Leitsatz:
Wird dem Untermieter, der nach Beendigung des Hauptmietverhältnisses über eine Wohnung und Räumung durch den Hauptmieter die untergemieteten Wohnräume an den Eigentümer nicht herausgibt, eine gerichtliche Räumungsfrist gewährt, kann der Eigentümer von ihm nach den Vorschriften des Eigentümer-Besitzer-Verhältnisses Schadensersatz jedenfalls in Höhe der von dem Hauptmieter bei Nichträumung geschuldeten Nutzungsentschädigung für die ganze Wohnung verlangen.
BGH vom 11.12.2020 – V ZR 26/20 –
Langfassung: www.bundesgerichtshof.de [PDF, 11 Seiten]
Anmerkungen des Berliner Mietervereins
Der Vermieter vermietete eine 106,55 Quadratmeter große Wohnung an einen Hauptmieter, der eine 7 Quadratmeter große Kammer dieser Wohnung an einen Untermieter untervermietete. Das Hauptmietverhältnis endete nach dem Tod des Hauptmieters Ende November 2014. Mit Schreiben vom 29.12.2014 forderte der Vermieter den Untermieter erfolglos zur Herausgabe der Wohnung auf. Mitte 2016 wurde der Untermieter rechtskräftig zur Räumung verurteilt und ihm eine Räumungsfrist gemäß § 721 ZPO bis zum 30.9.2016 gewährt.
Der Vermieter verlangte von dem Untermieter nach dessen Zwangsräumung im Oktober 2016 die Zahlung einer Nutzungsentschädigung für die gesamte Wohnung in Höhe von insgesamt 2170 Euro, berechnet nach der – unstreitigen – ortsüblichen Vergleichsmiete.
Die beiden Vorinstanzen bejahten einen Zahlungsanspruch des Vermieters aus §§ 990, 280 Abs. 1 und 2, § 286 BGB. Der BGH hatte daran nichts auszusetzen.
Die Vorschriften der §§ 987 ff. BGB („Eigentümer-Besitzer-Verhältnis“) fänden auf den Besitzer, dessen ursprüngliches Besitzrecht entfallen sei, und damit auch auf den infolge des Wegfalls des Hauptmietvertrags nicht mehr zum Besitz berechtigten Untermieter Anwendung. Der zur Herausgabe verpflichtete Besitzer hafte im Fall des Verzugs gemäß § 990 Abs. 2 BGB i.V.m. § 280 Abs. 1 und 2, § 286 BGB (auch) auf Ersatz des durch die Verzögerung der Herausgabe entstehenden Schadens, wenn er bei Erwerb des Besitzes bösgläubig war oder von dem Mangel im Besitzrecht später erfahren habe. Die zweite Voraussetzung liege hier vor.
Die Erlaubnis zur Untervermietung gemäß § 540 BGB gebe dem Untermieter ein von dem Hauptmieter abgeleitetes Besitzrecht gemäß § 986 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BGB. Dieses entfalle mit der Beendigung des Hauptmietverhältnisses.
Für den Anspruch nach § 990 Abs. 2, § 286 BGB sei unerheblich, ob der Untermieter die gesamte Wohnung oder nur die an ihn untervermietete Kammer in Besitz hatte. Darauf komme es für den Schadensersatzanspruch nach § 990 Abs. 2 BGB – anders als bei der Herausgabe von Nutzungen (§§ 987, 990 Abs. 1 BGB) – nicht an. Gebe ein unmittelbarer Besitzer eines Raums einer Wohnung diesen nicht heraus und sei es dem Eigentümer nicht zumutbar, nur Teile der Wohnung zu vermieten, so setze der unmittelbare Besitzer des Raums die Ursache dafür, dass die gesamte Wohnung nicht vermietet werden könne und daher ein entsprechender Mietausfallschaden entstehe. So sei es auch hier, weil davon auszugehen sei, dass der Vermieter die Wohnung im Regelfall nur als Einheit weitervermieten kann und Anhaltspunkte dafür, dass es ihm ausnahmsweise möglich und zumutbar war, die Wohnung in Teilen zurückzunehmen und zum Teil weiterzuvermieten, nicht bestünden.
Der Schadensersatzanspruch sei auch nicht nach § 571 Abs. 2 BGB ausgeschlossen.
Nach § 571 Abs. 2 BGB sei ein Mieter, dem nach § 721 oder § 794 a ZPO eine Räumungsfrist gewährt wird, für die Zeit von der Beendigung des Mietverhältnisses bis zum Ablauf der Räumungsfrist zum Ersatz eines weiteren Schadens nicht verpflichtet. Die Norm beschränke die Ansprüche des Vermieters auf die ihm nach § 546 a Abs. 1 BGB für die Zeit der Vorenthaltung zustehende Nutzungsentschädigung und befreie den Mieter von einer Haftung für weitere durch die Ausnutzung der gerichtlichen Räumungsfrist entstehende Schäden; insbesondere für einen dem Vermieter in Folge des Verzuges mit der Wohnungsherausgabe entstehenden Schaden habe der Mieter für den Zeitraum der ihm vom Gericht gewährten Räumungsfrist nach § 721 oder § 794 a ZPO nicht einzustehen.
Unmittelbar anwendbar sei § 571 Abs. 2 BGB hier schon deshalb nicht, weil der Beklagte nur Untermieter gewesen sei. Die Vorschrift des § 571 Abs. 2 BGB gelte unmittelbar nämlich nur im Verhältnis zwischen Eigentümer und Mieter, da sie systematisch an die Regelung des § 546 a BGB anknüpfe und wie diese das Bestehen eines (beendeten) Mietverhältnisses voraussetze. Daran fehle es im Verhältnis zwischen Eigentümer und Untermieter.
Eine Begrenzung des Anspruchs auf die Nutzungsentschädigung für die von dem Untermieter genutzte Kammer lasse sich auch nicht aus einer analogen Anwendung von § 571 Abs. 2 BGB herleiten.
Der Zweck des § 571 Abs. 2 BGB spreche zwar für eine analoge Anwendung der Vorschrift auf den Untermieter von Wohnraum, dem eine Räumungsfrist gewährt worden ist. Er sei darin zu sehen, dass der Wohnraummieter sich nicht aus Sorge vor Schadensersatzansprüchen des Vermieters davon abhalten lassen soll, eine Räumungsfrist zu beantragen und zu nutzen. Daher begrenze § 571 Abs. 2 BGB die Haftung des Mieters, dem eine Räumungsfrist gewährt worden ist, auf die vereinbarte beziehungsweise ortsübliche Miete (vgl. § 546 Abs. 1 BGB); für weitere Schäden (vgl. § 546 Abs. 2 BGB) hafte er dagegen nicht. Der Untermieter von Wohnraum, dem eine Räumungsfrist nach § 721 oder § 794 a ZPO gewährt worden sei, befinde sich in einer vergleichbaren Situation. Müsste er bei Ausnutzung der Räumungsfrist unbegrenzte Schadensersatzansprüche des Eigentümers wegen Verzuges (§ 990 Abs. 2 BGB) gewärtigen, hätte dies entweder zur Folge, dass er, obwohl darauf angewiesen, keinen Räumungsschutz in Anspruch nähme, oder dass er nach Nutzung der Räumungsfrist unter Umständen erheblichen Schadensersatzansprüchen des Eigentümers ausgesetzt sei. Beides solle durch die Regelung des § 571 Abs. 2 BGB bei einem (früheren) Mieter verhindert werden.
Für den Vermieter wäre es jedoch unzumutbar, wenn die dem in der Wohnung verbliebenen Untermieter gewährte Räumungsfrist dazu führte, dass er trotz Vorenthaltung der gesamten Wohnung eine Nutzungsentschädigung nur in Höhe des Untermietzinses beziehungsweise der ortsüblichen Miete für die untervermieteten Teile der Wohnung erhielte. Er stünde dann schlechter als im Verhältnis zum Hauptmieter, der nach § 546 a Abs. 1 BGB während der Räumungsfrist die Nutzungsentschädigung in voller Höhe schulde.
Ein solches Ergebnis ließe sich nicht mit dem Schutzzweck des § 571 Abs. 2 BGB rechtfertigen. Die Vorschrift schütze zwar das Interesse des Mieters, eine ihm gewährte Räumungsfrist zu nutzen; das Gesetz bringe es aber in einen Ausgleich mit den Interessen des Vermieters an der baldigen Rückerlangung der Wohnung nach Ende des Mietverhältnisses, indem § 546 a Abs. 1 BGB dem Vermieter einen Anspruch auf eine Nutzungsentschädigung in Höhe der vereinbarten beziehungsweise ortsüblichen Miete für diesen Zeitraum zuerkenne. Ein solcher Anspruch müsse dem Vermieter auch dann verbleiben, wenn § 571 Abs. 2 BGB analog auf einen Untermieter anzuwenden sein sollte; denn der Untermieter stehe dem Vermieter schon mangels vertraglicher Beziehungen ferner als der Hauptmieter.
Dass der Untermieter den ihm gewährten Räumungsschutz nur um den Preis einer Nutzungsentschädigung für die ganze Wohnung in Anspruch nehmen könne, sei dagegen hinzunehmen. Darin setze sich lediglich fort, dass der Untermieter zu keiner Zeit in einem vertraglichen Verhältnis zu dem Eigentümer stand, sondern sein Besitzrecht von dem Hauptmieter ableitete. Soweit die mietrechtliche Vorschrift des § 571 Abs. 2 BGB überhaupt geeignet sei, Rechte des Eigentümers im Verhältnis zum Untermieter einzuschränken, könne eine solche Beschränkung nicht über das hinausgehen, was zwischen den (ursprünglichen) Hauptmietparteien gelten würde.
27.03.2021