Leitsätze:
a) Die Erheblichkeit des Einwands rechtmäßigen Alternativverhaltens im Rahmen der Zurechnung des Schadenerfolgs richtet sich nach dem Schutzzweck der jeweils verletzten Norm. Voraussetzung ist zudem, dass derselbe Erfolg effektiv herbeigeführt worden wäre; die bloße Möglichkeit, ihn rechtmäßig herbeiführen zu können, reicht nicht aus (im Anschluss an BGHZ 120, 281, 287 = NJW 1993, 520, 522 und BGH Urteil vom 9.3.2012 – V ZR 156/11 – NJW 2012, 2022).
b) Zum Einwand rechtmäßigen Alternativverhaltens gegenüber dem auf Erstattung von Umzugskosten als Kündigungsfolgeschaden gerichteten Schadenersatzanspruch des Mieters.
BGH vom 2.11.2016 – XII ZR 153/15 –
Langfassung: www.bundesgerichtshof.de [PDF, 20 Seiten]
Anmerkungen des Berliner Mietervereins
Der Gewerbemieter machte Umzugskosten geltend, weil die Behörde die Räume wegen Verstoßes gegen Brandschutzbestimmungen gesperrt hatte, nachdem der Eigentümer eine Frist zur Beseitigung dieser Mängel hatte verstreichen lassen.
Der Eigentümer und Vermieter trat dem Schadensersatzanspruch des Mieters mit der Begründung entgegen, die Umzugskosten wären sowieso entstanden, weil er wegen der Nutzungsuntersagung seinerseits fristlos gekündigt hätte.
Diese offensichtlich abwegige Argumentation wies der BGH unter Hinweis auf die Voraussetzungen des rechtmäßigen Alternativverhaltens zurück: Zwar könne die Berufung des Vermieters auf ein rechtmäßiges Alternativverhalten, d.h. der Einwand, der Schaden wäre auch bei einer ebenfalls möglichen, rechtmäßigen Verhaltensweise entstanden, nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs für die Zurechnung eines Schadenserfolgs beachtlich sein. Die Erheblichkeit des Einwands richte sich nach dem Schutzzweck der jeweils verletzten Norm. Voraussetzung sei zudem, dass derselbe Erfolg effektiv herbeigeführt worden wäre; die bloße Möglichkeit, ihn rechtmäßig herbeiführen zu können, reiche nicht aus.
Diese Voraussetzungen lägen hier nicht vor. Wäre die Außenfassade des Mietobjekts nicht bauordnungswidrig mit brennbaren Materialien ausgeführt worden beziehungsweise hätte die Vermieterin die genannten Mängel rechtzeitig vor der Nutzungsuntersagung durch die Stadt beseitigt, wäre das Mietverhältnis nicht gekündigt worden und der mit den Umzugskosten verbundene Vermögensschaden beim Mieter nicht eingetreten. Der Einwand des Vermieters, er hätte das Mietverhältnis nach der behördlichen Nutzungsuntersagung seinerseits gekündigt, sei daher mit Blick auf den Schutzzweck der §§ 536 Abs. 1, 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 BGB nicht erheblich.
Diese Vorschriften bezweckten es gerade, den Mieter dagegen zu sichern, dass der Vermieter die Fortsetzung des Mietverhältnisses durch mangelbedingte Nichtgewährung oder Entziehung des vertragsgemäßen Gebrauchs für den Mieter unzumutbar mache. Greife der Mieter deshalb berechtigt zur Kündigung, büße er sein vertragliches Recht zum Gebrauch der Mietsache ein, so dass der Vermieter dann verpflichtet sei, dem Mieter den Schaden zu ersetzen, den er durch diesen Rechtsverlust erleide.
11.01.2017