Leitsatz:
Die vertragliche Vereinbarung: „Eine Verlängerung des Mietverhältnisses entfällt gemäß § 575 BGB aus folgendem Grund: Nach Ablauf der Befristung wird der Grundriss der Wohnung grundlegend geändert“, vermag keinen wirksamen Zeitmietvertrag nach § 575 BGB zu begründen, weshalb das Mietverhältnis als auf unbestimmte Zeit abgeschlossen gilt.
AG Tempelhof-Kreuzberg vom 25.2.2019 – 7 C 285/18 –
Mitgeteilt von RA Stephan Werle
Anmerkungen des Berliner Mietervereins
Der Vermieter ging aufgrund der im Leitsatz wiedergegebenen Vertragsklausel von der Beendigung des Mietverhältnisses aus. Dem folgte das Amtsgericht nicht.
Zwar könne nach § 575 Abs. 1 Nr. 2 BGB ein Mietverhältnis auf bestimmte Zeit eingegangen werden, wenn der Vermieter nach Ablauf der Mietzeit in zulässiger Weise die Räume beseitigen oder so wesentlich verändern oder instand setzen will, dass die Maßnahmen durch eine Fortsetzung des Mietverhältnisses erheblich erschwert würden und er dem Mieter den Grund der Befristung bei Vertragsschluss schriftlich mitteile.
Da durch eine Befristung eines Wohnraummietverhältnisses wesentliche Mieterrechte ausgehöhlt werden, seien – so das Amtsgericht – aber an den Inhalt der schriftlichen Mitteilung hohe Anforderungen zu stellen. Der Befristungsgrund sei so genau zu umschreiben, dass er von anderen Befristungsgründen abgegrenzt werden könne. Geplante Baumaßnahmen könnten eine Befristung nur rechtfertigen, wenn sie so umfassend seien, dass dadurch eine Fortsetzung des Mietverhältnisses „erheblich erschwert“ würde. Diese Tatbestandsvoraussetzung könne der Mieter nur überprüfen, wenn ihm konkrete Informationen vorlägen. Es sei deshalb sachgerecht, wenn an den Inhalt der Information im Wesentlichen dieselben Anforderungen gestellt werden, wie an eine Modernisierungsankündigung. Zumindest müsse der Vermieter die Kerntatsache erläutern.
Die vorliegende Mitteilung, dass eine wesentliche Grundrissänderung erfolgen soll, sei nicht ausreichend, denn anhand dieser Information könne der Mieter nicht prüfen, ob die Maßnahmen durch eine Fortsetzung des Mietverhältnisses erheblich erschwert würden. Eine solche rein schlagwortartige Angabe genüge nicht. Vielmehr müsse der Vermieter nähere Angaben über die Art der Baumaßnahmen sowie darüber machen, inwieweit sie sich auf die Räume des Mieters erstreckten.
Unerheblich sei im Übrigen, ob weitergehende Informationen mündlich erteilt wurden, wie es der Vermieter behauptet hatte. Die Mitteilung hat nach § 575 Abs. 1 BGB schriftlich zu erfolgen, so dass § 126 BGB gilt und eine mündliche Mitteilung des Vermieters nicht genüge. Vielmehr sei das Befristungsinteresse in vollem Umfang schriftlich mitzuteilen. Es reiche nicht, wenn der Vermieter schriftlich nur schlagwortartig mitteile, was er beabsichtigt, und dem Mieter die Einzelheiten mündlich erläutere.
Da der Vermieter demnach vorliegend den Grund für die Befristung nicht hinreichend konkret mitgeteilt hatte, galt das Mietverhältnis nach § 575 Abs. 1 BGB als auf unbestimmte Zeit abgeschlossen.
Die amtsgerichtliche Entscheidung ist vom Landgericht bestätigt worden (LG Berlin vom 24.5.2019 – 66 S 66/19 –).
Urteilstext
Tatbestand
Mit schriftlichem Mietvertrag vom 13.10.2016 mieteten die Kläger, die im Klageantrag zu 1. näher bezeichnete Wohnung von der Beklagten. Die Kläger waren zu diesem Zeitpunkt Studenten im Alter zwischen 19 und 21 Jahren. ln § 1b des Mietvertrages wurde vereinbart, dass das Mietverhältnis am 16.10.2016 beginnt und am 15.10.2018 endet und eine Verlängerung entfällt. Ergänzend zu dieser Regelung wurde in der Anlage 1 zum Mietvertrag angeführt: „Eine Verlängerung des Mietverhältnisses entfällt gemäß § 575 BGB aus folgendem Grund: Nach Ablauf der Befristung wird der Grundriss der Wohnung grundlegend geändert.“
Mit Schreiben vom 18.12.2017 beantragten die Kläger den mit dem Klageantrag zu 2) begehrten Mieterwechsel zum 01.01.2018. Die von der Beklagten beauftragte Hausverwaltung verweigerte die Zustimmung unter Hinweis auf die Befristung des Mietverhältnisses.
Die Kläger sind der Auffassung, dass der Grund für die Befristung in der Anlage 1 zum Mietvertrag nicht hinreichend konkret und die Befristung daher unwirksam ist. Sie seien Mitglieder einer Wohngemeinschaft. Als solche stehe ihnen ein Anspruch auf Entlassung und Neuaufnahme von Mietern zu.
Die Kläger beantragen, wie erkannt.
Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.
Sie ist der Auffassung, der Mietvertrag sei mit den Klägern als Einzelpersonen abgeschlossen worden und nicht mit einer Wohngemeinschaft. Die Befristung sei wirksam.
Sie trägt vor, bei der Wohnungsbesichtigung vor Abschluss des Mietvertrages habe sie den Klägern erklärt, dass die über zwei Etagen reichende, mit einer Innentreppe verbundene Wohnung künftig in zwei Wohnungen geteilt werde, dass umfangreiche Bauarbeiten durchgeführt werden müssten, um eine tragende Decke anstelle der Galerie einzuziehen, die in einer bewohnten Wohnung nicht durchführbar seien und dass die Wohnung danach mit dem bisherigen Zuschnitt nicht mehr existieren werde. Aus diesem Grund sei im Einverständnis mit den Klägern die Befristung vereinbart worden.
…
Entscheidungsgründe:
Die Kläger sind aktivlegitimiert.
Selbst wenn – aus den noch auszuführenden Gründen – vorliegend auf Mieterseite eine Wohngemeinschaft vorliegt, ist nicht die Wohngemeinschaft als solche Mieterin geworden, sondern die einzelnen Mieter/Kläger.
Die Rechtsbeziehungen einer Wohngemeinschaft im Innenverhältnis bestimmen sich in der Regel nach den §§ 705 ff. BGB, da die Wohngemeinschaft nach überwiegender Auffassung eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts darstellt (Schmidt-Futterer/Blank, Mietrecht, 13. Aufl., 2017, § 540 Rn. 19, beck-online). Allein aus dieser Beurteilung des Innenverhältnisses lässt sich jedoch noch nicht ableiten, ob diese Personenvereinigung im Außenverhältnis zum Vermieter eine Einheit oder·eine Mehrheit von Mietern bildet, wer also auf Mieterseite Partei des Mietvertrags wird: die WG als Außen-GbR oder ihre Mitglieder gemeinschaftlich, die nach innen eine lnnen-GbR bilden. Ob also auf Mieterseite eine Außen-GbR ist, oder ob die einzelnen Mitglieder der Wohngemeinschaft Mieter werden, ist durch Auslegung zu ermitteln, §§ 133, 157 BGB (vgl. Dr. Jörn Jacobs, Haftung der (studentischen) Wohngemeinschaft nach Anerkennung der Rechtsfähigkeit der Außen-GbR, NZM 2008, 111, beck-online). Danach ist vorliegend davon auszugehen, dass die einzelnen Mitglieder der WG Mieter geworden sind, denn im Rubrum in Verbindung mit § 25 des Mietvertrages sind die einzelnen Kläger als Mieter bzw. Vertragspartner aufgeführt und alle Mieter haben jeweils unterschrieben.
Die Kläger sind daher gemeinsam klagebefugt.
Der Feststellungsantrag ist zulässig; denn die Kläger haben ein rechtliches Interesse an der Feststellung, dass der Mietvertrag unbefristet ist.
Die Feststellungsklage ist auch begründet.
Nach § 575 Abs. 1 Nr. 2 BGB kann ein Mietverhältnis auf bestimmte Zeit eingegangen werden, wenn der Vermieter nach Ablauf der Mietzeit in zulässiger Weise die Räume beseitigen oder so wesentlich verändern oder instand setzen will, dass die Maßnahmen durch eine Fortsetzung des Mietverhältnisses erheblich erschwert würden und er dem Mieter den Grund der Befristung bei Vertragsschluss schriftlich mitteilt.
Vorliegend hat die Beklagte den Grund für die Befristung nicht hinreichend konkret mitgeteilt, weshalb das Mietverhältnis nach § 575 Abs. 1 BGB als auf unbestimmte Zeit abgeschlossen gilt.
Der Befristungsgrund ist dem Mieter bei Mietvertragsabschluss schriftlich mitzuteilen. Da durch eine Befristung eines Wohnraummietverhältnisses wesentliche Mieterrechte ausgehöhlt werden, sind an den Inhalt der schriftlichen Mitteilung hohe Anforderungen zu stellen (Schmidt/Futterer/Blank, Mietrecht. 13. Aufl. 2017, § 575 BGB Rn. 21, beck-online). Der Befristungsgrund ist so genau zu umschreiben, dass er von anderen Befristungsgründen abgegrenzt werden kann (Schmidt/Futterer/Blank, a.a.O., Rn. 23).
Die geplanten Baumaßnahmen können eine Befristung nur rechtfertigen, wenn sie so umfassend sind, dass dadurch eine Fortsetzung des Mietverhältnisses „erheblich erschwert“ würde. Diese Tatbestandsvoraussetzung kann der Mieter nur überprüfen, wenn ihm konkrete Informationen vorliegen. Es ist deshalb sachgerecht, wenn an den Inhalt der Information im wesentlichen dieselben Anforderungen gestellt werden, wie an eine Modernisierungsankündigung (Blank/Börstinghaus/Blank, 5. Aufl. 2017, BGB § 575 Rn; 24-29; Schmidt-Futterer/Blank, a.a.O., Rn. 25; AG Pankow-Weißensee, Urteil vom 24. März 2015 – 9 C 307/14 -, Rn. 30, juris). Zumindest muss der Vermieter die Kerntatsache erläutern (BeckOGK/Hoffmann, 1.10.2018, BGB § 575 Rn. 25).
Die vorliegende Mitteilung, dass eine wesentliche Grundrissänderung erfolgen soll, ist nicht ausreichend, denn anhand dieser Information kann der Mieter nicht prüfen, ob die Maßnahmen durch eine Fortsetzung des Mietverhältnisses erheblich erschwert würden. Eine solche rein schlagwortartige Angabe genügt nicht. Vielmehr muss der Vermieter nähere Angaben über die Art der Baumaßnahmen sowie darüber machen, inwieweit sie sich auf die Räume des Mieters erstrecken (vgl. Emmerich/Sonnenschein in: Emmerich/Sonnenschein, Miete, 11. Aufl. 2014, § 575 Zeitmietvertrag, Rn. 20 – beck-online).
Offen bleiben kann, ob weitergehende Informationen mündlich erteilt wurden, wie es die Beklagte behauptet. Die Mitteilung hat nach § 575 Abs. 1 BGB schriftlich zu erfolgen, so dass § 126 BGB gilt und eine mündliche Mitteilung des Vermieters nicht genügt. Vielmehr ist das Befristungsinteresse in vollem Umfang schriftlich mitzuteilen. Es reicht nicht, wenn der Vermieter schriftlich nur schlagwortartig mitteilt, was er beabsichtigt, und dem Mieter die Einzelheiten mündlich erläutert (Schmidt-Futterer/Blank, a.a.O. § 575 Rn. 19).
…
25.05.2020