet, dass die Miete bis zum dritten Werktag des vereinbarten Zeitabschnitts „entrichtet“ werde. So heiße es ausdrücklich (BT-Drucksache 14/4553, aaO): „Da die meisten Verträge [….] vorsehen, dass es ausreicht, wenn der Mieter die Miete bis zum dritten Werktag des jeweiligen Zeitabschnittes entrichtet, wurde diese Frist entsprechend übernommen.“
Der Gesetzgeber des Mietrechtsreformgesetzes habe § 556 b Abs. 1 BGB damit ersichtlich keinen von den Auslegungsregeln der § 269 Abs. 1, § 270 Abs. 1, 4 BGB abweichenden Regelungsgehalt zugemessen.
Nach diesen Bestimmungen sei die Mietschuld, wie andere Geldschulden, im Zweifel am Wohnsitz des Schuldners zu erfüllen. Gemäß § 270 Abs. 1 BGB trage der Schuldner grundsätzlich zwar die Verlustgefahr bei Geldleistungen, denn Geld habe der Schuldner im Zweifel auf seine Gefahr und Kosten dem Gläubiger an dessen Wohnsitz zu übermitteln. § 270 Abs. 1 BGB erfasse aber nicht die Gefahr, dass sich die Übermittlung des Geldes verzögere, denn der Ort der Leistungshandlung bleibe nach § 269 Abs. 1, § 270 Abs. 4 BGB der Wohnsitz des Schuldners. Der Schuldner müsse zwar rechtzeitig alles getan haben, was seinerseits am Leistungsort erforderlich sei, um den Gläubiger zu befriedigen. Der Leistungserfolg – die Gutschrift des Überweisungsbetrages auf dem Empfängerkonto – gehöre jedoch nicht mehr zur Leistungshandlung des Schuldners.
Somit habe der Schuldner (= Mieter) für die Gefahr, dass sich die Übermittlung des Geldes verzögere, nicht einzustehen und würden die eingeschalteten Zahlungsdienstleister nicht als seine Erfüllungsgehilfen im Sinne von § 278 BGB tätig.
11.01.2017