Leitsatz:
Wird der Stromverbrauch einer in einem Mehrparteienhaus gelegenen und vermieteten Wohnung über einen Zähler erfasst, der ausschließlich dieser Wohnung zugeordnet ist, richtet sich die in der Bereitstellung von Strom liegende Realofferte des Versorgungsunternehmens regelmäßig nicht an den Hauseigentümer, sondern an den Mieter, welcher durch die seinerseits erfolgte Stromentnahme das Angebot konkludent annimmt.
BGH vom 27.11.2019 – VIII ZR 165/18 –
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Anmerkungen des Berliner Mietervereins
Im vorliegenden Fall hatte der Stromversorger – offensichtlich wegen Zahlungsunfähigkeit des Mieters – den Hauseigentümer und Vermieter des Mehrfamilienhauses in Anspruch genommen.
Er sollte insgesamt 408,55 Euro für in der Mieterwohnung bezogenen Strom zahlen. Der Betrag bezog sich auf die Vergütung für den im Zeitraum vom 20. Dezember 2012 bis zum 7. Mai 2013 gelieferten Strom sowie auf Ersatz der Kosten für den erfolglosen Versuch der Unterbrechung der Versorgung.
Der BGH entschied, dass der Eigentümer des Hauses nicht für die Stromkosten aufkommen müsse, weil zwischen ihm und dem Versorger kein Stromlieferungsvertrag zustande gekommen sei.
Das konkludente Angebot des Versorgers auf Abschluss eines Versorgungsvertrages richte sich bei der gebotenen Auslegung aus Sicht eines verständigen Dritten in der Position des Empfängers nicht an den Hauseigentümer, sondern an den Mieter der Wohnung.
In dem Leistungsangebot eines Versorgungsunternehmens sei grundsätzlich ein Vertragsangebot zum Abschluss eines Versorgungsvertrages in Form einer sogenannten Realofferte zu sehen (vgl. § 2 Abs. 2 StromGVV).
Bei der Bestimmung des Angebotsadressaten komme es maßgebend darauf an, wer den Strom verbraucht, da der Vertrag regelmäßig gerade mit der Person begründet werden solle, die aufgrund ihrer tatsächlichen Verfügungsgewalt in der Lage sei, die offerierte Energie auch zu entnehmen, mithin hierdurch das Angebot (konkludent) anzunehmen. Sei eine Wohnung vermietet, habe diese Möglichkeit typischerweise der Mieter, da ihm infolge der eingeräumten Nutzungsbefugnis auch die tatsächliche Sachherrschaft über die gemieteten Räume und die darin befindlichen Versorgungsanschlüsse zukomme.
Unerheblich sei hierbei, ob dem Energieversorger die Identität des Inhabers der tatsächlichen Verfügungsgewalt bekannt sei.
Schließlich sei bei der Beurteilung die Praxis zu berücksichtigen, dass bei Mietwohnungen, die mit einem eigenen Stromzähler ausgestattet sind, üblicherweise der Mieter den Stromlieferungsvertrag direkt mit dem Versorger abschließe. Damit werde der Umweg über den Vermieter und die Betriebskostenabrechnung erspart.
21.04.2020