Turnusgemäß hat der Berliner Senat nach zwei Jahren einen neuen Mietspiegel veröffentlicht. Mit dem Mietendeckel hätte er keine allzu große Bedeutung gehabt. Mit dem Aus der landesrechtlichen Mietenbegrenzung ist der Mietspiegel 2021 wieder so wichtig wie eh und je. Durch die Fortschreibung auf Grundlage der Lebenshaltungskosten verspricht der neue Mietspiegel deutlich geringere Mieterhöhungen als in den Vorjahren.
„Das Land nutzt durch die Veröffentlichung eines qualifizierten Mietspiegels konsequent den im Bundesrecht bestehenden Spielraum, um Mieterhöhungsmöglichkeiten zu begrenzen“, erklärt Sebastian Scheel (Linke), Berlins Senator für Stadtentwicklung und Wohnen. Der Mietspiegel gibt die ortsübliche Vergleichsmiete an, die bei Mieterhöhungen nicht überschritten werden darf. Bei Neuvermietungen darf – von diversen Ausnahmen abgesehen – die ortsübliche Vergleichsmiete höchstens um 10 Prozent überschritten werden. Bei der Berechnung muss für jede Wohnung die Wohnlage, das Baualter und die Ausstattung berücksichtigt werden.
Der Mietspiegel 2021 beruht nicht wie seine Vorgänger auf einer Datenerhebung. Bei seiner Erstellung galt noch der Mietendeckel, der einen Großteil der Berliner Mieten gesetzlich begrenzt hatte. Preisgebundene Mieten dürfen aber nicht in den Mietspiegel einfließen. Die wenigen nicht gedeckelten Mieten wären keine ausreichende Datenbasis für einen Mietspiegel gewesen. Deshalb ist der neue Mietspiegel eine Indexfortschreibung.
Der 1,1-Prozentsatz gilt für alle Mietspiegelwerte
Auf der Grundlage des vorherigen Mietspiegels 2019 wurden die Mietwerte hochgerechnet. Als Maßstab wurde die Steigerung der allgemeinen Verbraucherpreise herangezogen. Es ist gesetzlich vorgeschrieben, dass dazu der „Preisindex für die Lebenshaltung aller privaten Haushalte in Deutschland“ genutzt wird. Regionale Abweichungen oder etwa die Einkommensentwicklung dürfen nicht berücksichtigt werden.
Der Verbraucherpreisindex stieg vom Erhebungsstichtag des letzten Mietspiegels am 1. September 2018 bis zum Stichtag des neuen, dem 1. September 2020, um 1,1 Prozent. Dieser Prozentsatz wird allen Werten des alten Mietspiegels aufgeschlagen – sowohl den Mittelwerten als auch den unteren und oberen Spannenwerten sowie den abzuziehenden Beträgen für minderausgestattete Wohnungen. Die durchschnittliche Mietspiegelmiete stieg infolgedessen von 6,72 Euro im Jahr 2019 auf jetzt 6,79 Euro pro Quadratmeter nettokalt. Die Steigerung ist erheblich geringer als beim Mietspiegel 2019, der gegenüber 2017 ein Plus von 5,2 Prozent verzeichnete.
Die Indexfortschreibung ist eine rechtlich zulässige und übliche Methode. Da der Mietspiegel 2019 mit rund 11000 eingeflossenen Datensätzen qualitativ wie eine Neuerhebung war, erfüllt auch der fortgeschriebene Mietspiegel 2021 die Anforderungen für einen qualifizierten Mietspiegel. Für den nächsten Mietspiegel müssen aber zwingend wieder Daten erhoben werden.
Während der Berliner Mieterverein (BMV) und die anderen Mieterorganisationen den Mietspiegel mittragen, haben die Vermieterverbände BBU, BFW und Haus & Grund ihre Unterschriften verweigert. Dennoch wollen sie den Mietspiegel nutzen.
Auch die Deutsche Wohnen, die in den letzten Jahren mit zahlreichen Gerichtsverfahren versucht hat, die Rechtskraft des Berliner Mietspiegels zu untergraben, will künftig darauf verzichten, Mieterhöhungen mit Vergleichswohnungen zu begründen. „Wir haben uns zudem entschieden, im laufenden Jahr keine Mieterhöhungen umzusetzen“, sagt der Deutsche-Wohnen-Vorständler Lars Urbansky.
Deutsche Wohnen verzichtet vorerst auf Mieterhöhungen
Der BMV bleibt skeptisch. „Wir rechnen mit vielen Mieterhöhungen, bei denen die Mietspiegelwerte überschritten werden, und in deren Gefolge zahlreiche gerichtliche Auseinandersetzungen“, erklärt Geschäftsführer Reiner Wild.
Durch die Fortschreibung gilt der neue Mietspiegel nur für die schon im Mietspiegel 2019 einbezogenen Baujahre, also weiterhin nicht für Neubauwohnungen, die ab 2018 bezugsfertig geworden sind. An der Einstufung der Wohnlagen hat man nichts geändert. Die Wohnlagen sind für den Mietspiegel 2019 vollkommen neu festgelegt worden. Lediglich die seither neu entstandenen Adressen wurden eingefügt. Gleiches gilt für die Kennzeichnung besonders lärmbelasteter Straßen. Unverändert blieb auch die Orientierungshilfe zur Spanneneinordnung, die nicht zum qualifizierten Teil des Mietspiegels gehört. Wegen der fehlenden Datenerhebung konnte mit diesem Mietspiegel keine neue Betriebskostenübersicht veröffentlicht werden.
Jens Sethmann
BMV zur geplanten Mietspiegelreform: Ziel wird verfehlt
Die Bundesregierung will die Rechtssicherheit und Akzeptanz von Mietspiegeln stärken. Ihr Reformentwurf wird dem Anspruch aber nicht gerecht. „Stattdessen werden sogar neue Risiken eingeführt“, kritisiert Reiner Wild vom Berliner Mieterverein. Neben dem Mietspiegel sollen weiterhin auch Gutachten und Vergleichswohnungen als Begründungsmittel für Mieterhöhungen herangezogen werden können. Das bringt für Vermieter einen großen Vorteil und für Mieter ein hohes Prozesskostenrisiko. Bei der Mietspiegel-Erstellung sollen weiterhin nur Mieten berücksichtigt werden, die in den letzten sechs Jahren neu festgelegt oder geändert wurden. Ältere Mieten, die meist niedriger sind, bleiben außen vor – obwohl sie selbstverständlich auch ortsüblich sind. Außerdem sollen der Bundesregierung zufolge künftig „außergesetzliche Merkmale“ einbezogen werden können. Das würde zum Beispiel ermöglichen, dass städtische und genossenschaftliche Vermieter mit ihren eher niedrigen Mieten im Mietspiegel weniger berücksichtigt werden.
js
Mietspiegel und Abfrageservice der Senatsverwaltung:
www.stadtentwicklung.berlin.de/wohnen/mietspiegel/
E-Mail: mietspiegel@sensw.berlin.de
Tel. 030 90139-4777
Der Berliner Mietspiegel 2021 ist als Broschüre in der Geschäftsstelle und in den Beratungszentren des Berliner Mietervereins kostenlos erhältlich.
Weitere Informationen zum Mietspiegel mit Straßenverzeichnis zur Wohnlageneinordnung finden sich im Internet unter
www.berliner-mieterverein.de/mietrecht/berliner-mietspiegel-mietcheck.htm
Aktion Mietpreisüberprüfung des BMV zum neuen Mietspiegel unter
www.berliner-mieterverein.de/aktionen-und-buendnisse/aktion-mietpreisueberpruefung-mietpreisbremse-nutzen-bei-neuem-mietvertrag.htm
03.06.2021