Leitsätze:
a) Ist durch Auflauf eines Zahlungsrückstands des Mieters in der in § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 Buchstabe a oder Buchstabe b BGB genannten Höhe ein Recht des Vermieters zur fristlosen Kündigung des Mietverhältnisses entstanden, wird dieses nach § 543 Abs. 2 Satz 2 BGB nur durch eine vollständige Zahlung des Rückstandes vor Zugang der Kündigung ausgeschlossen.
b) Bei der Beurteilung, ob der Zahlungsrückstand des Mieters die Miete für einen Monat übersteigt (§ 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 Buchstabe a, § 569 Abs. 3 Nr. 1 Satz 1 BGB), ist nicht auf die (berechtigterweise) geminderte Miete, sondern auf die vertraglich vereinbarte Gesamtmiete abzustellen.
BGH vom 27.9.2017 – VIII ZR 193/16 –
Langfassung: www.bundesgerichtshof.de [PDF, 16 Seiten]
Anmerkungen des Berliner Mietervereins
Leitsatz a) enthält nichts Neues und gibt die einhellige Ansicht von Literatur und Rechtsprechung wieder. Auch eine 99-prozentige Zahlung des Rückstandes macht die Kündigung nicht unwirksam.
Bei Leitsatz b) geht es um die Berechnung der Kündigungshürde in § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 Buchst. a BGB. Die Vorschrift lautet: „Ein wichtiger Grund [zur fristlosen Kündigung] liegt insbesondere vor, wenn der Mieter für zwei aufeinanderfolgende Termine mit der Entrichtung der Miete oder eines nicht unerheblichen Teils der Miete in Verzug ist.“ § 569 Abs. 3 Nr. 1 BGB ergänzt: „Im Falle des § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 Buchstabe a ist der rückständige Teil der Miete nur dann als nicht unerheblich anzusehen, wenn er die Miete für einen Monat übersteigt.“
Auch nach Ansicht des BGH kann der Mieter natürlich nur mit dem berechtigterweise geminderten Mietzins in Verzug geraten. Lediglich zur Berechnung der Kündigungshürde von einem Monat wird der höhere – ungeminderte – Mietbetrag herangezogen.
Ein Beispiel möge die Bedeutung der Entscheidung verdeutlichen:
- Vereinbarte Miete: 500 Euro
- Berechtigter Mietminderungssatz 10 % = 450 Euro geschuldete Miete
- Der Mieter mindert überhöht 20 % und zahlt 9 Monate lang nur 400 Euro. Im 10. Monat zahlt er gar nicht mehr.
Kann der Vermieter ab dem 4. Werktag des 10. Monats kündigen?
Antwort: Im 10. Monat besteht ein Rückstand gemäß § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 Buchst. a BGB von 500 Euro. Dies ist mehr als eine Monatsmiete der berechtigterweise geminderten Miete. Es ist aber nicht mehr (sondern nur genauso viel) als die Monatssumme der vereinbarten Miete. Der Vermieter kann also (noch) nicht kündigen.
Offen ist bislang noch, ob Leitsatz b) auch für die Kündigungsmöglichkeit nach § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 Buchstabe b BGB entsprechend gilt.
Dies ist wegen des identischen – hier maßgeblichen – Wortlauts der Vorschriften „Entrichtung der Miete“ anzunehmen.
§ 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 Buchstabe b BGB lautet: „Ein wichtiger Grund [zur fristlosen Kündigung] liegt insbesondere vor, wenn der Mieter in einem Zeitraum, der sich über mehr als zwei Termine erstreckt, mit der Entrichtung der Miete in Höhe eines Betrages in Verzug ist, der die Miete für zwei Monate erreicht.“
Beispiel:
- Vereinbarte Miete: 500 Euro
- Berechtigter Mietminderungssatz 10 % = 450 Euro geschuldete Miete
- Der Mieter mindert überhöht 20 % und zahlt 19 Monate lang nur 400 Euro.
Kann der Vermieter ab dem 4. Werktag des 19. Monats kündigen?
Antwort: Im 19. Monat besteht ein Rückstand gemäß § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 Buchst. b BGB von 950 Euro. Dies sind mehr als zwei Monatsmieten der berechtigterweise geminderten Miete. Es sind aber nicht zwei Monatsmieten der vereinbarten Miete. Der Vermieter kann also (noch) nicht kündigen.
25.01.2018