Leitsätze:
1. Die Miete ist um 100 % gemindert, wenn Decken, Wände und Fußböden der Wohnung ständig – bei jedem Regen – erneuten Wassereintritten ausgesetzt sind.
2. Die Frage eines Mangels beziehungsweise des Ausmaßes der durch einen Mangel hervorgerufenen Wohnwertbeeinträchtigung ist objektiv zu bestimmen und nicht danach, wie hartgesotten ein einzelner Mieter darin sein mag, widrige Umstände in seiner Wohnung zu ertragen.
AG Tempelhof-Kreuzberg vom 2.5.2019 – 16 C 289/18 –
Mitgeteilt von RAin Ines Janning
Urteilstext
Tatbestand
Zwischen den Klägern als Mietern und der Beklagten als Vermieterin besteht ein Mietverhältnis über die im Tenor genannte Wohnung. Ende Juli 2017 bildete sich ein Wasserfleck an der Küchendecke, über den die Kläger die Beklagte über ihre Hausverwaltung informierten. Im September 2017 begann es nach Regenfällen an verschiedenen Stellen der Wohnung von der Decke zu tropfen. Ende Oktober 2017 wurde als Ursache für den Wassereintritt ein abgelöstes Hauptwasserrohr ermittelt, durch das permanent Wasser durch das Mauerwerk floss und immer weitere erhebliche Schäden anrichtete. Ab dem 10.10.2017 lief bei jedem Regen Wasser durch die Decke der Wohnung, so dass die Kläger Eimer aufstellen mussten, um den Fußboden zu schützen. Ab dem 21.10.2017 bildete sich an verschiedenen Stellen der Wohnung Schimmel. Die Decken, Wände und Fußböden der gesamten Wohnung sind bis auf ein Zimmer durch den Wassereintritt durchnässt und weit überwiegend von Schimmel befallen. Alle Möbel und übrigen Gegenstände wurden von den Klägern in dem einzig verbliebenen trockenen Raum untergebracht.
Die monatliche Bruttomiete betrug in dem hier relevanten Zeitraum 1.032,05 €. Die Kläger zahlten die Miete ab Oktober 2017 unter dem Vorbehalt der Rückforderung. Im Zeitraum von Oktober 2017 bis März 2018 zahlten die Kläger insgesamt 5.624,30 €:
Okt 17 980,08 €
Nov17 1.032,05 €
Dez 17 1.032,05 €
Jan 18 1.032,05 €
Feb 18 1.032,05 €
Mrz 18 516,02 €
Summe 5.624,30 €
ln der Folgezeit kamen die Parteien überein, dass die Kläger für die Zeit der Sanierungsarbeiten in eine Ersatzwohnung im 1. OG links des gleichen Objektes umziehen sollten. Die Hausverwaltung der Beklagten fasste die besprochenen Punkte in einem Schreiben vom 20.12.2017 zusammen und gab in diesem Schreiben an, dass die Kläger für die Ersatzwohnung Miete „ab Umzug“ zahlen sollten. Aus Umständen, die zwischen den Parteien umstritten sind, bezogen die Kläger die Ersatzwohnung erst Mitte März 2018. Ende Juli 2018 zogen die Kläger in ihre alte Wohnung zurück, ohne dass in der Zwischenzeit dort Sanierungsarbeiten durchgeführt wurden.
Die Kläger begehren mit ihrer Klage Rückzahlung der im Zeitraum von Oktober 2017 bis März 2018 gezahlten Mieten, eine Instandsetzung der in der Wohnung vorhandenen Mängel sowie die Feststellung, dass die Bruttowarmmiete ab Ende Juli 2018 (vom 28.07.2018) bis zur vollständigen Beseitigung der Mängel um 100 % gemindert ist.
Die Kläger sind der Ansicht, dass die Miete um 100% gemindert sei, da die Wohnung aufgrund der Feuchtigkeits- und Schimmelschäden unbewohnbar sei. Sie behaupten, dass sie Ende Juli 2018 nur deshalb in ihre alte Wohnung zurückgekehrt seien, weil sie befürchtet hätten, dass die Beklagte ihnen den Zugang zu dieser Wohnung verwehren würde, nachdem diese mit einem Schreiben vom 06.07.2018 mitgeteilt habe, dass keine Erlaubnis zur Nutzung der Räume im 3. OG als Wohnung vorliege.
Die Kläger beantragen,
I. die Beklagte zu verurteilen, an die Kläger 5.624,30 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 11.10.2018 zu zahlen.
II. die Beklagte zu verurteilen, die Wohnung S.- Straße xxx, Vorderhaus, 3. OG rechts, 1xxxx Berlin dergestalt instand zu setzen, dass folgende Mängel nicht mehr vorliegen:
1. Im Eingangsflur (Raum 1; alle Raumnummern gemäß Anlage) sind die Decke und alle Wände durchfeuchtet und weisen großflächig Schimmelpilzbefall auf.
2. Im vom Eingangsflur zu erreichenden Zimmer (Zimmer 2) sind die Decke und die Wände durchfeuchtet und weisen großflächig Schimmelpilzbefall auf.
3. Die Decke der Wohnküche (Raum 3) ist oberhalb der Fensterwand sowie oberhalb der Trennwand zum Flur (Raum 1) und Raum 2 sowie im Bereich von der Fensterwand bis ca. zur Hälfte der Trennwand zu Raum 4 durchfeuchtet und weist großflächig Schimmelpilzbefall auf.
4. Die Wände der Wohnküche (Raum 3) weisen oberhalb des Fensters sowie im oberen Wandbereich neben dem Fenster sowie im jeweils oberen Bereich der Türwände und neben der Tür zum Flur (Raum 1) bis fast hinab zum Boden Feuchtigkeitsschäden und Schimmelpilzbefall auf.
5. Die Decke des Raums 4 weist in der Zimmerecke, in der sich die Tür zur Wohnküche befindet, großflächig Feuchtigkeitsschäden und Schimmelpilzbefall auf.
6. Die Wände in Raum 4 weisen oberhalb sowie rechts und links neben der Tür zur Küche sowie an derselben Wand im Sockelbereich und an der Wand neben dem Fenster in der oberen Ecke Feuchtigkeitsschäden und Schimmelpilzbefall auf.
7. Die Decke in Raum 5 weist im Bereich der Trennwand zu Raum 2 und der Außenwand sowie in dem Bereich rechts über dem Fenster Feuchtigkeitsschäden und Schimmelpilzbefall auf.
III. festzustellen, dass die Bruttowarmmiete für die im Antrag zu lI. genauer bezeichnete Wohnung in der Zeit vom 28.07.2018 bis zur vollständigen Beseitigung der im Antrag zu II. genauer beschriebenen Mängel um 100% gemindert ist.
Die Beklagte hat den Klageantrag zu Ziff. II. anerkannt und beantragt, die Klage im Übrigen abzuweisen.
Die Beklagte behauptet, dass die Wohnung nicht unbewohnbar gewesen sei. Dies ergebe sich bereits daraus, dass die Kläger bis Anfang März 2018 noch in der Wohnung gewohnt hätten und Ende Juli 2018 ohne Absprache mit der Beklagten wieder in die Wohnung zurückgekehrt seien. Daher meint die Beklagte, dass maximal eine Minderung von 50 % der Bruttomiete angemessen sei. Der Beklagten stehe aber ein Gegenanspruch auf Zahlung der Miete für die Ersatzwohnung für den Zeitraum von Januar 2018 bis März 2018 in Höhe von 2.278,02 € zu, mit dem die Beklagte die Aufrechnung erklärt. Die Beklagte behauptet, dass die Kläger die Ersatzwohnung spätestens ab dem 20.12.2017 hätten beziehen können, da sie an diesem Tag die Schlüssel für die Wohnung erhalten hätten. Es treffe auch nicht zu, dass die Ersatzwohnung ihrerseits aufgrund eines Wasserschadens bis März 2018 unbewohnbar gewesen sei. Im Übrigen blockierten die Kläger die Durchführung der Mängelbeseitigungsarbeiten in der alten Wohnung.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist begründet.
I. Die Kläger haben einen Anspruch auf Rückzahlung der im Zeitraum von Oktober 2017 bis März 2018 gezahlten Miete in Höhe von insgesamt 5.624,30 € gemäß § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 GB. Die Kläger haben die Miete in diesem Zeitraum rechtsgrundlos geleistet, da die Miete im Hinblick auf die in der Wohnung vorhandenen Mängel gem. § 536 BGB um 100 % gemindert war.
Die Feuchtigkeits- und Schimmelschäden haben ein solches Ausmaß, dass nicht erkannt werden kann, dass die Wohnung noch einen Wohnwert aufweist. Große Teile der Decken-, Wand und Fußbodenflächen der Räume 1 bis 5 sind durchfeuchtet und verschimmelt. Durch Schimmel können erhebliche „unsichtbare“ Gesundheitsgefahren für die Bewohner entstehen (Schmidt-Futterer/Eisenschmid, 13. Aufl. 2017, BGB § 536 Rn. 226), weshalb in der Rechtsprechung anerkannt ist, dass Feuchtigkeitsschäden bzw. deren Folgen zur völligen Aufhebung der Gebrauchstauglichkeit führen und damit eine Minderung bis zu 100 % rechtfertigen können (LG Berlin, Urteil vom 20. Januar 2009 -65 S 345/07 -, Rn. 20, juris; LG Berlin, Urteil vom 19. Dezember 1988 -61 S 211/87-, juris; AG Charlottenburg, Urteil vom 09. Juli 2007 – 203 C 607/06 -, ju ris). Darüber hinaus ist naheliegend davon auszugehen, dass die ständige Durchfeuchtung der Wohnung zu einem muffigen Geruch führt und sich die Wohnung auch nicht mehr uneingeschränkt zur Aufbewahrung von Hausrat eignet, da dieser durch die Feuchtigkeit Schaden erleiden kann.
Dies gilt auch angesichts des Umstands, dass der Raum 6 nicht von Schimmel oder Feuchtigkeit betroffen ist. Dieser Raum ist gleichwohl nicht nutzbar, weil er mit dem Hausrat der übrigen Wohnung vollgestellt ist. Anders als bei einem einmaligen Wassereintritt kann hier auch nicht davon ausgegangen werden, dass die Wohnung über einen bestimmten Zeitraum hinweg abgetrocknet ist und daher wieder – wenn auch mit Einschränkungen – bewohnbar sein könnte. Die Kläger haben unwidersprochen dargelegt, dass Decken, Wände und Fußböden ständig – bei jedem Regen -erneuten Wassereintritten ausgesetzt sind. Zuletzt ist es am 23.01.2019 zu einem weiteren Wasserschaden gekommen, da aus einem Riss in der Hauptwasserleitung große Mengen Wasser durch die Rückwand des Badezimmers in die streitgegenständliche Wohnung gelaufen sind. Dadurch ist auch der – bislang nicht betroffene – Raum 6 in Mitleidenschaft gezogen worden.
Der Annahme einer Unbewohnbarkeit der Wohnung kann auch nicht mit Erfolg entgegengehalten werden, dass die Kläger die Ausweichwohnung nicht schon im Dezember 2017, sondern erst im März 2018 bezogen haben und dass die Kläger Ende Juli 2018 wieder in ihre Wohnung zurückgezogen sind. Die Frage eines Mangels bzw. des Ausmaßes der durch einen Mangel hervorgerufenen Wohnwertbeeinträchtigung ist nämlich objektiv zu bestimmen und nicht danach, wie hartgesotten ein einzelner Mieter darin sein mag, widrige Umstände in seiner Wohnung zu ertragen.
Der Anspruch der Kläger scheitert auch nicht an § 814 BGB, da die Kläger die Miete ab Oktober 2017 unter Vorbehalt gezahlt haben.
Der Anspruch der Kläger ist nicht durch die von der Beklagten erklärte Aufrechnung gemäß § 389 BGB erloschen. Der Beklagten steht eine Gegenforderung auf Zahlung von Miete für die Ersatzwohnung im Zeitraum von Januar bis März 2018 nicht zu. Die Parteien haben – wie sich dem Schreiben der Hausverwaltung vom 20.12.2017 entnehmen lässt – vereinbart, dass die Miete für die Ersatzwohnung erst ab dem Umzug in diese geschuldet sein sollte. Der Umzug der Kläger ist aber unstreitig erst Mitte März 2018 erfolgt und ab diesem Zeitpunkt haben die Kläger auch die Miete für die Ersatzwohnung gezahlt. Auf die Frage, ob die Kläger die Wohnung auch früher hätten beziehen können, kommt es daher nach dem Wortlaut der Vereinbarung nicht an.
Es kann auch nicht erkannt werden, dass die Kläger den Eintritt dieser Bedingung gemäß § 162 Abs. 1 BGB treuwidrig verhindert hätten. Insoweit kann dahinstehen, ob sich der Umzug wegen Mängeln in der Ersatzwohnung verzögerte oder weil der Umzug ständig wegen terminlicher Probleme der Kläger verschoben werden musste. Selbst wenn letzteres der Fall gewesen sein sollte, läge hierin keine treuwidrige Vereitelung des Umzugs, da ein Umzug mit genügend zeitlichem Vorlauf geplant und koordiniert werden muss. Dass die aufgrund beruflicher Verpflichtungen bestehenden terminlichen Probleme der Kläger lediglich vorgeschoben gewesen sein könnten, behauptet auch die Beklagte nicht.
Der Zinsanspruch folgt aus § 291 BGB.
II. Von einer Begründung des Tenors zu Ziff. II. wird gemäß § 313b Abs. 1 Satz 1 ZPO abgesehen.
III. Der Feststellungsantrag der Kläger ist ebenfalls begründet. Insoweit kann zunächst auf die obigen Ausführungen Bezug genommen werden. Der Minderung steht auch nicht entgegen, dass die Kläger eine Instandsetzung der Wohnung verweigert hätten. Eine Verweigerung der Instandsetzung kann nicht bereits darin gesehen werden, dass die Kläger im Juli 2018 bereits in ihre Wohnung zurückgezogen sind. Eine Verweigerung der Instandsetzung setzt zumindest voraus, dass der Mieter die Instandsetzung überhaupt dulden muss. Für eine Duldung ist wiederum Voraussetzung, dass der Vermieter die Instandsetzungsmaßnahmen gemäß § 555 a Abs. 2 rechtzeitig und konkret angekündigt hat. Dies ist hier jedoch nicht ansatzweise ersichtlich.
IV. Die Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 91, 709 ZPO.
21.09.2020