Leitsatz:
Zwar steht einem Mieter grundsätzlich ein Schadensersatzanspruch gegen den Vermieter zu, wenn dieser einer gerechtfertigten Bitte, Teile der Wohnung unterzuvermieten, nicht fristgerecht nachkommt. Jedoch hat der Mieter keinen Schaden, wenn die Miete vom Sozialamt übernommen wird.
AG Mitte vom 29.9.2016 – 117 C 242/15 –
Mitgeteilt von RA Christoph Müller
Anmerkungen des Berliner Mietervereins
Die Mieter waren der Meinung, ihnen stünde gegenüber dem Vermieter im Zeitraum 1.2.2014 bis 31.3. 2015 wegen des Ausbleibens beziehungsweise der Verzögerung der beantragten Untervermietungsgenehmigung Schadensersatz in Höhe der Mietausfälle zu. Denn der Vermieter habe schuldhaft seine mietvertragliche Pflicht aus § 553 Abs. 1 Satz 1 BGB verletzt. Dem Grundsatz des Nachrangs der Sozialhilfe und dem Zusammenspiel des § 116 SGB X § 2 SGB XII sei eine Ermächtigung des geschädigten Mieters zu entnehmen, nach dem Rechtsübergang auf den Sozialhilfeträger zur Vermeidung der Hilfsbedürftigkeit die Ersatzleitung im eigenen Namen vom schädigenden Vermieter einzufordern. Die Mieter behaupten, alle Untermietkandidaten hätten monatlich für die Untervermietung eines Zimmers 330 Euro zahlen wollen.
Das sah das Amtsgericht anders. Nach dem Klagevortrag und aufgrund des Schreibens des Bezirksamts vom 10.2.2014 sei davon auszugehen, dass der Mietzins im streitgegenständlichen Zeitraum komplett vom Sozialamt übernommen wurde.
Ein Anspruch könnte also nur vom Sozialamt geltend gemacht werden, § 116 SGB X. Ein Anspruch der Mieter auf Schadensersatz ergebe sich auch nicht im Zusammenspiel von § 116 SGB X und § 2 SGB XII beziehungsweise dem Institut der Drittschadensliquidation.
§ 116 SGB X ermögliche einen frühen Forderungsübergang beziehungsweise Anspruchsverlust beim Geschädigten, um eventuelle für den Versicherungsträger nachteilige Verfügungen über einen Schadensersatzanspruch zu vermeiden. Dies gelte auch für Schadensersatzansprüche aus Vertrag. Hingegen wolle § 2 SGB XII einen möglichst frühen Rechtsübergang von Ansprüchen auf den Sozialhilfeträger vermeiden, um so dem Geschädigten möglichst lange die Möglichkeit der Selbsthilfe zu gewähren. Beide Normen hätten den Zweck, öffentliche Kassen zu entlasten. Um diesem Zweck nahe zu kommen, solle nach der Rechtsprechung des BGH der Geschädigte als ermächtigt behandelt werden, Schadensersatz vom Schädiger einzufordern. Als teils gesetzliche, teils durch die Rechtsprechung verankerte Parallele werde die fiduziarische Einziehungsermächtigung herangezogen. Danach könne einem Neugläubiger durch einen Altgläubiger eine Forderung zu diesem Zweck übertragen werden, rechtlich selbstständig, aber wirtschaftlich im Interesse des Altgläubigers, die Forderung einzuziehen. Dem Innenverhältnis zwischen Neu- und Altgläubiger liege zumeist eine Geschäftsbesorgung oder ein Auftrag zugrunde.
Vorliegend habe der Mieter aber nicht vorgetragen, dass eine Beauftragung durch das Sozialamt erfolgt oder eine Geschäftsbesorgung vereinbart worden sei. Auch einer Sicherungsabtretung gemäß § 398 BGB liege vom Grundgedanken her eine Art Treueverhältnis zwischen Alt- und Neugläubiger zugrunde. ln jedem Fall müsse der Anspruchsteller aber Geschädigter sein. Dies sei vorliegend jedoch nicht der Fall.
Wegen Fehlens eines Schadens wies das Gericht daher die Klage ab.
Urteilstext
Tatbestand
Die Kläger begehren von der Beklagten Schadensersatz in Höhe von 4.620,00 Euro wegen nicht bzw. nicht rechtzeitig erteilter Untermieterlaubnisse für Teile der Klägerwohnung S.-str. xx, 2. OG rechts, 10xxx Berlin.
Die miteinander verheirateten Kläger sind aufgrund schriftlichen Mietvertrages vom 29.12.2006 seit 01.01.2007 Mieter der vorstehend bezeichneten, ca. 86 qm großen 3-Zimmer-Wohnung. Die Beklagte ist ihre Vermieterin. Bei Vertragsbeginn bewohnten sie die Wohnung zusammen mit ihrer am 19.12.2006 geborenen gemeinsamen Tochter M..
Die Miete für die Wohnung beträgt seit 1.08.2014 insgesamt 740,33 Euro. Der Kläger bezieht eine Erwerbsminderungsrente von mtl. 838,05 Euro. Er erhält darüber hinaus·von Seiten des Sozialamtes Leistungen der Grundsicherung nach SGB XII in Höhe von 722,36 Euro.
Mit Schreiben vom 10.02.2014 kündigte das Bezirksamt – Amt für Soziales – gegenüber dem Kläger zu 1. an, ab 1.01.2015 statt 701,85 Euro nur noch eine monatliche Bruttomiete in Höhe von 413,00 Euro zu zahlen.
Der Kläger behauptet, seine Frau sei zusammen mit der Tochter am 1.01.2013 in die Türkei übersiedelt, weil sie dort eine Anstellung als Schulleiterin angenommen habe, die sie weiter ausübe. Die Beklagte bestreitet diesen Vortrag.
Der Kläger hat unstreitig bei der beauftragten Hausverwaltung der Beklagten mit Schreiben des von ihm beauftragten Berliner Mietervereins vom 15.01.2014, 11.03.2014 und 29.04.2014 jeweils – unter Fristsetzung von mindestens 2 Wochen – um die Erlaubnis zur Untervermietung eines Zimmers der Wohnung samt Mitbenutzung von Bad, Küche und Flur an namentlich bezeichnete Untermieter gebeten. Die Beklagte reagierte auf diese drei Schreiben des Berliner Mietervereins nicht. Die Kläger behaupten, die benannten Untermietkandidaten S., H. und D. seien mangels Reaktion der Hausverwaltung jeweils nach Fristablauf abgesprungen.
Mit Schreiben vom 15.09.2014 erbat der Berliner Mieterverein für die Kläger eine Untermietgenehmigung für Herrn E. und setzte eine Frist bis 25.09.2014. Nach Fristablauf, nämlich am 2.10.2014, erhoben die Kläger Klage auf Zustimmung zur Untervermietung. Die Genehmigung wurde daraufhin mit Schreiben vom 18.12.2014 erteilt. Nachdem die Parteien den Rechtsstreit übereinstimmend in der Hauptsache für erledigt erklärt haben, wurden der Beklagten mit Beschluss des Amtsgerichts Mitte vom 22.01.2015 – Aktenzeichen 25 C 356/14 – die Kosten des Rechtsstreits auferlegt. ·
Mit Schreiben vom 20.01.2015 erbat der Berliner Mieterverein für die Kläger eine Untermietgenehmigung für Herrn D.. Gleichzeitig wurde mitgeteilt, dass Herr E. bereits seit dem Jahreswechsel mit ausreichendem Wohnraum versorgt sei. Mit Schreiben vom 2.02.2015 wurde eine Nachfrist zum 10.02.2015 gesetzt verbunden mit der Ankündigung, dass nach Fristablauf erneut Klage auf Zustimmung eingereicht werde. Nach Fristablauf, nämlich am 05.03.2015, erhoben die Kläger Klage auf Zustimmung zur Untervermietung. Die Genehmigung wurde von der Beklagten daraufhin mit Schreiben vom 15.07.2015 erteilt. Nachdem die Parteien den Rechtsstreit übereinstimmend in der Hauptsache für erledigt erklärt haben, wurden der Beklagten mit Beschluss des Amtsgerichts Mitte vom 15.07.2015 – Aktenzeichen 11 C 69115 – die Kosten des Rechtsstreits auferlegt.
Herr D. ist am 1.04.2015 in ein Zimmer der Klägerwohnung eingezogen und bezahlt seitdem die vereinbarte Monatsmiete von 330,00 Euro.
Die Kläger sind der Meinung, ihnen stünde gegenüber der Beklagten im Zeitraum 1.02.2014 bis 31.03.2015 wegen des Ausbleibens bzw. der Verzögerung der beantragten Untervermietungsgenehmigung Schadensersatz in Höhe der Mietausfälle zu. Denn die Beklagte habe schuldhaft ihre mietvertragliche Pflicht aus § 553 Abs.1 Satz 1 BGB verletzt. Dem Grundsatz des Nachrangs der Sozialhilfe und dem Zusammenspiel des § 116 SGB X mit § 2 BSHG sei eine Ermächtigung des Geschädigten zu entnehmen, nach dem Rechtsübergang auf den Sozialhilfeträger zur Vermeidung der Hilfsbedürftigkeit die Ersatzleitung im eigenen Namen vom Schädiger einzufordern.
Sie behaupten, alle Untermietkandidaten hätte monatlich für die Untervermietung eines Zimmers 330,00 Euro zahlen wollen.
Die Kläger beantragen mit der am 08.10.2015 zugestellten Klage, die Beklagte zu verurteilen, an sie 4.620,00 Euro nebst Zinsen von 5 Prozentpunkten oberhalb des Basiszinssatzes aus 1.320,00 Euro seit dem 26.04.2015 und aus weiteren 3.300,00 Euro seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.
Sie bestreitet eine Aktivlegitimation der Klägerin zu 2. sowie, dass diese nebst Tochter aus der Wohnung S.-str xx, 10xxx Berlin, ausgezogen und in die Türkei übergesiedelt sei. Sie bestreitet ferner die Angaben der Kläger zu den angestrebten Untervermietungen an Frau M., Herrn H., Herrn G. und Herrn Gi.. Sie bestreitet, dass diese Personen von der Anmietung eines Zimmers der Klägerwohnung Abstand genommen hätten, weil die Genehmigungen der Beklagten ausgeblieben seien.
Die Beklagte ist der Meinung, dass auch der Kläger zu 1. nicht aktivlegitimiert sei. Denn diesem sei kein Schaden entstanden sei, da die Herabsetzung der Grundsicherung nur angekündigt, jedoch nach dem Klägervortrag nicht in die Tat umgesetzt worden sei.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Klage ist unbegründet.
Den Klägern steht gegen die Beklagte kein Schadensersatzanspruch gem. §§ 553 Abs.1, 280 Abs.1 BGB zu. Zwar steht einem Mieter grundsätzlich ein Schadensersatzanspruch gegen den Vermieter zu, wenn dieser einer gerechtfertigten Bitte, Teile der Wohnung unterzuvermieten, nicht fristgerecht nachkommt. Jedoch haben die Kläger vorliegend keinen Schaden erlitten.
Inwieweit die – offenbar ausgezogene – Klägerin zu 2. einen Schaden wegen des Ausbleibens bzw. der Verzögerung der beantragten Untervermietungsgenehmigungen erlitten haben soll, wurde von der Klagepartei nicht dargelegt Nach dem Klagevortrag und aufgrund des Schreibens des Bezirksamts vom 10.02.2014 ist davon auszugehen, dass der Mietzins im streitgegenständlichen Zeitraum komplett vom Sozialamt übernommen wurde, die Klägerin zu 2. also mit ihrem Gehalt nicht hat aushelfen müssen.
Mangels eigenen Schadens kann aber auch der Kläger zu 1. keinen Schadensersatz beanspruchen. Ihm ist im streitgegenständlichen Zeitraum weiterhin volle Grundsicherung zuteil geworden. Gegenteiliges trägt die Klagepartei jedenfalls nicht vor. Ein Anspruch könnte also nur vom Sozialamt geltend gemacht werden, § 116 SGB X. Ein Anspruch des Klägers zu 1. auf Schadensersatz ergibt sich auch nicht im Zusammenspiel von § 116 SGB X und § 2 BSHG bzw. dem Institut der Drittschadensliquidation.
§ 116 SGB X ermöglicht einen frühen Forderungsübergang bzw. Anspruchsverlust beim Geschädigten, um eventuelle für den Versicherungsträger nachteilige Verfügungen über einen Schadensersatzanspruch zu vermeiden. Dies gilt auch für Schadensersatzansprüche aus Vertrag (vgl. BGH NJW 58, 332). Hingegen will § 2 BSHG einen möglichst frühen Rechtsübergang von Ansprüchen auf den Sozialhilfeträger vermeiden, um so dem Geschädigten möglichst lange die Möglichkeit der Selbsthilfe zu gewähren. Beide Normen haben den Zweck, öffentliche Kassen zu entlasten. Um diesem Zweck nahe zu kommen, soll nach der Rechtsprechung des BGH (vgl. BGH NJW 1996, 726) der Geschädigte als ermächtigt behandelt werden, Schadensersatz vom Schädiger einzufordern. Als teils gesetzliche, teils durch die Rechtsprechung verankerte Parallele wird die fiduziarische Einziehungsermächtigung herangezogen. Danach kann einem Neugläubiger durch einen Altgläubiger eine Forderung zu diesem Zweck übertragen werden, rechtlich selbstständig, aber wirtschaftlich im Interesse des Altgläubigers, die Forderung einzuziehen. Im Innenverhältnis zwischen Neu- und Altgläubiger liegt zumeist eine Geschäftsbesorgung oder ein Auftrag zugrunde. Vorliegend trägt die Klagepartei nicht etwa vor, dass eine Beauftragung durch das Sozialamt erfolgt ist oder eine Geschäftsbesorgung vereinbart wurde. Auch einer Sicherungsabtretung gem. § 398 BGB liegt vom Grundgedanken her eine Art Treueverhältnis zwischen Alt- und Neugläubiger zugrunde (BGH NJW 80, 991). ln jedem Fall muss der Anspruchsteller aber Geschädigter sein. Dies ist vorliegend jedoch nicht der Fall. Insofern trägt der dargestellte Rechtsgedanke nicht.
Im Rahmen einer Drittschadensliquidation kann ein Schaden zu einem Anspruch gezogen werden, um eine ungerechtfertigte Entlastung des Schädigers zu vermeiden. Selbst wenn hier ein Anspruch auf Zahlung entgangener Mietzinsen bejaht würde und der Schaden unstreitig beim Dritten – also beim Sozialhilfeträger- in Form anteilig zuviel nur für einen Sozialhilfeempfänger gezahlten Miete gesehen werden könnte, fehlte es aus Sicht der Beklagten an einer zufälligen Schadensverlagerung, wie sie beispielsweise bei verdeckter Stellvertretung, obligatorischer Gefahrentlastung, Obhut fremder Sachen oder einer Sicherungsabtretung vorkommt.
Nach alledem war die Klage abzuweisen, ohne dass zu prüfen wäre, ob die Angaben der Kläger zu den angestrebten Untervermietungen an Frau M., Herrn H., Herrn G. und Herrn Gi. zutreffen und diese Personen allein aufgrund der nicht bzw. verzögert erteilten Untervermietungsgenehmigung von einem Vertragsschluss mit dem Kläger zu 1. Abstand genommen haben.
Die prozessualen Nebenentscheidungen folgen aus den §§ 91 Abs.1, 708 Nr.11, 711 ZPO.
Hinweis: § 2 BSHG ist seit 1.1.2005 außer Kraft! Nunmehr gilt § 2 SGB XII.
25.06.2017