Marode Wohnbestände und gewaltiger Investitionsbedarf: Schon bald nach dem Mauerfall rückten in Ost-Berlin die Bautrupps an. Aber der notwendige Stadtumbau sollte nicht zu Lasten der Mieter gehen. Deshalb fanden sich Mietervertreter aus Kreuzberg und Aktivisten aus Prenzlauer Berg zusammen. Ein Gespräch mit Ulrich Lautenschläger, Geschäftsführer der Mieterberatung Prenzlauer Berg.
MieterMagazin: Seit 30 Jahren gibt es die Mieterberatung Prenzlauer Berg. Warum wurde sie 1991 gegründet?
Lautenschläger: Aus einer Not heraus. Der Bezirk mit seinen vielen Gründerzeitbauten war – wie ja viele Quartiere im Ostteil der Stadt –heruntergekommen und dringend sanierungsbedürftig. Mit den Rückübertragungen von Immobilienvermögen an Alteigentümer und mit der Vergabe von öffentlichen Fördermitteln liefen dann auch an allen Ecken und Enden sehr schnell umfangreiche Baumaßnahmen an. Was Totalsanierung von Wohnhäusern für Mieter bedeutete, wussten die Mietervertreter aus West-Berlin nur zu gut. Zu denen habe ich damals auch gehört. Es mussten schnell Mieterberatungen aufgebaut und Unterstützungsangebote organisiert werden. Uns war vor allem aus der Praxis in Kreuzberg klar, wie das technisch und rechtlich zu bewerkstelligen ist. Aber die Lebensumstände in Prenzlauer Berg kannten wir nicht. Also haben wir uns zu Ost-West-Tandems zusammengefunden und gemeinsam losgelegt.
MieterMagazin: Was konnten Sie bewirken?
Lautenschläger: Damals ging es um das Thema Behutsame Stadterneuerung. Die Vorgehensweise sollte vom Westen auf den Osten übertragen werden. Das erklärte Ziel war, die Sanierungsarbeiten ohne Verdrängung der Mieter durchzuführen. Also bestand unsere Aufgabe nicht nur in der Beratung oder der Hilfe und Organisation von Umsetzungen während der Bauarbeiten, sondern auch in der Herstellung eines Einvernehmens zwischen Mietern und Vermietern. Zehn Jahre lang hat das durchaus funktioniert.
MieterMagazin: Dann wurden die öffentlichen Fördermittel gestrichen und am Wohnungsmarkt wehte ein anderer Wind …
Lautenschläger: „… sparen bis es quietscht“ – so lautete ja die Devise zu Beginn der 2000er Jahre. Saniert wurde weiter, aber jetzt ausschließlich mit privaten Krediten, die sich natürlich für die Vermieter refinanzieren sollten. Schon damals funktionierte das am effektivsten und lukrativsten über einen Verkauf von Eigentumswohnungen. Sanierung und Umwandlung wurden zum beherrschenden Wirtschaftsmodell auf dem Immobilienmarkt. Das haben wir nicht aufhalten können.
MieterMagazin: Mit welchen Problemen kommen heute die Mieter zu Ihnen?
Lautenschläger: Die größten Sorgen drehen sich um den Verkauf des Hauses und die Umwandlung in Eigentumswohnungen …
MieterMagazin: … die ja in Milieuschutzgebieten deutlich eingeschränkt ist.
Lautenschläger: Aber da gibt es bekanntlich ein Schlupfloch: Wenn der Vermieter sich verpflichtet, sieben Jahre lang nur an Mieter zu verkaufen, darf er umwandeln. Er muss es nur aussitzen …
Die Menschen haben Angst um ihre Wohnung
Grundsätzlich sind Milieuschutzgebiete wichtig, aber allein kein Instrument, um Vertreibung sicher zu verhindern. Dieser Verdrängungsdruck lastet ja längst auf der ganzen Stadt – und inzwischen kann man auch nicht mehr ausweichen. Was wir tagtäglich merken: Viele Menschen haben einfach nur Angst, ihre Wohnung zu verlieren.
MieterMagazin: Was müsste sich ändern?
Lautenschläger: Wir brauchen ein Mietenmoratorium und bezahlbaren Neubau. Dazu ein klares Konzept für die energetische, klimagerechte Sanierung, das die Kosten nicht bei den Mietern einpreist, wie es jetzt der Fall ist. Die müssen gerecht auf alle Schultern verteilt werden.
Rosemarie Mieder
Sanierungsberater auf Mieterseite
In drei Jahrzehnten ist die Mieterberatung Prenzlauer Berg GmbH zu einer unverzichtbaren sozialen Institution in der Stadt geworden. Heute informiert und berät sie nicht etwa nur in sozialen Erhaltungsgebieten (Milieuschutzgebieten) und in Sanierungsgebieten einzelner Bezirke, sondern vermittelt – bei Vorlage eines WBS-Scheins – dort auch öffentlich geförderte Wohnungen an jene, die von Sanierungen betroffen sind. Zurzeit baut das Team auch ein Büro für Bürgerbeteiligung in Reinickendorf auf.
rm
www.mieterberatungpb.de
22.09.2021