Leitsätze:
a) Dem Schriftformerfordernis des § 550 Satz 1 BGB kann auch gemäß § 126 Abs. 2 Satz 2 BGB entsprochen werden, wonach es genügt, wenn über den Vertrag mehrere gleichlautende Urkunden aufgenommen werden und jede Partei die für die andere Partei bestimmte Urkunde unterzeichnet.
b) Für die Einhaltung der Schriftform des § 550 Satz 1 BGB ist es dann ausreichend, wenn die Vertragsparteien gleichlautende Vertragsurkunden unterzeichnen. Eines Zugangs dieser Urkunden beim jeweiligen Vertragspartner bedarf es insoweit nicht.
BGH vom 7.3.2018 – XII ZR 129/16 –
Langfassung: www.bundesgerichtshof.de [PDF, 13 Seiten]
Anmerkungen des Berliner Mietervereins
Die Vertragslaufzeit eines Nutzungsvertrags über Dach- und Freiflächen zum Betrieb einer Fotovoltaikanlage belief sich auf 30 Jahre.
Der schriftliche Vertragsentwurf des Vermieters wurde vom Mieter unterschrieben und sodann dem Vermieter per Telefax übermittelt. Der Vermieter unterschrieb seinerseits dieses Telefax und faxte es an den Mieter zurück. Die im Original unterschriebenen Exemplare verblieben bei den jeweiligen Unterzeichnern.
Ein halbes Jahr später kündigte der Mieter den Vertrag unter Hinweis auf einen Schriftformmangel nach § 550 BGB. Der BGH verneinte die Rechtmäßigkeit der Kündigung. Ein Schriftformmangel liege nicht vor.
Nach der Rechtsprechung des zwölften Senats reiche die Einhaltung der bloßen Schriftlichkeit der Erklärungen (sogenannte äußere Form) zur Wahrung der Schriftform des § 550 BGB aus. Ein Mietvertrag genüge danach auch dann der Schriftform des § 550 BGB, wenn er inhaltsgleich mit den in der äußeren Form des § 126 BGB niedergelegten Vertragsbedingungen nur mündlich oder konkludent abgeschlossen worden sei.
Auch eine solche Urkunde informiere den Erwerber über die Bedingungen des Mietvertrags, in die er, wenn der Mietvertrag mit diesem Inhalt zustande gekommen sei und noch bestehe, eintritt. Auch die zusätzlich mit der Schriftform des § 550 BGB verfolgten Zwecke, die Beweisbarkeit langfristiger Abreden sicherzustellen und die Vertragsparteien vor der unbedachten Eingehung langfristiger Bindungen zu warnen, würden durch die bloße Einhaltung der äußeren Form erfüllt.
Für die Einhaltung der Schriftform des § 550 Satz 1 BGB sei es ohne Bedeutung, ob die beurkundeten Erklärungen den Vertragsparteien zugegangen seien, weil es bereits nicht darauf ankomme, ob es durch sie oder auf andere Weise zum Vertragsschluss gekommen sei. Da es allein auf die äußere Form ankomme, sei nur die Existenz der die vertraglichen Regelungen dokumentierenden und unterzeichneten Urkunde entscheidend. Im Fall des § 126 Abs. 2 Satz 1 BGB sei dies eine von allen Vertragsparteien unterschriebene Urkunde, während es nach § 126 Abs. 2 Satz 2 BGB zwei gleichlautende, aber jeweils nur von einer Vertragspartei im Original unterzeichnete Urkunden seien. Der Zugang dieser Urkunden sei für das Schriftformerfordernis des § 550 Satz 1 BGB ebenso ohne Belang wie die Frage, wo die Urkunden sich befänden oder ob sie im Zeitpunkt der gerichtlichen Prüfung der Formgemäßheit des Mietvertrags noch existierten.
Der mit der Beurkundung in erster Linie beabsichtigte Erwerberschutz könne sowohl mittels einer von beiden Vertragsparteien unterzeichneten Urkunde gewährleistet werden als auch durch zwei gleichlautende Urkunden, die in der Summe die erforderlichen Unterschriften trügen. In beiden Fällen bestehe grundsätzlich die Möglichkeit, dass der Erwerber Einsicht in die schriftlich niedergelegten vertraglichen Regelungen nehme, in die er bei Vorliegen eines wirksamen Vertrags eintrete.
Nichts anderes gelte für den mit § 550 BGB ebenfalls beabsichtigten Schutz der vertragsschließenden Parteien selbst. Langfristige Abreden könnten bei einem Vertragsschluss durch Urkundenaustausch im Sinne des § 126 Abs. 2 Satz 2 BGB urkundlich ohnedies nur durch Vorlage aller gleichlautenden Vertragsurkunden belegt werden, so dass der Urkundenaustausch insoweit keine besondere Bedeutung erlange. Soweit Beweisprobleme bestünden, seien diese vor allem dadurch begründet, dass es zweier gleichlautender Urkunden zur Wahrung der Schriftform bedürfe, nicht aber durch ein Unterbleiben des Urkundenaustausches.
20.08.2018