Leitsätze:
a) Bei der Prüfung, ob eine sonstige Familiensache im Sinne des § 266 Abs. 1 Nr. 3 FamFG vorliegt, ist das Tatbestandsmerkmal „im Zusammenhang mit Trennung oder Scheidung“ weit auszulegen.
b) Streitigkeiten aus Mietverträgen über Wohnraum zwischen Schwiegereltern und ihrem Schwiegerkind anlässlich der Trennung ihres Kindes von dem Schwiegerkind können als sonstige Familiensachen im Sinne des § 266 Abs. 1 Nr. 3 FamFG zu qualifizieren sein.
BGH vom 12.7.2017 – XII ZB 40/17 –
Langfassung: www.bundesgerichtshof.de [PDF, 12 Seiten]
Anmerkungen des Berliner Mietervereins
Wann das Familiengericht bei mietrechtlichen Streitigkeiten zuständig sein kann, regelt § 266 FamFG. Im vorliegenden Fall hatten die Schwiegereltern an den Schwiegersohn und dessen Ehefrau – ihre Tochter – eine Wohnung vermietet. Nachdem die Ehe in die Brüche gegangen war, verlangten die Schwiegereltern von dem Mieter angebliche Mietrückstände in Höhe von rund 35.000 Euro. Nach dem Vorbringen des Mieters, dem ehemaligen Schwiegersohn, war der Mietvertrag anlässlich der Trennung der Ehegatten aufgehoben worden. Ferner seien die Mietzahlungen seiner Ehefrau und die Mietrückstände in Form eines von den Schwiegereltern an sie gewährten Darlehens im Verfahren über den Trennungsunterhalt bedarfserhöhend berücksichtigt worden.
Der BGH erkannte hier auf Zuständigkeit des Familiengerichts und begründete wie folgt:
Mit § 266 FamFG habe der Gesetzgeber den Zuständigkeitsbereich der Familiengerichte deutlich erweitert („Großes Familiengericht“). Damit sollten bestimmte Zivilrechtsstreitigkeiten, die eine besondere Nähe zu familienrechtlich geregelten Rechtsverhältnissen aufwiesen oder die in engem Zusammenhang mit der Auflösung eines solchen Rechtsverhältnisses stünden, ebenfalls Familiensachen werden. Ordnungskriterium dabei sei nach der Gesetzesbegründung allein die Sachnähe des Familiengerichts zum Verfahrensgegenstand. Im Interesse aller Beteiligten solle es dem Familiengericht möglich sein, alle durch den sozialen Verband von Ehe und Familie sachlich verbundenen Rechtsstreitigkeiten zu entscheiden. In den Fällen des § 266 Abs. 1 Nr. 3 FamFG müsse ein Zusammenhang mit Trennung, Scheidung oder Aufhebung der Ehe bestehen. Ein inhaltlicher Zusammenhang liege vor, wenn das Verfahren vor allem die wirtschaftliche Entflechtung der (vormaligen) Ehegatten betreffe.
Im Hinblick auf den Wortlaut des § 266 Abs. 1 Nr. 3 FamFG würden hiervon auch Mietstreitigkeiten der vorliegenden Art erfasst, in denen sich Schwiegereltern mit ihrem Schwiegerkind im Rahmen eines zwischen ihnen geschlossenen Mietverhältnisses stritten, vorausgesetzt freilich, dass es – wie hier – um Ansprüche im Zusammenhang mit Trennung, Scheidung oder Aufhebung der Ehe gehe.
Streitigkeiten über die Verhältnisse an der Ehewohnung und die Frage, wer die Wohnkosten zu tragen habe, sowie ob und wie diese dann unterhaltsrechtlich zu berücksichtigen seien, würden sich als naheliegende und häufig vorkommende Folgen oder Begleiterscheinungen bei einer Trennung der Ehegatten darstellen. Entsprechendes gelte regelmäßig, wenn die Schwiegereltern Vermieter seien. Diese hätten im Zweifel – bezogen auf den Streit der Eheleute – keine neutrale Stellung inne, sondern stünden im „Lager“ ihres Kindes. Für eine Konzentration der Zuständigkeit beim Familiengericht spreche zudem die Möglichkeit, die Rechtsverhältnisse an der Ehewohnung in einem solchen Falle abschließend, auch im Außenverhältnis zu den Schwiegereltern, zu regeln und in diesem Zusammenhang ebenfalls eine Regelung über die Wohnkosten herbeizuführen, die im Rahmen des Trennungsunterhaltsverfahrens für die Bemessung des Unterhalts maßgeblich seien.
23.10.2017