Die gemeinnützige Bürgermeister-Reuter-Stiftung wurde 1953 vom damaligen Regierenden Bürgermeister Berlins gegründet, um Flüchtlinge aus der Sowjetischen Besatzungszone zu unterstützen. Im Aufsichtsrat sitzen altgediente Sozialdemokraten wie Frank Bielka und Detlef Dzembritzki sowie die CDU-Politikerin Barbara John. Wie passt das zusammen mit der Vermietung von Apartments zu Wuchermieten?
Rechtsanwalt Manfred Lenz fehlten die Worte, als ihm der Mietvertrag vorgelegt wurde: 770 Euro warm für ein rund 20 Quadratmeter großes Mini-Apartment in der Alfred-Jung-Straße 12 in Lichtenberg. Selbst wenn man die Nebenkosten und einen – großzügig bemessenen – Möblierungszuschlag von 2 Euro pro Quadratmeter abzieht, ist das ein Quadratmeterpreis von 32 Euro nettokalt. Dabei ist die Lage nicht nobel und die Ausstattung nicht luxuriös. „Das sind einfache Ikea-Möbel“, sagt die Mieterin. „So etwas ist mir noch nie untergekommen, das sind Preise wie in Tokio“, empört sich der Anwalt. Die Mietpreisbremse gilt hier nicht, weil es sich um einen Neubau handelt. Doch Lenz sieht einen möglichen Verstoß gegen Paragraf 5 Wirtschaftsstrafgesetz („Wucherparagraf“).
Die Bürgermeister-Reuter-Stiftung kann die Kritik an den hohen Mieten nicht nachvollziehen. Heike Unterrainer von der Stiftung hält die Preise für angemessen: „So ist die Kalkulation, wir machen damit keinen Profit.“ Die Mieteinnahmen verwende man zudem für den sozialen Bereich. Eine Tochtergesellschaft betreibt mehrere Kitas in Berlin.
Schwerpunktmäßig vermietet die Stiftung an Studierende. Auch von denen verlangt man happige Preise. Zwischen 665 und 715 Euro – je nach Mietdauer – kostet ein 19 Quadratmeter großes Apartment in der Alfred-Jung-Straße 12 und 14. Für Studentenwohnheime gilt die Mietpreisbremse ebenfalls nicht. In den Mieten für die Studentenapartments seien sämtliche Nebenkosten und auch die Reinigung enthalten, argumentiert Heike Unterrainer.
Ein weiterer Umstand wirft Fragen auf: Der Neubau Alfred-Jung-Straße 12 und 14 mit insgesamt 800 Apartments wurde eigentlich als Studentencampus gebaut. Bei der Grundsteinlegung 2016 lobte Lichtenbergs Bezirksbürgermeisterin Birgit Monteiro (SPD) die Bereitstellung von dringend benötigtem Wohnraum für Studierende mit geringem Einkommen. Wieso werden hier nun auch „möblierte City-Apartments für Arbeitnehmer“ angeboten, und das zu Preisen von 38,50 Euro warm pro Quadratmeter? Offenbar kann sich nicht jeder Studierende Mieten von 700 Euro leisten. Um Leerstände zu vermeiden, vermiete man die oberen Etagen zum vorübergehenden Gebrauch an Arbeitnehmer, erklärt Heike Unterrainer.
Die ratsuchende Mieterin hat mittlerweile etwas Günstigeres gefunden. Sie sagt: „Ich habe mich durch den Namen täuschen lassen, ich dachte, das wäre ein sozialer Vermieter.“
Birgit Leiß
28.05.2020