Leitsatz:
Im preisgebundenen Wohnraum ist eine Vereinbarung über die Übernahme anfänglicher Dekorationsarbeiten durch den Mieter bei fortwirkender Verpflichtung des Vermieters zur Ausführung von Schönheitsreparaturen im laufenden Mietverhältnis wirksam und stellt keine einmalige Leistung im Sinne des § 9 Abs. 1 WoBindG dar.
BGH vom 22.8.2018 – VIII ZR 287/17 –
Anmerkungen des Berliner Mietervereins
Im Mietvertrag über eine Sozialwohnung war individualvertraglich vereinbart:
„Sie haben sich bereit erklärt, in der oben genannten Wohnung die Schönheitsreparaturen und Säuberungsarbeiten selbst auszuführen. Im Einzelnen handelt es sich um folgende Arbeiten: Streichen der Decken (in) allen Räumen, Streichen der Oberwände in Küche + Bad, Tapezieren der Wände in allen Räumen. Als Ausgleich für die Durchführung dieser Arbeiten schreiben wir Ihrem Mieterkonto die Nettokaltmiete für die Zeit vom 01.10.2010 bis 31.10.2010 gut. Dies entspricht einem finanziellen Ausgleich in Höhe von 317,46 Euro. (… ) Die reguläre Mietzahlung (…) setzt ab dem 01.11.2010 ein. (…) Vom Inhalt des obigen Schreibens haben wir Kenntnis genommen und verpflichten uns hiermit, die Schönheitsreparaturen bis zum regulären Mietzahlungsbeginn durchzuführen. (Unterschrift Mieter).“
Die laufenden Schönheitsreparaturen wurden hingegen nicht auf den Mieter übertragen. Der Mieter ließ durch eine von ihm beauftragte Malerfirma Arbeiten in der Wohnung ausführen, wofür ihm ein Betrag von 3063,12 Euro in Rechnung gestellt wurde.
Diesen Betrag – abzüglich der gutgeschriebenen 317,46 Euro – wollte der Mieter später vom Vermieter rückerstattet haben.
Der BGH verneinte diesen Anspruch. Nach § 9 Abs. 1 Wohnungsbindungsgesetz (WoBindG) sei zwar eine Vereinbarung, nach der der Mieter oder für ihn ein Dritter mit Rücksicht auf die Überlassung der Wohnung eine einmalige Leistung zu erbringen habe, vorbehaltlich der Absätze 2 bis 6 des § 9 WoBindG, unwirksam. Soweit eine solche unwirksame Vereinbarung vorliege, sei die Leistung gemäß § 9 Abs. 7 WoBindG zurückzuerstatten. Diese Regelung habe den Zweck, der Umgehung zwingender Mietpreisvorschriften nach dem Wohnungsbindungsgesetz vorzubeugen.
Der Wohnberechtigte solle mithin nicht unter dem Druck, ein Mietvertrag werde sonst nicht geschlossen, eine Wohnung nur unter wirtschaftlichen Belastungen anmieten müssen, die aus einer missbräuchlichen Verknüpfung mit einer anderweitigen Leistung entstehen könnten.
Jedoch sei es dem Vermieter auch im preisgebundenen Wohnraum gestattet, die Schönheitsreparaturen dem Mieter aufzuerlegen oder alternativ nach § 28 Abs. 4 Satz 2 II. BV einen Zuschlag für die Kosten der von ihm zu tragenden Schönheitsreparaturen zu nehmen. Da Entsprechendes weder vorgetragen noch ersichtlich sei, seien dem Mieter bei der gebotenen wirtschaftlichen Gesamtbetrachtung mit der Übernahme der Anfangsrenovierung keine Leistungen auferlegt worden, die, verbunden mit seinen sonstigen Pflichten, den Rahmen der Kostenmiete überstiegen.
Dem Mieter stehe daher ein Anspruch auf Erstattung der durch die Anfangsrenovierung entstandenen Kosten aus § 9 Abs. 1, 7 WoBindG nicht zu.
Urteilstext
Gründe:
I.
Der Vater der Klägerin war seit dem 1. Oktober 2010 Mieter einer öffentlich geförderten Wohnung der Beklagten in Berlin, welche bei Übergabe unrenoviert war. ln einem von ihm am Tag vor der Unterzeichnung des Mietvertrags gegengezeichneten Schreiben der Beklagten ist folgendes ausgeführt:
„Sie haben sich bereit erklärt, in der oben genannten Wohnung die Schönheitsreparaturen und Säuberungsarbeiten selbst auszuführen. Im Einzelnen handelt es sich um folgende Arbeiten: Streichen der Decken (in) allen Räumen, Streichen der Oberwände in Küche + Bad, Tapezieren der Wände in allen Räumen. Als Ausgleich für die Durchführung dieser Arbeiten schreiben wir Ihrem Mieterkonto die Nettokaltmiete für die Zeit vom 01.10.2010 bis 31.10.2010 gut. Dies entspricht einem finanziellen Ausgleich in Höhe von 317,46 €. (… ) Die reguläre Mietzahlung (…) setzt ab dem 01.11.2010 ein.(…)
Vom Inhalt des obigen Schreibens haben wir Kenntnis genommen und verpflichten uns hiermit, die Schönheitsreparaturen bis zum regulären Mietzahlungsbeginn durchzuführen. (Unterschrift Mieter).“
Die laufenden Schönheitsreparaturen wurden hingegen nicht auf den Mieter übertragen. Nach der Anlage 1 zu § 4 des Mietvertrages waren neben der Nettokaltmiete Vorauszahlungen für Betriebskosten, Heizkosten, Warmwasser und Aufzug zu zahlen; ein Zuschlag für die Schönheitsreparaturen nach § 28 Abs. 4 der Zweiten Berechnungsverordnung (II. BV) war nicht vorgesehen.
Der Vater der Klägerin ließ durch eine von ihm beauftragte Malerfirma Arbeiten in der Wohnung ausführen, wofür ihm ein Betrag von 3.063,12 € in Rechnung gestellt wurde.
Die von der Klägerin als Alleinerbin ihres Vaters erhobene Klage auf Zahlung dieses Betrages abzüglich der gutgeschriebenen 317,46 € hat in den Vorinstanzen keinen Erfolg gehabt. Das Berufungsgericht ist von einer Anwendbarkeit des Wohnungsbindungsgesetzes (WoBindG) ausgegangen, hat aber die Voraussetzungen des § 9 WoBindG verneint.
Mit ihrer vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihr Klagebegehren weiter.
II.
1. Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision (§ 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO) liegen nicht vor.
a) Das Berufungsgericht hat die Zulassung der Revision damit begründet, die Frage, ob auch ohne klauselmäßige Überbürdung der Schönheitsreparaturen auf den Mieter bei preisgebundenem Wohnraum eine entgeltliche Vereinbarung über die Übernahme anfänglicher Dekorationsarbeiten durch den Mieter wirksam sei, sei höchstrichterlich noch nicht entschieden. Wegen der Vertragsgestaltung nicht nur im preisgebundenen Wohnraum sei diese Rechtsfrage von allgemeiner Bedeutung und diene eine Entscheidung des Revisionsgerichts letztlich auch der Fortbildung des Rechts.
b) Diese Erwägungen tragen keinen der in § 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO genannten Revisionszulassungsgründe. Insbesondere ergibt sich allein aus dem Umstand, dass zu der Frage, ob die Übernahme einer Anfangsrenovierung durch den Mieter gegen § 9 Abs. 1 WoBindG verstoße, eine höchstrichterliche Entscheidung noch nicht vorliegt, weder eine Grundsatzbedeutung (§ 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO) noch ein Erfordernis einer höchstrichterlichen Rechtsfortbildung (§ 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Alt. 1 ZPO).
Die Frage der Wirksamkeit einer individualvertraglichen Übertragung einer Anfangsrenovierung auf den Mieter im preisgebundenen Wohnraum spielt weder in der instanzgerichtlichen Rechtsprechung noch in der mietrechtlichen Literatur eine Rolle und wird insbesondere nicht kontrovers diskutiert. Der Klärung der genannten Frage kommt daher eine maßgebliche Bedeutung über den konkreten Einzelfall hinaus nicht zu.
Soweit das Berufungsgericht die vorbezeichnete Frage auch hinsichtlich der Vertragsgestaltung außerhalb preisgebundenen Wohnraums für klärungsbedürftig hält, vermag dies eine Revisionszulassung schon deshalb nicht zu begründen, weil ein solcher Fall hier nicht zu beurteilen ist und es somit bereits an der Entscheidungserheblichkeit dieser Frage fehlt.
2. Die Revision hat auch keine Aussicht auf Erfolg. Der Klägerin steht ein Anspruch auf Ersatz der für die Einzugsrenovierung entstandenen Kosten weder aus § 9 Abs. 1, 7 WoBindG noch aus § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BGB zu.
Nach § 9 Abs. 1 WoBindG ist eine Vereinbarung, nach der der Mieter oder für ihn ein Dritter mit Rücksicht auf die Überlassung der Wohnung eine einmalige Leistung zu erbringen hat, vorbehaltlich der Absätze 2 bis 6 des § 9 WoBindG, unwirksam. Soweit eine solche unwirksame Vereinbarung vorliegt, ist die Leistung gemäß § 9 Abs. 7 WoBindG zurückzuerstatten und vom Empfang an zu verzinsen. Diese Regelung hat den Zweck, der Umgehung zwingender Mietpreisvorschriften nach dem Wohnungsbindungsgesetz vorzubeugen. Sie soll verhindern, dass der Mieter im Wege einer Einmalleistung für die Anmietung der Wohnung einen(Kosten)Aufwand erbringen muss, der über die höchtszulässige (Kosten-)Miete hinausgeht (vgl. BT-Drucks. 4/2891, S. 30; BT-Drucks. 3/1234, S. 83; dazu auch Roquette, Bundesmietengesetze, 3. Auflage § 29 a Erstes BMietG, Rn 8; Hollenberg/Bender, Das neue Recht für Mieter und Vermieter, 1960, S 145 f.).
Der Wohnberechtigte soll mithin nicht unter dem Druck, ein Mietvertrag werde sonst nicht geschlossen, eine Wohnung nur unter wirtschaftlichen Belastungen anmieten müssen, die aus einer missbräuchlichen Verknüpfung mit einer anderweitigen Leistung entstehen können (vgl. BVerwG, NZM 198, 885 unter 2.; Bellinger in: Fischer-Dieskau/Pergande/Schwender, Wohnungsbaurecht, Band 5, Stand Januar 2006, § 9 WoBindG, Anm. 2.2).
Auch bei der Kostenmiete im preisgebundenen Wohnraum ist es dem Vermieter aber gestattet, die Schönheitsreparaturen dem Mieter aufzuerlegen oder alternativ nach § 28 Abs. 4 Satz 2 II. BV einen Zuschlag für die Kosten der von ihm zu tragenden Schönheitsreparaturen zu nehmen, der sich auf bis zu 8,50 € je qm Wohnfläche im Jahr belaufen kann (ab 1. Januar 2014 10,32 € je qm Wohnfläche im Jahr). Da Entsprechendes weder vorgetragen noch ersichtlich ist, sind dem Vater der Klägerin bei der gebotenen wirtschaftlichen Gesamtbetrachtung mit der Übernahme der Anfangsrenovierung keine Leistungen auferlegt worden, die, verbunden mit seinen sonstigen Pflichten, den Rahmen der Kostenmiete übersteigen. Dies gilt erst recht unter Berücksichtigung des Umstandes, dass die Beklagte dem Vater der Klägerin für die Übernahme der – hier letztlich ihm selbst im Rahmen der Nutzung der Wohnung zugutekommenden – Anfangsrenovierung einen Geldbetrag in Höhe einer (Netto-)Monatsmiete gutgeschrieben hat.
a) Die Vorinstanzen haben daher rechtsfehlerfrei angenommen, dass der Klägerin ein Anspruch auf Erstattung der durch die Anfangsrenovierung entstandenen Kosten aus § 9 Abs. 1, 7 WoBindG nicht zusteht. Die weitere Frage, ob einem Anspruch auch der Umstand entgegen stehen könnte, dass die Dekoration während der fünfjährigen Mietzeit des Vaters weitgehend „abgewohnt“ sein dürfte, bedarf deshalb keiner näheren Erörterung.
b) Auch ein Anspruch der Klägerin aus § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BGB kommt nicht in Betracht, da eine etwaige Leistung jedenfalls nicht ohne Rechtsgrund erfolgt ist. Wie ausgeführt, verstößt die Vereinbarung nicht gegen § 9 Abs. 1 WoBindG. Da es sich nach den rechtsfehlerfreien Feststellungen um eine Individualvereinbarung handelt, scheidet eine Unwirksamkeit nach § 307 BGB von vornherein aus.
29.10.2018