In der Schöneicher Straße 18 in Alt-Hohenschönhausen wurden neun Mietparteien aufgefordert, ihre Wohnungen zu verlassen. Es sei wenig wahrscheinlich, dass sie nach den geplanten Grundrissveränderungen wieder zurück können. Der Vermieter ist kein Immobilienhai, sondern die städtische Wohnungsbaugesellschaft Gewobag.
Christian Greiner war fassungslos, als er das Schreiben in den Händen hielt. Die Familie mit zwei Kindern müsse unverzüglich ausziehen, weil Gefahr für Leib und Leben bestünde. Ein Rückzug nach Beseitigung der brandschutztechnischen Mängel sei nicht möglich, da die Grundrisse der Wohnungen in den oberen Etagen verändert werden müssten. Maxi Eggert, glückliche Mieterin einer rund 100 Quadratmeter großen Dachgeschosswohnung, war geschockt. Beide Familien betonen, sie wären selbstverständlich bereit, für die Dauer der Sanierung in eine Zwischenumsetzwohnung zu ziehen: „Aber wieso entstehen neue Grundrisse und wieso dürfen wir nicht wieder zurück?“ Eine Frage, die man sich auch beim Berliner Mieterverein (BMV) stellt.
Zum Hintergrund: Das Dachgeschoss wurde vom Voreigentümer 1995 saniert. Nun hat das Wohnungsunternehmen Gewobag, das seit 2013 Eigentümer ist, plötzlich entdeckt, dass es keinen zweiten Rettungsweg gibt.
Eine Ausnahmeregelung hat die Feuerwehr nach Auskunft der Gewobag abgelehnt. Außerdem würden wichtige Gebäudeteile nicht die notwendigen brandschutztechnischen Anforderungen erfüllen, erklärt eine Sprecherin des Unternehmens. Ein Nachweis, etwa ein Gutachten, wurde jedoch bislang nicht vorgelegt. „Es muss beim damaligen Ausbau eine Baugenehmigung und eine Abnahme gegeben haben, das ist schließlich kein Schwarzbau“, wundert sich Stefanie Immelmann, Rechtsberaterin beim Berliner Mieterverein. Somit müsste ein Bestandsschutz gelten. Eine Nutzungsuntersagung vom Bezirksamt liegt bis dato ebenfalls nicht vor. „Die Mieter haben gültige Mietverträge, es gibt keinen Kündigungsgrund“, betont Immelmann.
Auf die Frage, ob durch eine Zusammenlegung mit der unteren Etage Maisonettewohnungen entstehen sollen – damit wäre eine elegante Lösung für den fehlenden Rettungsweg gefunden – geht die Gewobag nicht ein. „Sollten die Wohnungen erhalten bleiben oder ein veränderter Grundriss für die derzeitigen Mieter interessant sein, werden wir sie auch den heutigen Mietern zur Anmietung anbieten“, so Sprecherin Monique Leistner.
Birgit Leiß
27.11.2020