Das Land Berlin gibt die Bundeszuweisungen für die Wohnungsbauförderung komplett für den Sozialen Wohnungsbau aus. Andere Bundesländer nehmen es mit der Zweckbestimmung der Gelder nicht so genau. Das zeigt ein Bericht der Bundesregierung über die Verwendung der sogenannten Kompensationsmittel im Jahr 2017 auf.
Von den 1,5 Milliarden Euro, die der Bund den Ländern im Jahr 2017 für die Wohnungsbauförderung überwiesen hat, wurden 120 Millionen zweckentfremdet. Allein Sachsen hat fast 60 Millionen Euro – das sind über 40 Prozent der zugewiesenen Mittel – anderweitig eingesetzt. Auch Thüringen und Mecklenburg-Vorpommern haben mit jeweils mehr als 20 Millionen Euro einen ähnlich hohen Anteil ihrer Mittel für andere Zwecke ausgegeben. Obwohl die Förderung 2017 um 50 Prozent erhöht wurde, stieg deutschlandweit die Zahl der geförderten Neubauwohnungen nur von 24.550 auf 26.231.
Für Kai Wegner, baupolitischer Sprecher der CDU/CSU-Fraktion, ist die Bilanz „enttäuschend“. „Der Mitteleinsatz muss künftig durch Steuerungs- und Sanktionsmöglichkeiten des Bundes gewährleistet werden“, fordert er. Auch Linken-Baupolitikerin Caren Lay kritisiert die Zweckentfremdung: „Würden zumindest alle zur Verfügung gestellten Mittel für den Sozialen Wohnungsbau ausgegeben, könnte der nach wie vor rasante Rückgang der Sozialwohnungen gemindert werden.“
Caren Lay wendet sich aber auch gegen die Gestaltung der Wohnungsbauförderung in den Ländern. Mancherorts geht das Geld fast ausschließlich in die Modernisierungsförderung und nicht in den Neubau. So sind in Sachsen-Anhalt nur 23 neue Sozialmietwohnungen entstanden, im Saarland sogar nur sechs. Fast alle Länder geben die Gelder auch an Eigenheimbesitzer aus. Rheinland-Pfalz und Schleswig-Holstein fördern mehr Eigentums- als Mietwohnungen, und auch Bayern, Baden-Württemberg und Hamburg geben große Summen für Eigentumsmaßnahmen aus – in insgesamt 4923 Fällen sogar ohne Einkommensgrenzen, also auch für gut verdienende Eigentümer. „Anstatt Eigentum und damit Besserverdienende zu fördern, muss ein Neustart im Sozialen Wohnungsbau gemacht werden“, fordert Caren Lay.
Berlin ist hingegen vorbildlich: Die zur Verfügung gestellten 89,44 Millionen Euro wurden komplett in die Wohnraumförderung gesteckt. Davon wurden 3132 Mietwohnungen neu gebaut und die Modernisierung von 4304 Wohnungen unterstützt. Eigentumsmaßnahmen werden in Berlin nicht gefördert.
Seit der Grundgesetzänderung von 2006 ist der Soziale Wohnungsbau allein Ländersache. In einer Übergangsphase bis 2019 beteiligt sich der Bund aber weiterhin mit sogenannten Kompensationsmitteln an der Finanzierung. Die Bundesregierung hat mittlerweile erkannt, dass der Rückzug des Bundes ein Fehler war. Im Koalitionsvertrag ist vereinbart, dass der Bund auch über 2019 hinaus den Sozialen Wohnungsbau mitfinanziert. Eine neuerliche Änderung des Grundgesetzes ist in Arbeit.
Jens Sethmann
28.09.2018