Leitsatz:
Für den Absender streitet beim Einwurf-Einschreiben nach Vorlage des Einlieferungsbelegs zusammen mit der Reproduktion des Auslieferungsbelegs der Beweis des ersten Anscheins dafür, dass die Sendung durch Einlegen in den Briefkasten beziehungsweise das Postfach zugegangen ist.
BGH vom 27.9.2016 – II ZR 299/15 –
Langfassung: www.bundesgerichtshof.de [PDF, 15 Seiten]
Anmerkungen des Berliner Mietervereins
Der zweite Senat des BGH hatte hier eine GmbH-Streitigkeit zu entscheiden, aus der auch für andere Rechtsbereiche, so auch für das Mietrecht, neue Erkenntnisse zu den unterschiedlichen Einschreibe-Arten der Deutschen Post gewonnen werden können.
So stellt der BGH zunächst fest, dass das Einwurf-Einschreiben der Deutschen Post AG ebenso wie das Übergabe-Einschreiben unter den Oberbegriff des Einschreibens fällt. Bei einer Gesamtbetrachtung der Vor- und Nachteile der beiden Versendungsarten in Bezug auf die Zugangssicherung und der Sicherung der Beweisführung sei das Einwurf-Einschreiben dem Übergabe-Einschreiben zumindest gleichwertig.
Bei Verwendung eines Übergabe-Einschreibens bestehe sogar ein höheres Zugangsrisiko als bei einem Einwurf-Einschreiben. Allein der Umstand, dass bei tatsächlicher Übergabe eines Schriftstücks dieses aus dem alltäglichen Posteingang herausgehoben werde und dem Empfänger damit seine besondere Wichtigkeit vor Augen geführt werde, wiege dieses höhere Risiko nicht gänzlich auf. Denn bei einem Übergabe-Einschreiben erhalte der Empfänger oder ein sonstiger Empfangsberechtigter die Sendung nur gegen Unterschrift ausgehändigt. Würden die Empfänger nicht angetroffen, halte die Deutsche Post AG nach ihren Allgemeinen Geschäftsbedingungen die Sendung innerhalb einer Frist von sieben Werktagen (einschließlich Samstage), beginnend mit dem Tag, der auf die versuchte Erstablieferung folge, zur Abholung bereit. Um die Abholung sicherzustellen, werde ein Benachrichtigungsschein in den Briefkasten des Empfängers eingelegt. Dieser Schein unterrichte den Empfänger, dass für ihn eine Einschreibesendung bei der Post zur Abholung bereitliege. Hole der Empfänger das Einschreiben nicht innerhalb der Frist ab, sei es nicht im Sinne des § 130 BGB zugegangen. Der Zugang des Benachrichtigungsscheins ersetze den Zugang des Einschreibebriefs nicht. Den Empfänger könne lediglich im Einzelfall eine Obliegenheit treffen, dafür zu sorgen, dass ihn derartige Postsendungen erreichten. Tue er das nicht, könne er sich möglicherweise nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) nicht darauf berufen, dass ihm die Sendung nicht zugegangen sei.
Bei einem Übergabe-Einschreiben bestehe damit das Risiko, dass der Zugang nicht bewirkt werden könne, weil der Empfänger die Sendung trotz Benachrichtigung nicht abhole. Der Empfänger müsse sich auch nicht stets gemäß § 242 BGB so behandeln lassen, als ob ihm die Erklärung zugegangen wäre.
Zu diesen Zugangsschwierigkeiten könne es beim Einwurf-Einschreiben nicht kommen. Diese Form des Einschreibens werde im Unterschied zum Übergabe-Einschreiben nicht persönlich gegen Unterschrift an den Empfänger ausgehändigt. Die Ablieferung erfolge in diesem Fall vielmehr durch Einwurf der Sendung in den Briefkasten des Empfängers. Für den Zugang gemäß § 130 Abs. 1 Satz 1 BGB genüge es, wenn das Schreiben so in den Bereich des Empfängers gelange, dass dieser unter normalen Verhältnissen die Möglichkeit habe, vom Inhalt der Erklärung Kenntnis zu nehmen. Dies sei beim Einlegen in den Briefkasten des Empfängers der Fall.
Hinsichtlich der Zuverlässigkeit des Postlaufs selbst, also des Transports der Sendung, ergäben sich keine Qualitätsunterschiede zwischen einem Einwurf-Einschreiben und einem Übergabe-Einschreiben. Das Übergabe-Einschreiben biete keine höhere Gewähr dafür, dass das Schriftstück den Empfänger tatsächlich erreicht. Das Übergabe-Einschreiben solle zwar dem Empfänger selbst übergeben werden. Dies geschähe aber nur dann, wenn der Empfänger vom Postangestellten angetroffen werde und empfangsbereit sei. Andernfalls werde lediglich eine Benachrichtigungskarte hinterlassen und das Schriftstück zur Abholung auf der nächstgelegenen Poststelle hinterlegt, wo es – wie ausgeführt – nicht abgeholt werden müsse.
Neben der Sicherung des Zugangs diene das Einschreiben Beweiszwecken. Der Beweis sei bei Verwendung des Einwurf-Einschreibens der Deutschen Post AG ebenfalls gewährleistet, mag die Beweiskraft auch nicht so ausgeprägt sein wie bei einem Übergabe-Einschreiben. Bei Vorlage des Einlieferungsbelegs zusammen mit der Reproduktion des Auslieferungsbelegs streite ein Anscheinsbeweis dafür, dass das Einschreiben in den Briefkasten eingelegt worden war.
Nicht ausreichend sei es allerdings, den Beweis des Zugangs des Einschreibens bereits durch den Nachweis der Absendung durch Vorlage des Einlieferungsscheins zu führen. Denn der Beweis des Zugangs eines Schriftstücks könne selbst nach den Grundsätzen des Beweises des ersten Anscheins nicht durch den Nachweis der Absendung als erbracht angesehen werden. Erforderlich sei des Weiteren noch der Auslieferungsbeleg. Beim Einwurf-Einschreiben erfolge die Ablieferung durch Einwurf der Sendung in den Briefkasten oder das Postfach des Empfängers. Unmittelbar vor dem Einwurf ziehe der Postangestellte das sogenannte „Peel-off-Label“ (Abziehetikett), das zur Identifizierung der Sendung diene, von dieser ab und klebe es auf den so vorbereiteten, auf die eingeworfene Sendung bezogenen Auslieferungsbeleg. Auf diesem Beleg bestätige der Postangestellte nach dem Einwurf mit seiner Unterschrift und der Datumsangabe die Zustellung. Auch beim Einwurf-Einschreiben erhalte der Absender auf Wunsch neben der telefonischen Auskunft eine Reproduktion des elektronisch archivierten Auslieferungsbelegs. Bei Einhaltung dieses Verfahrens sei der Schluss gerechtfertigt, dass die eingelieferte Sendung tatsächlich in den Briefkasten des Empfängers gelangt sei.
Für den Absender streite daher beim Einwurf-Einschreiben nach Vorlage des Einlieferungsbelegs zusammen mit der Reproduktion des Auslieferungsbelegs der Beweis des ersten Anscheins dafür, dass die Sendung durch Einlegen in den Briefkasten beziehungsweise das Postfach zugegangen sei, wenn das vorbeschriebene Verfahren eingehalten wurde.
17.09.2017