Pressemitteilung Nr. 14/19
Der Berliner Mieterverein und die Mieterplattform wenigermiete.de gaben heute bekannt, dass sie Mieterhöhungen nach Modernisierung für verfassungswidrig und damit unwirksam halten. Beide Organisationen unterstützen deshalb die heute beim Amtsgericht Tempelhof-Kreuzberg eingereichte Klage eines Berliner Mieters, der sich gegen seine Mieterhöhung zur Wehr setzen möchte. Die Klage stellt eine Regelung im Bürgerlichen Gesetzbuch in Frage, die es seit den 1970er Jahren Vermietern erlaubt, die Kosten von Modernisierungen zu 100 Prozent und mehr auf die Miete aufzuschlagen. Die Rechtsexperten von Mieterverein und wenigermiete.de sehen hierin einen Verstoß gegen die im Grundgesetz verankerte Vertragsfreiheit. Es sei kein Grund ersichtlich, weshalb die Kosten einseitig zu Lasten der Mieter gehen sollen, während ein Gutteil der Wertsteigerung durch die Modernisierung beim Vermieter verbleibt. Sieht das auch der verantwortliche Richter beim Amtsgericht so, muss er den Fall vom Bundesverfassungsgericht grundsätzlich klären lassen.
“Immer mehr stark renditeorientierte Wohnungsunternehmen nutzen die Modernisierung, um die Mieten in die Höhe zu treiben. Die Mieter selbst wollen diese Modernisierungen oft gar nicht, können sich zumeist auch nicht dagegen wehren, müssen aber trotzdem voll dafür zahlen. Dies ist nicht nur eine vom Gesetzgeber verantwortete Ungerechtigkeit, wir halten die aktuellen Regelungen darüber hinaus auch möglicherweise für verfassungswidrig”, sagt der Geschäftsführer des Berliner Mietervereins, Reiner Wild.
Die geltenden Regeln erlauben es Vermietern, dem Mieter Modernisierungsmaßnahmen aufzuzwingen, egal ob dieser dies möchte oder nicht. Er muss die Bauarbeiten in der Wohnung dulden und kann für eine bestimmte Zeit bei energetischen Maßnahmen nicht einmal die Miete mindern. “Insoweit kann sich der Vermieter auf die sogenannte Eigentumsgarantie im Grundgesetz berufen. Diese besagt, dass man in gewissen Grenzen mit seinem Eigentum machen kann, was man möchte”, sagt Dr. Daniel Halmer, Rechtsanwalt und Gründer von wenigermiete.de.
Das Gesetz räumt dem Vermieter darüber hinaus das Recht ein, sämtliche Kosten für die Modernisierung auf den Mieter abzuwälzen (§ 559 BGB). Jährlich 8 Prozent (für Modernisierungsankündigungen bis 31.12.2018 11 Prozent) der Investitionen kann der Vermieter auf die Miete aufschlagen. Nach neun bzw. 12,5 Jahren hat der Mieter damit die gesamten Kosten der Modernisierung rechnerisch abbezahlt. Danach macht der Vermieter auf Kosten des Mieters Rendite, ohne dass sich der Mieter jemals mit der Modernisierung oder der Mieterhöhung einverstanden erklärt hat. Darüber hinaus profitiert der Vermieter von einer Wertsteigerung des Objekts: Denn energetisch sanierte Fenster oder eine freihängende Toilette sind wertsteigernde Merkmale unabhängig von ihrem Alter.
“Mit der Modernisierungsumlage können sich Vermieter gleich doppelt auf Kosten der Mieter bereichern: Sie steigern gleichzeitig den Objektwert und die Mieteinnahmen. Der Mietvertrag wird einseitig geändert, ohne dass der Mieter darauf Einfluss hat,” erklärt Daniel Halmer, Rechtsanwalt und Gründer von wenigermiete.de.
Halmer, der sich kürzlich bereits als Sachverständiger in einer Anhörung im Rechtsausschuss des Deutschen Bundestages bereits kritisch zu diesen gesetzlichen Bestimmungen äußerte, hält dies im Hinblick auf die durch Art. 2 GG geschützte sogenannte Vertragsfreiheit für verfassungsrechtlich bedenklich. Die Macht des Vermieters, einseitig die Miete zu erhöhen und dabei sämtliche Modernisierungskosten abzuwälzen, stellt einen Eingriff in den verbindlich abgeschlossenen Mietvertrag dar und bedarf daher nach dem Grundgesetz eines triftigen sachlichen Grundes. Ein solcher Grund sei, so Halmer, allerdings vom Gesetzgeber nicht genannt worden und auch im Übrigen nicht ersichtlich. “Offensichtlich ungerecht und verfassungsrechtlich höchst bedenklich ist ferner, dass Mieter sogar mehr als der Kosten tragen müssen, wenn sie nur lange genug in derselben Wohnung bleiben.“, so Halmer weiter.
“Die Mieterhöhung nach Modernisierung ist zum Steigbügelhalter der Gentrifizierung mutiert”, erklärt Reiner Wild, Geschäftsführer des Berliner Mietervereins: “Bestandsmieter mit Mietverträgen von zehn Jahren oder mehr sind nicht selten ein Dorn im Auge der Vermieter. Sie sehen sich nach einer Modernisierung oft einer massiven Mieterhöhung konfrontiert. Nach einer Studie des Mietervereins von 2017 stiegen bei Modernisierung die Mieten um durchschnittlich 50 Prozent. Bei knapp einem Viertel aller angekündigten Maßnahmen sollte die Miete um 3,- Euro pro Quadratmeter und Monat. und mehr erhöht werden, bei einer 70 Quadratmeter großen Wohnung also um 200,- Euro monatlich. In knapp 15 Prozent der Fälle war ein Anstieg der Nettokaltmiete um mehr als das Doppelte beabsichtigt. In diesen Fällen nehmen Vermieter bewusst in Kauf, dass die Modernisierung zu einer Verdrängung führen wird. Rund 30 Prozent der Altmieter verlassen nach Schätzungen des Mietervereins bei Modernisierung wegen der Mieterhöhungen und der Baumaßnahmen die Wohnanlage und ziehen in oft in ungünstigere Wohnsituationen um, für die sie gleichwohl wegen des Anstiegs der Mieten bei Wiedervermietung mehr Geld aufwenden müssen. Kein Wunder, dass die Modernisierung und Energieeinsparung für die immer aggressiver auftretenden Wohnungsunternehmen zu einem festen Bestandteil ihres Geschäftsmodells geworden ist. Damit muss Schluss gemacht werden. Bei Abschaffung dieser Mieterhöhungsmöglichkeit stünde es den Vermietern immerhin weiter frei, nach Modernisierung eine Anpassung der Miete im Rahmen der ortsüblichen Vergleichsmiete vorzunehmen.“
18.03.2019