2,2 Millionen Ratten gibt es nach Schätzungen der Berliner Wasserbetriebe in der Stadt. Der massive Vormarsch hat in der Innenstadt sogar schon zur Sperrung von Grünanlagen und Kinderspielplätzen geführt. Was ist zu tun, wenn man die Nager im Haus oder Keller sichtet?
Ratten sind perfekt an den Lebensraum in der unterirdischen Kanalisation angepasst. Von dort aus gelangen sie über die Abwasserschächte auch in Parks und Wohnhäuser, wo sie dank liegen gelassener Essensreste und Müll ein üppiges Nahrungsangebot vorfinden. Ratten können Krankheiten übertragen und gelten daher als Gesundheitsschädlinge.
Berlin hat als eines der wenigen Bundesländer seit 2011 eine Schädlingsbekämpfungsverordnung. Demnach ist ein Befall mit Ratten unverzüglich dem Gesundheitsamt des jeweiligen Bezirks zu melden. Anzeigepflichtig sind die Hauseigentümer. Das Amt führt dann stets einen Vor-Ort-Termin durch und setzt dem Vermieter eine Frist zur Bekämpfung. In der Regel muss innerhalb von acht Wochen eine sogenannte Tilgungsbescheinigung vorgelegt werden. Bleibt er untätig, kann das Gesundheitsamt selbst Maßnahmen zur Beseitigung in Auftrag geben. Für Mieter, die in ihrem Wohnbereich Ratten bemerken, ist der Vermieter erster Ansprechpartner. Sie können sich aber auch direkt ans Amt wenden.
Anders als bei den Grünflächen sei im Wohnbereich keine Zunahme festzustellen, heißt es bei mehreren Bezirksämtern. Mittlerweile sind die meisten Häuser saniert, marode Keller und schadhafte Leitungssysteme wurden in Ordnung gebracht. Mit Rattenbefall in der Wohnung habe man daher kaum noch zu tun, so das Gesundheitsamt Mitte. Auf der anderen Seite hat die zunehmende Bautätigkeit in den letzten Jahren dazu geführt, dass die Nager aufgescheucht werden. Mitunter sind auch die Bauarbeiter unachtsam und decken Rohre über Nacht nicht ab.
Nach der Statistik des Landesamtes für Gesundheit und Soziales hat die Zahl der Rattenbekämpfungsmaßnahmen insgesamt zugenommen. Unklar sei, ob das an einer Zunahme der Rattenpopulation oder an einer verbesserten Umsetzung der Anzeigepflicht liegt. Insgesamt 8654 Einsätze wurden von den Bezirken 2015 gemeldet, drei Jahre vorher waren es 7077 gewesen. Spitzenreiter ist Marzahn-Hellersdorf, dicht gefolgt von Friedrichshain-Kreuzberg und Mitte.
Das größte Problem sind nach wie vor die Keller. Einfallstore für die Ratten sind meist beschädigte Abwasserrohre. Eine Ratte kann sich durch eine Öffnung in der Größe eines Zwei-Euro-Stücks zwängen. Das Wichtigste ist daher, den Tieren keine Eintrittsmöglichkeiten zu bieten. Außerdem gilt es, den Tieren die Nahrungssuche so schwer wie möglich zu machen. Dazu können auch Mieter einiges beitragen. Vor allem sollten Essensreste niemals über die Toilette oder die Spüle entsorgt werden. Ein Problem stellen häufig auch die Rückstauklappen dar, die eigentlich dafür sorgen sollen, dass keine Ratten von der Kanalisation in die Haus-Abwasserleitungen gelangen. In etlichen Häusern fehlen sie oder funktionieren nicht richtig. Zweites Problem ist die Müllentsorgung. Häufig werden volle Mülltüten neben die Tonne gestellt, manchmal von Kindern, die an die Öffnung der Müllgefäße nicht herankommen.
Ursachenbekämpfung muss Vorrang haben
Während manche Hausverwaltungen das Auslegen von Ködern quasi als regelmäßig durchzuführenden oder alljährlichen Vorgang betrachten und die Kosten – meist unzulässigerweise – über die Betriebskosten auf die Mieter umlegen, sagt die Expertin: „Jede gute Schädlingsbekämpfung muss irgendwann abgeschlossen sein, eine dauerhafte Bekämpfung macht keinen Sinn und führt zu Resistenzen.“ Im Übrigen reiche es auch nicht, nur Giftköder auszulegen. Vielmehr muss die Ursache beseitigt werden, etwa die fehlenden Gittersiebe oder die defekten Abwasserrohre. Da solche Reparaturen nicht auf die Mieter umgelegt werden können, begnügen sich manche Vermieter mit der alljährlichen Giftkeule.
Birgit Leiß
Kosten meist nicht auf die Mieter umlegbar
Die Kosten für eine einmalige Rattenbekämpfung muss der Vermieter in der Regel selber tragen. Zwar gehört „Schädlingsbekämpfung“ zur Liste der umlegbaren Betriebskostenarten. Aber wie bei allen Betriebskosten gilt: Es muss sich um regelmäßig anfallende Kosten handeln, das heißt hier vor allem um vorbeugende Maßnahmen. Lediglich wenn der Vermieter nachweisen kann, dass es sich um ein Dauerproblem handelt, was bei einer besonders ungünstigen Lage beispielsweise an einem Wasserlauf der Fall sein kann, ist eine Abwälzung auf die Mieter denkbar – falls die Übernahme der Betriebskosten mietvertraglich vereinbart wurde. Maßnahmen der Bekämpfung können aber nur in allgemein zugänglichen Nebenräumen wie Treppenhaus, Keller oder Dachboden geltend gemacht werden, die einzelne Mietwohnung ist davon ausgenommen. Grundsätzlich gilt Rattenbefall als Mangel, der Mieter ist zur Mietminderung und unter Umständen zur fristlosen Kündigung berechtigt. Dabei kommt es jedoch auf das konkrete Ausmaß an, etwa ob die Wohnung oder nur der Keller betroffen sind.
bl
30.01.2017