Seit einigen Jahren schießen Geldautomaten wie Pilze aus dem Boden. Die leuchtend gelben Blechkästen verschandeln das Straßenbild, stehen in Hauseingängen und auf Bürgersteigen im Weg herum, und viele spucken auch nur gegen saftige Gebühren Bargeld aus. Einige wurden ohne Genehmigung aufgestellt.
Im Februar fanden die Mieter der Rudi-Dutschke-Straße 28 in ihrem Hauseingang plötzlich einen Geldautomaten vor. Das gelbe Gerät der Firma „Euronet“ verengte nicht nur den Eingang, sondern trug auch nicht gerade zu dessen Attraktivitätssteigerung bei. Hier, am Checkpoint Charlie, herrscht kein Mangel an Geldautomaten. „In einem Umkreis von circa 40 Metern haben wir sechs Stück allein von Euronet“, hat Mieterin Dagmar Gabler gezählt.
Sie wollte die „zunehmende Verschandelung“ nicht hinnehmen und wandte sich zunächst an die Hausverwaltung. „Man hat mir zu verstehen gegeben, dass es mich nichts angeht, was die Eigentümer mit ihrem Gebäude machen“, berichtet Gabler. Mehr Erfolg hatte ihre Anfrage beim Bezirksamt Friedrichshain-Kreuzberg: Weil das Haus unter Denkmalschutz steht, hat die Behörde die Beseitigung des Automaten angeordnet. Tatsächlich wurde er nach wenigen Tagen wieder abgebaut.
Das geht nicht immer so schnell. „Die Untere Denkmalschutzbehörde steht mit mehreren Finanzdienstleistern wegen drohender Ordnungsmaßnahmen in Kontakt“, erklärt Baustadtrat Florian Schmidt (Grüne). Nach dem Denkmalschutzgesetz können gegen die Automatenbetreiber und Hauseigentümer Bußgelder bis zu 500 000 Euro verhängt werden. „Eine große Zahl ungenehmigt aufgestellter Geldautomaten wird in den nächsten Monaten demontiert“, kündigt Schmidt an.
Bei Häusern, die nicht unter Denkmalschutz stehen, sieht der Bezirk allerdings keine Eingriffsmöglichkeiten. Nach der Bauordnung dürfen solche Automaten ohne Genehmigung aufgestellt werden – allerdings nicht auf öffentlichem Grund. Dem Straßen- und Grünflächenamt von Friedrichshain-Kreuzberg sind keine Geldautomaten bekannt, die auf Gehwegen stehen.
Zeit ist Geld
Anders ist es in Pankow. Dort stehen mehrere Automaten von „Euronet“ vor Hausfassaden auf stadteigenem Grund. Das Straßen- und Grünflächenamt hatte dafür nie Genehmigungen erteilt, den Betreiber im Jahr 2018 zur Beseitigung aufgefordert und Bußgelder in Höhe von 450 Euro im ersten Fall und je 900 Euro in den Wiederholungsfällen verhängt. Der Betreiber hat dagegen aber Widerspruch eingelegt und Klage erhoben. „Verfahren vor den Verwaltungsgerichten dauern erfahrungsgemäß zwischen zwei und fünf Jahren“, bedauert Pankows Baustadtrat Vollrad Kuhn (Grüne) – viel Zeit, in der die Automaten weiter Geld verdienen.
Derselbe Betreiber stellt auch vor Hofeinfahrten seine Geldautomaten auf. Die Hauseigentümer lassen sich damit nicht nur die Hausansicht verschandeln, wenn wie an einem Haus in der Schliemannstraße ein gelber Kasten vor einem restaurierten Holztor steht – sie verengen auch die Einfahrt so sehr, dass selbst im Notfall kein Fahrzeug mehr in den Hof einfahren könnte. „Wenn unzulässige Einschränkungen der Rettungswege oder Feuerwehrzufahrten bekannt werden, wird die Bauaufsichtsbehörde ordnungsgemäße Zustände herstellen lassen“, versichert Stadtrat Kuhn. „In der Schliemannstraße ist nach Prüfung des Sachverhalts ein behördliches Einschreiten jedoch nicht erforderlich.“
Gegen die optische Entstellung lässt sich etwas machen, wenn ein Haus in einem städtebaulichen Erhaltungsgebiet liegt. In der Satzung für das Gebiet Humannplatz heißt es beispielsweise: „Veränderungen in der Erdgeschosszone müssen der Typik des Gebäudes entsprechen.“ In krassen Fällen kann auch das überall geltende Verunstaltungsverbot der Berliner Bauordnung angewendet werden.
Jens Sethmann
Automaten-Wildwuchs mit Wildwest-Gebühren
Es gibt keine Übersicht, wie viele Geldautomaten in den Straßen Berlins stehen. Jedes Unternehmen, das eine Erlaubnis der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht besitzt, kann so viele Automaten aufstellen, wie es ihm gefällt. Die Aufsteller zahlen den Hauseigentümern eine monatliche Miete, die in Spitzenlagen sogar vierstellig sein kann. Sie bevorzugen vor allem touristische Gegenden und Szenekieze, denn das Angebot zielt deutlich auf Touristen ab. Das Geldabheben kostet hier meist 4,99 Euro, stellenweise aber auch 7,99 Euro. „Euronet“ steht außerdem in der Kritik, neben den hohen Gebühren mit sehr schlechten Wechselkursen zu arbeiten. Die Stadt Amsterdam genehmigt deshalb seit Januar 2019 keine neuen „Euronet“-Automaten mehr.
js
28.05.2020