Leitsatz:
Stimmt der Mieter einer Wohnung einer vom Vermieter verlangten Anpassung der Miete an die ortsübliche Vergleichsmiete zu (§ 558 a Abs. 1, § 558 b Abs. 1 BGB), so steht dem Mieter ein Recht, die erklärte Zustimmung nach Maßgabe der Bestimmungen über das Widerrufsrecht bei im Fernabsatz geschlossenen Verbraucherverträgen zu widerrufen (§ 312 Abs. 1, § 312 c Abs. 1, § 312 g Abs. 1, § 355 Abs. 1 BGB), nicht zu.
BGH vom 17.10.2018 – VIII ZR 94/17 –
Langfassung: www.bundesgerichtshof.de [PDF, 24 Seiten]
Anmerkungen des Berliner Mietervereins
Hier hatte ein Mieter zunächst der Mieterhöhung nach §§ 558 ff. BGB zugestimmt, dann seine Zustimmung widerrufen und die zwischenzeitlich unter Vorbehalt gezahlten Mieterhöhungsbeträge von rund 1200 Euro von seinem Vermieter zurückgefordert und schließlich Klage erhoben.
Für den Ausgang des Verfahrens war die Klärung der Frage entscheidend, ob Mietern bei der Mieterhöhung nach § 558 BGB das Widerrufsrecht bei im Fernabsatz geschlossenen Verbraucherverträgen zusteht (§ 312 Abs. 1, § 312 c Abs. 1, § 312 g Abs. 1, § 355 Abs. 1 BGB).
Während diese Frage in der Literatur und in der untergerichtlichen Rechtsprechung teilweise bejaht wurde, ist der BGH zu einem anderen Ergebnis gekommen.
Er entschied, dass die gemäß § 558 b Abs. 1 BGB erklärte Zustimmung des Mieters zu einem Mieterhöhungsverlangen des Vermieters nach § 558 Abs. 1, § 558 a Abs. 1 BGB vom Anwendungsbereich des Verbraucherwiderrufs bei Fernabsatzverträgen nicht erfasst ist und dem Mieter ein dahingehendes Widerrufsrecht nicht zusteht.
Der Wortlaut des § 312 Abs. 4 Satz 1 BGB erstrecke das Widerrufsrecht zwar auf „Verträge über die Vermietung von Wohnraum“. Der Anwendungsbereich dieser Vorschrift jedoch sei dahingehend einschränkend auszulegen, dass ein Widerrufsrecht des Mieters bei einer Zustimmungserklärung zu einer vom Vermieter verlangten Erhöhung der Miete nach den §§ 558 ff. BGB nicht gegeben sei. Dies folge aus dem Regelungszweck sowohl der Bestimmungen über die Mieterhöhung bis zur ortsüblichen Vergleichsmiete (§§ 558 ff. BGB) als auch der Bestimmungen über das Widerrufsrecht des Verbrauchers bei Fernabsatzverträgen.
Denn mit dem in § 312 Abs. 4 Satz 1 BGB vorgesehenen Widerrufsrecht des Mieters einer Wohnung solle Fehlentscheidungen aufgrund der Gefahr psychischen Drucks sowie dem typischerweise bestehenden Informationsdefizit des Mieters begegnet werden. Dieser Zielsetzung des Gesetzes trügen bei Mieterhöhungen bis zur ortsüblichen Vergleichsmiete die in den §§ 558 ff. BGB vorgesehenen Bestimmungen zum Schutz des Mieters bereits uneingeschränkt Rechnung. Gemäß § 558 a Abs. 1 BGB sei das (in Textform zu erklärende) Mieterhöhungsverlangen vom Vermieter zu begründen. Damit solle dem Mieter die Möglichkeit gegeben werden, die sachliche Berechtigung des Erhöhungsverlangens zu überprüfen. Schon dadurch könne der Mieter seinen rechtsgeschäftlichen Willen ohne ein Informationsdefizit und außerhalb einer etwaigen Drucksituation bilden. Außerdem räume das Gesetz dadurch, dass der Vermieter frühestens nach Ablauf des zweiten Kalendermonats nach Zugang des Mieterhöhungsverlangens auf Erteilung der Zustimmung klagen könne (§ 558 b Abs. 2 BGB), dem Mieter eine angemessene Überlegungsfrist ein, innerhalb derer er sich entscheiden kann, ob und gegebenenfalls inwieweit er der Mieterhöhung zustimme. Somit sei bereits durch die Bestimmungen der §§ 558 ff. BGB sichergestellt, dass der Sinn und Zweck der verbraucherschützenden Regelungen für Vertragsabschlüsse im Fernabsatz erfüllt sei.
Fazit: Hat der Mieter einer in Textform zugegangenen Mieterhöhung zugestimmt, kann er seine Zustimmung später nicht widerrufen.
Zulässig ist nach wie vor aber der Widerruf der Zustimmung zu einer – auch auf dem Mietspiegel basierenden – Mieterhöhung, die die Vertragsparteien anlässlich eines Hausbesuches des Vermieters in der Wohnung des Mieters getroffen haben (vgl. § 312 b BGB). Wurde die Mieterhöhungsvereinbarung jedoch in den Geschäftsräumen des Vermieters oder Verwalters abgeschlossen, steht dem Mieter kein Widerrufsrecht zu.
Ungeklärt ist jedoch, ob nach Bekanntwerden der BGH-Entscheidung vom 17.10.2018 in Zustimmungsverlangen enthaltene Widerrufsbelehrungen als vertragliche Vereinbarung im Sinne des § 312 g Abs. 2 BGB anzusehen sind, mit der Folge, dass der Vermieter dem Mieter hiermit ein vertragliches Widerrufsrecht eingeräumt hat.
18.03.2019