Für die Stadtsoziologie sei die wichtige Leitfrage, wie die Institution, die wir heute Stadt nennen, in und aus der sozialen Praxis entstanden ist. Institution wird dabei nicht als bestimmte Organisation wie eine Firma oder Behörde verstanden, sondern als ein Gefüge aus rechtsförmigen Vorschriften sowie geschriebenen und ungeschriebenen Regeln, die in unser soziales Leben, unser Denken und Handeln so eingelagert sind, dass wir uns nicht mehr daran erinnern können, wie sie einmal über soziale Kämpfe entstanden sind.
Gegen dieses kollektive Vergessen stellen die Autoren ihren Ansatz der Soziogenese. Das Vertraute wird verfremdet, und man denkt unwillkürlich an die praktisch so bekannte, aber theoretisch ebenso rätselhafte Institution des Geldes. Der Leser wird auf eine sozialhistorisch und empirisch angereicherte Spurensuche geschickt. Sie beginnt in der frühen Neuzeit, setzt sich fort in der Phase der Industrialisierung und beschreibt anschließend die „Staats- und Stadtproduktion“ nach dem Zweiten Weltkrieg und nach dem Mauerfall. Schließlich diskutieren die Autoren aktuelle Schlagworte wie „Renaissance der Städte“ und „Reurbanisierung“ und konfrontieren die Leser mit der These, dass die sozialwissenschaftlichen und medialen Diskurse selbst ein Teil des Kampfes um das sind, was Stadt sein soll. Ein ungewohnter, aber interessanter Beitrag zum Stadtdiskurs.
mm
23.03.2017