Leitsatz:
Im Falle einer Mietermehrheit kann zwar ein Mieter allein Rückzahlung zu viel gezahlter Miete und Auskunftserteilung verlangen. Er ist insoweit jedoch nur als Mitgläubiger berechtigt und kann daher nur Zahlung beziehungsweise Auskunftserteilung an alle Mieter verlangen. Dieses eigene Forderungsrecht kann der Mieter ohne Mitwirkung der Mitmieter wirksam abtreten.
BGH vom 27.5.2020 – VIII ZR 45/19 –
Langfassung: www.bundesgerichtshof.de [PDF, 64 Seiten]
Anmerkungen des Berliner Mietervereins
Von zwei Mietern hatte nur einer ein Inkassounternehmen beauftragt, einen Verstoß gegen die Mietpreisbremse zu rügen und überzahlte Miete zurückzufordern. Die Rückzahlungsansprüche trat der Mieter – ohne seinen Mitmieter einzubeziehen – an das Unternehmen ab. Das Unternehmen rügte gegenüber dem Vermieter die gegen die Mietpreisbremse verstoßende Miete, verlangte vom Vermieter Auskunft über die Vormiete und Rückerstattung überzahlter Miete.
Der BGH entschied wie aus dem Leitsatz ersichtlich.
Der Umstand, dass nur ein Mieter und nicht auch der Mitmieter die Abtretung erklärt habe, führe nicht dazu, dass die Abtretung unwirksam wäre. Daraus folge aber, dass der Mieter (beziehungsweise hier das Inkassounternehmen) Ansprüche auf Rückzahlung zu viel entrichteter Miete und auf Auskunftserteilung nur in Mitgläubigerschaft (§ 432 BGB) und nicht als Gesamtgläubiger nach § 428 BGB verfolgen könne.
Im Falle der Mitgläubigerschaft nach § 432 BGB habe jeder Gläubiger ein eigenes Forderungsrecht gegen den Schuldner mit der Folge, dass er seine Rechtsposition selbstständig und ohne Mitwirkung der weiteren Gläubiger abtreten könne. Diesen Anspruch als Mitgläubiger, der darauf gerichtet sei, Leistung (in Form von Rückzahlung zu viel gezahlter Miete und auf Auskunftserteilung) an alle Mieter gemeinsam zu fordern, habe der Mieter an das Unternehmen abgetreten.
Mieteten mehrere Personen eine Wohnung an, hafteten sie zwar, sofern nicht etwas anderes vereinbart worden sei, für die Mietforderungen des Vermieters einschließlich der Nebenkosten gemäß §§ 421, 427 BGB als Gesamtschuldner. Daraus folge aber nicht, dass im Falle der bereicherungsrechtlichen Rückabwicklung gezahlter Mieten die Mieter nun Gesamtgläubiger im Sinne von § 428 BGB würden, sofern nicht sogar nur einer von ihnen allein forderungsberechtigt wäre, weil die erbrachte Leistung im Innenverhältnis ihm allein zuzuordnen wäre. Denn das Gesetz ordne zwar für die Zahlungspflichten des Mieters im Zweifel eine Gesamtschuld an (§ 427 BGB); es bestehe aber im Falle einer Rückabforderung keine entsprechende Regelung dahin, dass die früheren Gesamtschuldner im Zweifel nun Gesamtgläubiger nach § 428 BGB werden. Vielmehr sei die Mitgläubigerschaft nach § 432 BGB die Regel, während die Gesamtgläubigerschaft die Ausnahme bilde.
So habe der BGH etwa einen Mieter, der nach Zugang einer Abrechnung die Auszahlung eines Nebenkostenguthabens verlangt habe, als Mitgläubiger nach § 432 BGB angesehen und ihn für verpflichtet gehalten, Auszahlung an alle Mieter zu verlangen, da diese in ihrer Gesamtheit die Überzahlung erbracht hätten (BGH vom 28.4.2010 – VIII ZR 263/09). Für den hier vorliegenden Fall der bereicherungsrechtlichen Rückforderung zu viel entrichteter Miete gelte nichts anderes.
Folglich könne das Inkassounternehmen Rückzahlung zu viel gezahlter Miete nur als Mitgläubigerin mit dem weiteren Mieter fordern. Entsprechendes gelte für das Auskunftsverlangen. Bei dem Auskunftsanspruch nach § 556 g Abs. 3 BGB handele es sich um einen Hilfsanspruch des Mieters, der zur Verwirklichung der auf Geldzahlung gerichteten Ansprüche diesen zwingend vorgeschaltet sei. Aus diesem Grunde könne er – ebenso wie der Rückforderungsanspruch nach § 556 g Abs. 1 Satz 3 BGB – im Falle einer Mietermehrheit von jedem Mieter nur als Leistung an alle (§ 432 BGB) eingefordert werden.
27.07.2020