Immer mehr Freiflächen werden mit hochpreisigen Neubauten zubetoniert, findet die Stadtteilinitiative „Wem gehört Kreuzberg“. Am 30. August hat sie mit Interessierten eine Fahrradtour zu den kritisierten Projekten unternommen.
Etwa 30 Teilnehmer waren zu der Veranstaltung im Rahmen der Kreuzberger Kiezwoche gekommen. Start war an der Bockbrauerei zwischen Fidicin- und Schwiebusser Straße. Hier, auf dem Gelände einer der ältesten Brauereien Berlins, sollen rund 300 Wohnungen entstehen, 250 davon im Luxussegment. „Hier wird ein lebendiger Kultur- und Gewerbestandort zerstört“, sagte die Vertreterin einer Bürgerinitiative. Die meisten der 23 Kleinbetriebe auf dem Areal müssen weichen, darunter eine Trommelschule und das Theater Thikwa, in dem Künstler mit und ohne Behinderung gemeinsam Theater spielen. Immerhin konnte die Initiative erkämpfen, dass die Keller, wo im Zweiten Weltkrieg Zwangsarbeiter schufteten, unter Denkmalschutz gestellt wurden. Die Tiefgarage muss nun umgeplant werden.
Weiter ging es per Rad vorbei am Alten Lokdepot („Roter Riegel“), wo die Eigentumswohnungen bei der Fertigstellung vor acht Jahren für vergleichsweise günstige 4000 Euro pro Quadratmeter zu haben waren. Besonders viele Neubauprojekte, hauptsächlich im Eigentumsbereich, entstehen rund ums Gleisdreieck. Die Privatisierung der Bahn- und Postareale hat es möglich gemacht.
Gegen das geplante Quartier „Urbane Neue Mitte“ wehrt sich derzeit eine Anwohnerinitiative. In sechs Hochhäusern sollen neben einem Hotel fast ausschließlich Büros entstehen, ebenso wie im gegenüberliegenden ehemaligen Postscheckamt. Dabei, so die Kritik, würden in Zukunft wegen des Trends zum Home Office viel weniger Büroflächen benötigt. Letzter Stopp der Radtour war das Dragonerareal hinter dem Rathaus Kreuzberg. Auch hier regt sich Widerstand gegen die Bebauung. Das Areal mit dem wertvollen alten Baumbestand müsse als Naturerlebnisfläche erhalten bleiben, fordern Aktivisten.
Stellt sich die Frage, wo die dringend benötigten Wohnungen gebaut werden sollen. Immerhin gehört das Grundstück Rathausblock der öffentlichen Hand, die hier rund 500 bezahlbare Wohnungen bauen will. „Ferienwohnungen verbieten, Leerstand konsequent ahnden und bereits bestehende Gebäude, wie etwa das Postscheckamt, zu Wohnraum umnutzen“ lautet die Antwort der Stadtteilinitiative „Wem gehört Kreuzberg.“ Es sei zudem ein Skandal, dass immer mehr Wohnungen aus der Sozialbindung fallen, wie etwa im Fanny-Hensel-Kiez.
Birgit Leiß
www.wem-gehoert-kreuzberg.de
22.09.2020