Leitsätze:
a) Unterlässt der nach § 564 Satz 1, § 1922 Abs. 1 BGB in das Mietverhältnis eingetretene Erbe dieses nach § 564 Satz 2 BGB außerordentlich zu kündigen, liegt allein hierin keine Verwaltungsmaßnahme, welche die nach Ablauf dieser Kündigungsfrist fällig werdenden Verbindlichkeiten aus dem Mietverhältnis zu Nachlasserbenschulden beziehungsweise Eigenverbindlichkeiten werden lässt, für die der Erbe – auch – persönlich haftet.
b) Eine persönliche Haftung tritt jedoch etwa dann ein, wenn der Erbe nach wirksamer Beendigung des Mietverhältnisses seiner (fälligen) Pflicht aus § 546 Abs. 1, § 985 BGB zur Räumung und Herausgabe der Mietsache nicht nachkommt.
BGH vom 25.9.2019 – VIII ZR 122/18 –
Langfassung: www.bundesgerichtshof.de [PDF, 19 Seiten]
Anmerkungen des Berliner Mietervereins
Nach dem Tod des Mieters im August 2014 trat dessen Alleinerbe in das Mietverhältnis ein. Sein Sonderkündigungsrecht nach § 564 Satz 2 BGB übte der Erbe nicht aus. Der Vermieter machte Miete und Nutzungsentschädigung sowie Ansprüche aus einer Betriebskostenabrechnung jeweils für Zeiträume nach dem Tod des Mieters gegenüber dem Erben geltend. Auf Antrag des Erben war jedoch ab November 2015 die Nachlassverwaltung angeordnet worden. Deshalb meinte der Erbe, er hafte nicht persönlich für die Forderungen des Vermieters. Die Haftung sei wegen der angeordneten Nachlassverwaltung auf den Nachlass beschränkt.
Der Streit gelangte schließlich zum Bundesgerichtshof.
Der BGH wies zunächst darauf hin, dass ein Erbe grundsätzlich für die aus dem Mietverhältnis resultierenden Verbindlichkeiten haftet (§ 1967 Abs. 1 BGB). Auch die erst nach dem Tod des Mieters fällig werdenden Forderungen des Vermieters aus einem vom Erblasser eingegangenen Mietverhältnis seien „vom Erblasser herrührende Schulden“ im Sinne des § 1967 Abs. 2 BGB, sogenannte Erblasserschulden. Der Zugriffsmöglichkeit des Vermieters unterliege dabei (zunächst) sowohl der Nachlass als auch das Eigenvermögen des Erben.
Allerdings könne der Erbe bezüglich solcher Erblasserschulden seine zunächst uneingeschränkte Haftung mit der Folge beschränken, dass nur noch der Nachlass, nicht jedoch der Erbe mit seinem eigenen Vermögen hafte. Eine Möglichkeit, die mit dem Erbfall eingetretene Vermögensverschmelzung zwischen dem ererbten Vermögen sowie dem Eigenvermögen wieder rückgängig zu machen, mithin beide Vermögensmassen voneinander abzusondern, sei die Nachlassverwaltung. Diese führe dazu, dass der Erbe für Erblasserschulden nicht mehr mit seinem eigenen Vermögen hafte, sondern sich die Haftung auf den Nachlass beschränke (§ 1975 BGB). Der Erbe verliere seine Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis (§ 1984 Abs. 1 Satz 1 BGB). An seine Stelle trete der Nachlassverwalter, so dass Ansprüche gegen diesen geltend zu machen seien (§ 1984 Abs. 1 Satz 3 BGB).
Diese Haftungsbeschränkung erstrecke sich jedoch nicht auf Forderungen, für welche der Erbe nicht nur als solcher, sondern (auch) persönlich hafte. Dies sei der Fall bei den sogenannten Nachlasserbenschulden. Hierbei handele es sich um Verbindlichkeiten, die der Erbe bei der ordnungsgemäßen Verwaltung des Nachlasses eingehe. Sie hätten eine Doppelnatur und seien sowohl Eigenverbindlichkeiten des Erben als auch Nachlassverbindlichkeiten. Für sie hafte der Erbe persönlich mit seinem Vermögen und mit dem Nachlass. Handele es sich gar um einen Fall nicht ordnungsgemäßer Verwaltung des Nachlasses oder stehe das Verhalten des Erben damit in keinem Zusammenhang, hafte er ausschließlich mit dem eigenen Vermögen – sogenannte (reine) Eigenschulden.
In beiden Fällen wirke sich die infolge der Nachlassverwaltung eingetretene Haftungsbeschränkung nicht aus; die (auch) persönliche Haftung bestehe fort und der Erbe könne trotz angeordneter Nachlassverwaltung in Anspruch genommen werden. Deshalb sei es maßgebend, um welche Art von Schuld es sich bei den vorliegend streitigen Forderungen handele.
Hierfür komme es darauf an, ob die strittigen Forderungen auf einer Verwaltungsmaßnahme des Erben beruhten. Eine die Erbenhaftung begründende Verwaltungsmaßnahme könne rechtsgeschäftlicher oder tatsächlicher Natur sein. Entscheidend sei stets, ob ein eigenes Verhalten des Erben Haftungsgrundlage sei.
Allein das Unterlassen der Kündigung nach § 564 Satz 2 BGB durch den Erben des Mieters stelle jedoch keine Verwaltungsmaßnahme dar, die zu einer persönlichen Haftung führe. Insbesondere sei allein dem Verstreichenlassen der Möglichkeit zur außerordentlichen Kündigung ein dem stillschweigenden Abschluss eines Mietvertrages gleichzusetzender rechtsgeschäftlicher Erklärungswert nicht beizumessen. Die Kündigungsmöglichkeit des § 564 Satz 2 BGB schütze lediglich die Interessen beider Vertragspartner an Neudispositionen, begründe im Falle ihrer Nichtausübung jedoch nicht die Eigenhaftung des Erben.
Anders als das bloße Unterlassen einer Kündigung könne es allerdings eine Verwaltungsmaßnahme des Erben darstellen, wenn dieser einen fälligen Anspruch des Vermieters auf Räumung und Herausgabe der Mietsache nicht erfüllt habe. Dieses Unterlassen habe Handlungsqualität. Dann komme eine Eigenhaftung des Erben in Betracht.
19.11.2019