Leitsatz:
Stimmt der Mieter einem Mieterhöhungsverlangen zu, das auf einer unrichtigen (zu großen) Wohnfläche beruht, liegen die Voraussetzungen einer Vertragsanpassung nach § 313 Abs. 1 BGB ungeachtet eines Kalkulationsirrtums der Parteien bezüglich der Wohnfläche nicht vor, wenn der Vermieter die vereinbarte Mieterhöhung unter Berücksichtigung der tatsächlichen Wohnfläche auch in einem gerichtlichen Mieterhöhungsverfahren nach §§ 558, 558 b BGB hätte durchsetzen können; denn in einem solchen Fall ist dem Mieter ein Festhalten an der Vereinbarung zumutbar.
BGH vom 11.12.2019 – VIII ZR 234/18 –
Langfassung: www.bundesgerichtshof.de [PDF, 13 Seiten]
Anmerkungen des Berliner Mietervereins
Der Vermieter hatte jahrelang Mieterhöhungen verlangt, in denen er von einer Wohnfläche von 113 Quadratmetern ausging. Der Mieter hatte jeweils zugestimmt.
Im Jahr 2013 zweifelte er jedoch erstmals die angegebene Wohnfläche an und machte geltend, diese betrage tatsächlich nur 100 Quadratmeter. Er forderte den Vermieter auf, die deshalb überzahlte Miete zurückzuzahlen. Im Prozess wurde gutachterlich eine Wohnfläche von 102 Quadratmetern festgestellt. Allerdings stellte sich heraus, dass auch bei Ansatz dieser Wohnungsgröße die jeweils verlangte Miete noch unterhalb der ortsüblichen Vergleichsmiete des örtlichen Mietspiegels gelegen hätte.
Das Berufungsgericht hatte dem Begehren des Mieters teilweise stattgegeben. Im Revisionsverfahren kam es jedoch anders: Der BGH versagte dem Mieter jeglichen Rückzahlungsanspruch wegen angeblich überhöhter Miete.
Der in den Vereinbarungen der Parteien über die jeweilige Mieterhöhung liegende Rechtsgrund für die (erhöhten) Mietzahlungen sei nicht durch eine zugunsten des Mieters vorzunehmende Vertragsanpassung entfallen. Zwar könne ein beiderseitiger Motivirrtum, insbesondere ein Kalkulationsirrtum, unter den Voraussetzungen des § 313 Abs. 1, 2 BGB („Wegfall der Geschäftsgrundlage“) zu einer Vertragsanpassung führen. Der BGH habe dies in der Vergangenheit in einer Konstellation bejaht, in der die Mietvertragsparteien eine Mieterhöhung auf der Grundlage einer zu hoch angesetzten Wohnfläche und einer Quadratmetermiete, die bereits der ortsüblichen Vergleichsmiete entsprach, vereinbart hatten. Dies hätte zur Folge gehabt, dass in jenem Fall die vereinbarte erhöhte Miete bei Berücksichtigung der tatsächlichen Wohnfläche deutlich (!) über der ortsüblichen Vergleichsmiete lag und der BGH vor diesem Hintergrund angenommen habe, dass dem Mieter deshalb ein unverändertes Festhalten an den vereinbarten Mieterhöhungen nicht zumutbar wäre (BGH vom 7. Juli 2004 – VIII ZR 192/03). Hierin liege der entscheidende Unterschied zum vorliegenden Fall, in dem die jeweils vereinbarten erhöhten Mieten auch unter Berücksichtigung der wahren Wohnfläche noch unterhalb der ortsüblichen Vergleichsmiete lägen.
Denn der Umstand, dass die vereinbarte erhöhte Miete jeweils noch unter der ortsüblichen Vergleichsmiete lag und auch die übrigen Voraussetzungen des § 558 BGB vorlagen (Beachtung der Kappungsgrenze und Sperrfrist), so dass der Vermieter die jeweils begehrte betragsmäßige Mieterhöhung auf ein berechtigtes Verlangen nach § 558 Abs. 1 BGB stützen konnte, stelle ein gewichtiges Indiz dafür dar, dass die Parteien auch bei Kenntnis der wahren Wohnfläche dieselbe erhöhte Miete vereinbart hätten.
Eine Vertragsanpassung zugunsten des Mieters komme daher deshalb nicht in Betracht, weil ihm ein unverändertes Festhalten an den vertraglich vereinbarten Mieterhöhungen unter Abwägung aller Umstände einschließlich der vertraglichen Risikoverteilung (§ 313 Abs. 1 BGB) zumutbar sei.
Dass der Vermieter seinen Mieterhöhungsbegehren eine unzutreffende, weil deutlich zu hohe Wohnfläche zugrunde gelegt habe, habe sich aber bei der gebotenen wirtschaftlichen Betrachtung letztlich nicht zum Nachteil des Mieters ausgewirkt.
Jedenfalls spreche nichts dafür, dass sich die wirtschaftliche Situation des Mieters in irgendeiner Weise günstiger dargestellt hätte, wenn er bei Kenntnis der tatsächlichen Wohnfläche eine Mieterhöhung abgelehnt und das Mietverhältnis gekündigt hätte. Denn in diesem Fall wären dem Mieter durch die Suche einer neuen Wohnung Mühen und Kosten entstanden und es sei nicht ersichtlich, dass anderweit eine vergleichbare Wohnung zu einer unterhalb der ortsüblichen Vergleichsmiete liegenden Miete zur Verfügung gestanden hätte. Der dem Vermieter bei den Mieterhöhungsbegehren bezüglich der Wohnfläche unterlaufene Fehler hätte somit für den Mieter keine negativen wirtschaftlichen Auswirkungen, so dass ihm ein unverändertes Festhalten an den Vereinbarungen auch zumutbar sei. Da eine Anpassung der Mieterhöhungsvereinbarungen auf eine jeweils geringere Miete somit nicht in Betracht komme, besteht der Rechtsgrund für die vom Mieter erbrachten (erhöhten) Mietzahlungen fort.
Die Entscheidung ändert nichts an dem Grundsatz, dass es bei der Mieterhöhung immer auf die tatsächliche Wohnfläche ankommt. Ein Mieter, der die überhöhte Wohnfläche erkennt, kann daher seine Zustimmung insoweit verweigern beziehungsweise eine Teilzustimmung abgeben. Erkennt er die Wohnflächenabweichung aber vor Zustimmung nicht, gelten die oben aufgeführten Grundsätze des BGH.
21.04.2020