Leitsatz:
Maßgebend für die Ermittlung der ortsüblichen Vergleichsmiete ist der Zeitpunkt, zu dem das Erhöhungsverlangen dem Mieter zugeht und nicht der – hier vom Berufungsgericht zugrunde gelegte – Zeitpunkt, ab dem der Mieter die erhöhte Miete gegebenenfalls schuldet. Die nach § 558 Abs. 2 BGB aF maßgebliche Vierjahresfrist erstreckt sich demnach vom Zugang des Erhöhungsverlangens an vier Jahre zurück.
BGH vom 28.4.2021 – VIII ZR 22/20 –
BGH vom 26.5.2021 – VIII ZR 93/20 –
Langfassung:
www.bundesgerichtshof.de [BGH vom 28.4.2021 – VIII ZR 22/20 -, PDF, 25 Seiten]
www.bundesgerichtshof.de [BGH vom 26.5.2021 – VIII ZR 93/20 -, PDF, 34 Seiten]
Anmerkungen des Berliner Mietervereins
Mit Schreiben vom 20.7.2017 forderte die Vermieterin die Mieter auf, zum 1.10.2017 einer Erhöhung der Nettokaltmiete auf 8,10 Euro pro Quadratmeter zuzustimmen. Dies taten die Mieter nicht. Im Zustimmungsprozess holte das Landgericht ein Mietwertgutachten ein, um die ortsübliche Vergleichsmiete für die Wohnung bestimmen zu lassen. Aufgrund dieses Gutachtens gab das Landgericht der Klage des Vermieters statt.
Das Gutachten wies eine ortsübliche Vergleichsmiete von 8,28 Euro pro Quadratmeter aus. Hierfür hatte der Sachverständige 14 Vergleichswohnungen betrachtet, in denen die Miete zwischen dem 1.10.2013 und dem 1.10.2017 neu vereinbart worden war.
Bei zwei der Wohnungen war die Miete im Jahr 2017 neu vereinbart worden, wobei unklar blieb, ob dies vor oder nach Juli 2017 geschehen war. Ohne Berücksichtigung dieser beiden Wohnungen ergäbe sich aus dem Gutachten eine ortsübliche Vergleichsmiete von 8,06 Euro pro Quadratmeter, die damit unter den verlangten 8,10 Euro pro Quadratmeter läge.
Im Revisionsverfahren erkannte der BGH hierin einen Rechtsfehler in der landgerichtlichen Entscheidung. Er hob das Urteil des Landgerichts auf und verwies den Rechtsstreit dorthin zurück.
Es ging um die Frage, wie der Vierjahreszeitraum des § 558 Abs. 2 BGB zu berechnen ist. Nach § 558 Abs. 2 BGB wird die ortsübliche Vergleichsmiete gebildet aus den Mieten vergleichbarer Wohnungen, die in den vergangenen vier (ab 1.1.2020: sechs) Jahren vereinbart oder geändert worden sind.
Nach Ansicht des BGH hat das Berufungsgericht den für die Bildung der ortsüblichen Vergleichsmiete maßgeblichen Stichtag rechtsfehlerhaft bestimmt, indem es insoweit auf den Zeitpunkt abgestellt habe, ab dem die Mieter die erhöhte Miete gegebenenfalls schuldeten (1.10.2017), anstatt auf denjenigen, an dem den Mietern das Mieterhöhungsverlangen vom 20.7.2017 zugegangen sei.
Die nach § 558 Abs. 2 BGB maßgebliche Vierjahresfrist erstrecke sich demnach vom Zugang des Erhöhungsverlangens an vier Jahre zurück. Im Streitfall sei das Mieterhöhungsverlangen der Vermieterin vom 20.7.2017 unstreitig noch im Juli 2017 zugegangen und die Vierjahresfrist entsprechend zu bemessen.
Dagegen habe der Sachverständige – und ihm folgend das Berufungsgericht – seiner Ermittlung der ortsüblichen Vergleichsmiete unter Anwendung des Vergleichswertverfahrens Mietentgelte für vergleichbaren Wohnraum zugrunde gelegt, die – entsprechend der Vorgabe des Berufungsgerichts – in dem Zeitraum vom 1.10.2013 bis 1.10.2017 (neu) vereinbart oder geändert worden seien.
Problematisch seien diejenigen vom Sachverständigen berücksichtigten zwei Vergleichswohnungen, für die das Mietentgelt im Jahr 2017 (neu) vereinbart beziehungsweise geändert wurde, ohne dass sich dem Gutachten entnehmen ließe, zu welchem Zeitpunkt in diesem Jahr das genau der Fall gewesen sei. Hier ließe sich nicht ausschließen, dass die herangezogenen Mietentgelte in einem außerhalb des maßgeblichen Betrachtungszeitrahmens liegenden Zeitraum – namentlich zwischen dem Zugang des Erhöhungsverlangens im Juli 2017 bis zu dem vom Berufungsgericht fehlerhaft angenommenen Stichtag am 1.10.2017 – vereinbart beziehungsweise geändert wurden und der Entscheidungsfindung deshalb nicht hätten zugrunde gelegt werden dürfen.
Ließe man die im Jahr 2017 vereinbarten beziehungsweise geänderten Mietentgelte in Höhe von 10,22 Euro pro Quadratmeter und 8,39 Euro pro Quadratmeter bei ansonsten gleichbleibender Berechnung des Vergleichswerts außer Betracht, ergäbe sich eine Bandbreite der ortsüblichen Vergleichsmiete von 6,19 bis 9,73 Euro pro Quadratmeter (anstelle von 6,19 bis 10,22 Euro pro Quadratmeter) mit einem arithmetischen Mittelwert von 7,89 Euro pro Quadratmeter (anstelle von 8,09 Euro pro Quadratmeter), und im Ergebnis sodann ein Vergleichswert von 8,06 Euro pro Quadratmeter (anstelle von 8,28 Euro pro Quadratmeter). Da dieser unterhalb der verlangten Miete (8,10 Euro pro Quadratmeter) liege, handele es sich hierbei um einen ergebnisrelevanten Gesichtspunkt.
25.10.2021