Leitsatz:
Ist der dinglich Wohnungsberechtigte zur Zahlung von Betriebskosten verpflichtet, gelten für die Abrechnung der Betriebskosten die Regelungen in § 556 Abs. 3 BGB auch dann entsprechend, wenn keine Vorauszahlungen vereinbart sind.
BGH vom 16.3.2018 – V ZR 60/17 –
Langfassung: www.bundesgerichtshof.de [PDF, 11 Seiten]
Anmerkungen des Berliner Mietervereins
Nach wie vor ist es in der mietrechtlichen Literatur und bei den Instanzgerichten umstritten, ob die zwölfmonatige Ausschlussfrist des § 556 Abs. 3 BGB für Nachforderungen des Vermieters auch dann gilt, wenn überhaupt keine Betriebskostenvorschüsse vereinbart worden waren. Der fünfte Senat des BGH hat nun diese Rechtsfrage für die Betriebskostenabwälzung bei einem dinglichen Wohnrecht entschieden.
Zwar erfasse der Wortlaut des § 556 Abs. 3 BGB diesen Fall nicht. Die Vorschrift betreffe die Abrechnung über die Vorauszahlung für die Betriebskosten und die Geltendmachung einer Nachforderung durch den Vermieter. Darum handele es sich begrifflich aber nur, wenn nach Ablauf der zwölfmonatigen Abrechnungsfrist ein Betrag verlangt werde, der eine bereits erteilte Abrechnung oder, falls eine rechtzeitige Abrechnung nicht erstellt worden sei, die Summe der Vorauszahlungen übersteige.
Das Fehlen einer Regelung für den Fall, dass derjenige, der Betriebskosten zu tragen, aber keine Vorauszahlungen an den Eigentümer zu leisten habe, sei keine bewusste gesetzgeberische Entscheidung. Es erkläre sich vielmehr daraus, dass der Gesetzgeber bei Einführung der Vorschrift des § 556 BGB im Jahre 2001 die Überwälzung von Betriebskosten ohne Vereinbarung von Vorauszahlungen nicht bedacht habe. Entscheidend für die Regelung der Abrechnungspflicht und der Abrechnungsfrist war die Vorstellung des Gesetzgebers, dass zur besonderen Abgeltung von Betriebskosten durch den Mieter entweder eine Pauschale vereinbart werde, bei der eine spätere Abrechnung über die Betriebskosten nicht erfolge, oder Vorauszahlungen zu leisten seien, über die abzurechnen sei. Die Abrechnung über Betriebskosten ohne Vereinbarung von Vorauszahlungen wurde nicht für regelungsbedürftig angesehen, weil die Vereinbarung einer Nettomiete ohne Vorauszahlungen für das Wohnraummietverhältnis unüblich sei. Daraus könne aber nicht auf einen Willen des Gesetzgebers geschlossen werden, die Regelungen des § 556 Abs. 3 BGB seien für die Abrechnung nicht anwendbar, wenn der Nutzer keine Vorauszahlungen zu leisten habe.
Diese Regelungslücke sei durch eine entsprechende Anwendung von § 556 Abs. 3 BGB zu schließen. Das Ziel von § 556 Abs. 3 Satz 2 und 3 BGB, durch eine zeitnahe Abrechnung dem Mieter Abrechnungssicherheit zu geben und Streit zu vermeiden, das auch dem Interesse des dinglich Wohnungsberechtigten entspreche, rechtfertige die Anwendung der Vorschrift auch dann, wenn der dinglich Wohnungsberechtigte Betriebskosten zu tragen habe, aber keine Vorauszahlungen leisten müsse.
Stünde es im Belieben des Eigentümers, wann er die Nebenkosten abrechnet, könnten sich über mehrere Abrechnungszeiträume hinweg hohe Forderungen ansammeln. Für den Beginn der Verjährung des Nachzahlungsanspruchs sei nämlich der Zeitpunkt maßgeblich, in dem dem Wohnungsberechtigten die Abrechnung zugehe, weil vorher der Anspruch mangels Fälligkeit noch nicht entstanden sei. Der Berechtigte müsste für lange Zeit Rücklagen bilden, ohne zu wissen, ob deren Höhe ausreiche. Demgegenüber könnte er bei zeitnaher Abrechnung je nach deren Ergebnis sein weiteres Verhalten ausrichten, nämlich entweder – bei verbrauchsabhängigen Betriebskosten – den Verbrauch beibehalten oder – insbesondere bei verbrauchsunabhängigen Betriebskosten – die Rücklagen unverändert lassen, erhöhen oder herabsetzen.
Die analoge Anwendung von § 556 Abs. 3 BGB führe zwar zu Nachteilen für den Eigentümer. Versäume er die Frist, sei sein Anspruch auf Erstattung der Betriebskosten gänzlich ausgeschlossen. Er stehe somit schlechter als derjenige, der nicht fristgerecht über vereinbarte, aber von dem Wohnberechtigten tatsächlich nicht erbrachte Vorauszahlungen abrechne. In diesem Fall könne der Eigentümer nach Ablauf der Abrechnungsfrist des § 556 Abs. 3 Satz 3 BGB nämlich den Betriebskostensaldo bis zur Höhe der vertraglich geschuldeten Vorauszahlungen verlangen. Nur hinsichtlich des darüber hinaus gehenden Differenzbetrags, der sogenannten Abrechnungsspitze, handele es sich dann um eine unzulässige Nachforderung im Sinne des § 556 Abs. 3 BGB, mit der er ausgeschlossen sei.
Diesem Nachteil stehe jedoch der Gewinn an Rechtssicherheit gegenüber, der nicht nur im Interesse des dinglich Wohnungsberechtigten, sondern auch im Interesse des Eigentümers erzielt werde. Eine zeitnahe Abrechnung sei weniger streitanfällig. Nach einem langen Zeitablauf werde es häufig schwierig sein zu klären, ob die Betriebskosten korrekt ermittelt beziehungsweise Einwendungen berechtigt seien oder nicht. § 556 Abs. 3 BGB biete zudem ein ausgewogenes Regelungskonzept, das der für den Eigentümer geltenden Abrechnungspflicht und Abrechnungsfrist den Einwendungsausschluss des Wohnungsberechtigten gegenüberstelle. Dadurch entstehe in absehbarer Zeit nach einer Betriebskostenabrechnung Klarheit über die daraus folgenden Ansprüche. Die berechtigten Belange von Eigentümer und Wohnungsberechtigten würden dadurch gewahrt, dass die (Nach-)Forderung beziehungsweise die Einwendungen nicht ausgeschlossen seien, wenn der Eigentümer beziehungsweise der Nutzer die verspätete Geltendmachung nicht zu vertreten hätten (§ 556 Abs. 3 Satz 3 und Satz 6 BGB entsprechend).
Es bleibt abzuwarten, ob der für das Wohnraummietrecht zuständige achte Senat des BGH der Argumentation des fünften Senats folgen wird. Das LG Berlin hat schon vor Jahren entschieden, dass § 556 Abs. 3 Satz 3 BGB, wonach der Vermieter nach dem Ablauf des zwölften Monats nach dem Ende des Abrechnungszeitraumes mit einer Nachforderung grundsätzlich ausgeschlossen ist, unabhängig davon gilt, ob Vorschüsse vereinbart worden sind oder nicht (LG Berlin vom 29.6.2007 – 63 S 469/06 –).
17.06.2018