Sonnenenergie wird noch viel zu wenig zur Stromerzeugung genutzt. Nur auf einem Bruchteil der geeigneten Dachflächen stehen in Berlin Solaranlagen. Aber auch im Kleinen können Mieter in Eigenregie Solarstrom erzeugen, indem sie auf ihrem Balkon eine Mini-Fotovoltaikanlage aufstellen. Die Technik ist verhältnismäßig einfach, der bürokratische Aufwand aber unnötig hoch.
Schon seit einigen Jahren sind kleine Solaranlagen auf dem Markt, mit denen man einfach über eine normale Steckdose Strom ins Netz einspeisen kann. Sie werden Mini-, Mikro-, Plug-in-, Plug-and-Play- oder einfach Stecker-Solaranlagen genannt. Mit ihnen kann man die eigene Stromrechnung spürbar senken. Der erzeugte Strom wird nicht über eine eigene Leitung ins allgemeine Netz eingespeist und auch nicht gesondert vergütet – er bleibt in der Wohnung und lässt quasi nur den eigenen Stromzähler langsamer laufen.
Handelsübliche Steckermodule sind ungefähr 1,60 mal 1,00 Meter groß und haben eine Leistung von 250 Watt. Sie sind zusammen mit dem notwendigen Wechselrichter für weniger als 500 Euro zu haben. Bei optimaler Ausrichtung kann ein solches Modul im Jahr 250 Kilowattstunden erzeugen. Bei den jetzigen Strompreisen ergibt das eine jährliche Einsparung von rund 60 Euro. Unter Berücksichtigung der Installationskosten zahlt sich eine solche Anlage bei den derzeitigen Stromkosten nach etwa 12 Jahren aus. Die Hersteller der Module geben in der Regel 25 Jahre Garantie.
„Balkonsolaranlagen machen die Energiewende für alle transparent und demokratischer“, sagt Volker Quaschning, Professor für Regenerative Energiesysteme an der Hochschule für Technik und Wirtschaft Berlin. „Eine große Verbreitung solcher Steckdosenmodule für den Eigenverbrauch hätte eine enorme Symbolkraft und könnte dem Ausbau der Fotovoltaik insgesamt den nötigen Schwung geben.“
Den Schwung bremsen aber bürokratische Hürden. Man muss die Installation beim Stromnetzbetreiber – in Berlin ist das Vattenfall – und bei der Bundesnetzagentur anmelden und von einem Fachbetrieb ausführen lassen. Und in der Regel wird der Stromzähler noch gegen einen Zweirichtungszähler ausgetauscht.
Diese Vorschriften sind auf größere Energieerzeuger zugeschnitten und für Kleinstanlagen eigentlich überflüssig. Die meisten Haushalte haben noch Stromzähler ohne Rücklaufsperre. Sie laufen also rückwärts, wenn einmal mehr Strom erzeugt als momentan in der Wohnung verbraucht wird. Bei der ohnehin staatlich verordneten Installation von „intelligenten“ Stromzählern hat sich dieses geringe Messproblem erledigt.
Bagatellgrenze ist sinnvoll
Weil man ja ausdrücklich keine Einspeisevergütung bekommen will, gibt es auch keinen vernünftigen Grund für die Meldepflicht beim Netzbetreiber und bei der Bundesnetzagentur.
In den Niederlanden, Österreich und in der Schweiz brauchen Anlagen mit einer Leistung bis zu 500 beziehungsweise 600 Watt nirgends gemeldet zu werden. In diesen Größenordnungen tritt keine Erwärmung der Leitungen auf, auch sonst sind keine technischen Probleme vorgekommen. Die abschreckende Wirkung der deutschen Bürokratie lässt sich daran ablesen, dass hier rund 20.000 Mini-Solaranlagen installiert sind, in den Niederlanden aber schon 200.000. Darum fordert die DGS, dass Anlagen mit einer Leistung von unter 800 Watt nicht meldepflichtig sein sollen und dass man übliche Anlagen mit einer Stromstärke bis zu 2,6 Ampere auch ohne Fachbetrieb anschließen darf, ohne den Versicherungsschutz zu gefährden.
Jens Sethmann
Ungenutztes Energiepotenzial in der Stadt
Solarenergie ist die einzige erneuerbare Energie, die man auch in der Stadt problemlos nutzen kann. Deutschlandweit wären rund zehn Millionen Balkone und Terrassen für die Installation von Mini-Solaranlagen geeignet. Schätzungsweise könnten hier jährlich vier Milliarden Kilowattstunden Strom erzeugt werden. Man kann die Solarmodule auf einem möglichst nach Süden ausgerichteten Balkon schräg aufstellen oder sie senkrecht an einer Wand anbringen. Wenn man das Paneel an die Balkonrückwand oder die Außenseite der Brüstung anschrauben möchte, braucht man die Erlaubnis des Vermieters. Bei Baudenkmälern scheidet eine Wandmontage aus.
js
Position der Deutschen Gesellschaft für Solarenergie (DGS) zu Mini-Fotovoltaikanlagen: www.pvplug.de
23.03.2017