Leitsätze:
Der Mieter hat gemäß § 554 a BGB gegen den Vermieter einen Anspruch auf Zustimmung zum Einbau einer „barrierearmen“ Dusche, auch wenn die neue Duschwanne immer noch eine Schwelle von 18,5 cm aufweist und damit nicht „barrierefrei“ ist.
Der Vermieter darf seine Zustimmung nicht von dem Nachweis eines ausreichenden Haftpflichtversicherungsschutzes abhängig machen.
LG Berlin vom 30.10.2019 – 64 S 79/19 –
Mitgeteilt von RA Johann Heinrich Lüth
Anmerkungen des Berliner Mietervereins
Das Landgericht weist darauf hin, dass § 554 a BGB nicht das abstrakte Ziel verfolge, mehr barrierefreien Wohnraum zu schaffen, sondern soll Mietern, die wegen körperlicher Einschränkungen auf eine bauliche Umgestaltung der Mieträume angewiesen sind, im Einzelfall ermöglichen, ihr durch Art. 14 GG eigentumsrechtlich geschütztes Besitzrecht auch gegen den Willen des Vermieters zu verwirklichen. Ein Anspruch nach § 554 a BGB komme mithin nicht erst dann in Betracht, wenn die Behinderung des Mieters so gravierend sei, dass er auf eine barrierefreie Gestaltung der Wohnung angewiesen sei, diese also so umgestaltet werden müsse, dass sie generell für Menschen mit Behinderungen in der allgemein üblichen Weise, ohne besondere Erschwernis und grundsätzlich ohne fremde Hilfe auffindbar, zugänglich und nutzbar werde. Vielmehr könne der Mieter sein Zustimmungsverlangen nach § 554 a BGB darauf beschränken, die für ihn angesichts seiner körperlichen Einschränkungen nicht zu bewältigenden Nutzungsbarrieren soweit zurückbauen zu dürfen, wie dies angesichts seiner körperlichen Einschränkungen erforderlich sei; dies folge unmittelbar schon daraus, dass ein Eingriff im Einzelfall die Verhältnismäßigkeit wahren müsse.
Vorliegend sei die gegenwärtige Einstiegshöhe der Dusche von 38 cm von der Klägerin und ihrem Lebensgefährten wegen ihrer körperlichen Einschränkungen jedenfalls nicht ohne die Gefahr schwerwiegender Verletzungen zu bewältigen, während die angestrebte Einstiegshöhe von 18,5 cm geeignet sei, die Verletzungsgefahr drastisch zu reduzieren.
Zu Unrecht mache der Vermieter geltend, er müsse die Umbauarbeiten erst dann dulden, wenn die Mieterin ausreichenden Haftpflichtversicherungsschutz nachweise. Die vom Vermieter beschworene Gefahr, dass es im Rahmen der geplanten Arbeiten zu existenzvernichtenden Haftpflichtschäden kommen könnte, ist verschwindend gering, sodass der Vermieter durch die gesetzliche Haftung der Mieterin sowie diejenige der von ihr heranzuziehenden Unternehmen ausreichend gegen etwaige Schäden abgesichert ist. Diese Rechtsansicht stehe dabei im Einklang mit der Grundentscheidung des Gesetzgebers, für Handwerksbetriebe des Installateur- und Heizungsbauerhandwerks keine Berufshaftpflichtversicherung vorzuschreiben. Gegenstand der dem Vermieter abverlangten Duldung sei lediglich der Austausch einer Dusche mit den zugehörigen lnstallationsarbeiten, der von entsprechend qualifizierten Fachunternehmen täglich tausendfach durchgeführt werde und keine besonderen oder typischerweise den Auswirkungen nach unbeherrschbare Gefahren mit sich bringe.
Urteilstext
Gründe:
Der Beschluss beruht auf § 522 Abs. 2 Satz 2 ZPO. Die Kammer ist davon überzeugt, dass die Berufung keine Aussicht auf Erfolg hat, der Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung zukommt, die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts durch Urteil nicht erfordern und eine mündliche Verhandlung nicht geboten ist.
Zu Recht und mit zutreffender Begründung hat das Amtsgericht darauf erkannt, dass die Beklagte der Klägerin gemäß § 554a BGB verpflichtet ist, dem Einbau der barrierearmen Dusche zuzustimmen. Entgegen der Ansicht der Berufung fällt die Maßnahme nicht deswegen aus dem Anwendungsbereich des § 554a BGB heraus, weil auch die neue Duschwanne immer noch eine Schwelle von 18,5 cm aufweisen wird und damit nicht „barrierefrei“ geplant sei, sondern bloß der Verbesserung des Wohnkomforts diene.
Das Bundesverfassungsgericht hat im Jahre 2000 betont, dass das Besitzrecht des Mieters nach Art. 14 GG ebenso eigentumsrechtlich geschützt ist wie das Bestandsinteresse des Vermieters. Ist der Zugang des Mieters zur Wohnung wegen einer Behinderung besonders erschwert, so kann der Eigentümer in Abwägung der gegenseitigen eigentumsrechtlich geschützten Interessen verpflichtet sein, dem Einbau eines Treppenliftes zuzustimmen (vgl. BVerfG, Kammerbeschluss v. 28.03.2000 – 1 BvR 1460/99 -, GE 2000, 670 f., zitiert nach juris). Der Gesetzgeber hat diese Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zum Anlass genommen, die in solchen Fällen für die Abwägung der gegensätzlichen Interessen maßgeblichen Kriterien einfachgesetzlich festzulegen und § 554a BGB einzuführen. Die Norm verfolgt nicht das abstrakte Ziel, mehr barrierefreien Wohnraum zu schaffen, sondern soll Mietern, die wegen körperlicher Einschränkungen auf eine bauliche Umgestaltung der Mieträume angewiesen sind, im Einzelfall ermöglichen, ihr durch Art. 14 GG eigentumsrechtlich geschütztes Besitzrecht auch gegen den Willen des Vermieters zu verwirklichen. Ein Anspruch nach § 554a BGB kommt mithin nicht erst dann in Betracht, wenn die Behinderung (vgl. § 3 BBG) des Mieters so gravierend ist, dass er auf eine im Sinne des§ 4 BBG barrierefreie Gestaltung der Wohnung angewiesen ist, diese also so umgestaltet werden muss, dass sie generell „für Menschen mit Behinderungen in der allgemein üblichen Weise, ohne besondere Erschwernis und grundsätzlich ohne fremde Hilfe auffindbar, zugänglich und nutzbar“ wird. Vielmehr kann der Mieter sein Zustimmungsverlangen nach § 554a BGB darauf beschränken, die für ihn angesichts seiner körperlichen Einschränkungen nicht zu bewältigenden Nutzungsbarrieren soweit zurückbauen zu dürfen, wie dies angesichts seiner körperlichen Einschränkungen erforderlich ist; dies folgt unmittelbar schon daraus, dass ein Eingriff im Einzelfall die Verhältnismäßigkeit wahren muss.
Das Amtsgerichts hat die gegenseitigen Eigentumsinteressen der Parteien vor diesem Hintergrund fehlerfrei abgewogen; die Kammer nimmt auf die zutreffenden Urteilsgründe Bezug und macht sie sich zu eigen. Die Beweiswürdigung des Amtsgerichts entspricht den Vorgaben des § 286 ZPO und ist für die Kammer gemäß §§ 529, 531 ZPO verbindlich. Das Amtsgericht hat mit überzeugender Begründung festgestellt, dass die gegenwärtige Einstiegshöhe der Dusche von 38 cm von der Klägerin und ihrem Lebensgefährten wegen ihrer körperlichen Einschränkungen jedenfalls nicht ohne die Gefahr schwerwiegender Verletzungen zu bewältigen ist, während die angestrebte Einstiegshöhe von 18,5 cm geeignet ist, die Verletzungsgefahr drastisch zu reduzieren. Konkrete Anhaltspunkte, die Zweifel an diesen Feststellungen des Amtsgericht begründen könnten, zeigt die Beklagte nicht auf.
Soweit die Beklagte meint, der Klageantrag sei zu weit gefasst und deshalb einen Hilfsantrag formuliert, wonach der angestrebte Umbau durch einen in die Handwerksrolle eingetragenen Fach betrieb für das Installateur- und Heizungsbauerhandwerk zu erfolgen habe, der darüber hinaus in das Installateurverzeichnis der Berliner Wasserbetriebe eingetragen sein müsse, geht dies fehl. Es ist selbstverständlich und bedarf keines besonderen Ausspruchs im Urteilstenor, dass die baulichen Maßnahmen nach den anerkannten Regeln der Technik durchzuführen sind (vgl. Schmidt-Futterer/Eisenschmid, Mietrecht, 14. Aufl. 2019, § 554a Rn. 20). Selbstverständlich ist damit auch, dass die Klägerin die Arbeiten nur im Rahmen der geltenden Rechtsordnung durchführen lassen darf, mithin für Maßnahmen, die nur durch einen in die Handwerksrolle eingetragenen Fachbetrieb des Installateur- und Heizungsbauerhandwerks ausgeführt werden dürfen, einen solchen Fachbetrieb hinzuziehen muss, der zudem einer Eintragung im Installateurverzeichnis der Berliner Wasserbetriebe bedarf, sofern Änderungen am Leitungsnetz erforderlich werden. Der von der Beklagten angeregten Fassung des Urteilstenors bedarf es daher nicht.
Zu Unrecht macht schließlich die Beklagte geltend, sie müsse die Umbauarbeiten erst dann dulden, wenn die Klägerin ausreichenden Haftpflichtversicherungsschutz nachgewiesen habe. Entgegen der Ansicht des Amtsgerichts ist ein Haftpflichtversicherungsschutz zwar nicht schon generell und selbstverständlich gewährleistet, weil die B. GmbH & Co. KG oder die von dieser herangezogenen Fachunternehmen einer entsprechenden Versicherungspflicht unterlägen. Für Bau- oder Handwerksunternehmen existiert keine allgemeine gesetzliche Pflicht, eine Betriebshaftpflichtversicherung abzuschließen. Eine gesetzliche Versicherungspflicht gibt es vielmehr nur für einzelne Berufsgruppen wie etwa Rechtsanwälte, Ärzte und Architekten, die ihren Beruf nur ausüben dürfen, wenn sie entsprechende Berufshaftpflichtversicherungen unterhalten.
Die Kammer hält aber die von der Beklagten beschworene Gefahr, dass es im Rahmen der geplanten Arbeiten zu existenzvernichtenden Haftpflichtschäden kommen könnte, für verschwindend gering, sodass die Beklagte durch die gesetzliche Haftung der Klägerin sowie diejenige der von ihr heranzuziehenden Unternehmen ausreichend gegen etwaige Schäden abgesichert ist. Die Kammer sieht sich dabei im Einklang mit der Grundentscheidung des Gesetzgebers, für Handwerksbetriebe des Installateur- und Heizungsbauerhandwerks keine Berufshaftpflichtversicherung vorzuschreiben. Gegenstand der der Beklagten abverlangten Duldung ist lediglich der Austausch einer Dusche mit den zugehörigen lnstallationsarbeiten, der von entsprechend qualifizierten Fachunternehmen täglich tausendfach durchgeführt wird und keine besonderen oder typischerweise den Auswirkungen nach unbeherrschbare Gefahren mit sich bringt.
Die Kammer regt deshalb an, die Berufung zurückzunehmen und weist vorsorglich darauf hin, dass sich die Gerichtsgebühren für das Berufungsverfahren in diesem Falle halbieren würden (vgl. Nr. 1220, 1222 Kostenverzeichnis zum Gerichtskostengesetz).
Die Kammer beabsichtigt, den Streitwert für den Berufungsrechtszug auf bis zu 4.000,00 € festzusetzen. Dabei legt sie entsprechend § 41 Abs. 5 Satz 1 GKG den Jahresbetrag einer fiktiven Minderung zu Grunde, die der Klägerin mangels Erteilung der begehrten Zustimmung zustehen könnte (12 x 25 % x 1.006,74 €). Soweit die Beklagte mit ihrem Hilfsantrag Bedingungen formuliert, von denen sie ihre Zustimmung abhängig machen will, handelt es sich um ein vom Klagebegehren umfasstes „minus“, das nach § 45 GKG nicht zu einer Streitwerterhöhung führt. Die Parteien erhalten Gelegenheit zur Stellungnahme binnen zwei Wochen.
25.02.2020