Leitsätze:
Einer Vereinbarung der Mietvertragsparteien darüber, welche Flächen in die Berechnung der Wohnfläche einzubeziehen sind, kommt Vorrang vor den Regelungen der Wohnflächenverordnung zu (hier: die Streichung der hälftigen Anrechnung der Flächen von Balkon, Terrasse und Loggia).
Es ist den Mietvertragsparteien unbenommen, im Rahmen einer Wohnflächenvereinbarung auch die Anrechnung von Flächen vorzusehen, die etwa nach der II. Berechnungsverordnung oder der Wohnflächenverordnung nicht oder nicht vollständig zu berücksichtigen sind (hier: unterdurchschnittliche Belichtung im Kellergeschoss). Ein Mietmangel, der zur Mietminderung berechtigen würde, entsteht hierdurch nicht.
Bei der Mieterhöhung nach § 558 BGB ist dagegen die nach objektiven Kriterien ermittelte tatsächliche Wohnfläche der streitigen Wohnung maßgeblich. Etwaige abweichende Vereinbarungen der Parteien über die Wohnfläche beziehungsweise deren Berechnung sind insoweit gemäß § 558 Abs. 6 BGB unwirksam. Jede in einem Mietvertrag über die Wohnfläche enthaltene Angabe für das Mieterhöhungsverfahren nach § 558 BGB ist ohne jede Bedeutung und insofern vielmehr allein die tatsächliche Wohnfläche maßgeblich.
BGH vom 22.6.2021 – VIII ZR 26/20 –
Langfassung: www.bundesgerichtshof.de [PDF, 9 Seiten]
Anmerkungen des Berliner Mietervereins
In § 1 des Mietvertrags hieß es, dass die Wohnung im „Erd- und Unter- und Zwischengeschoss“ vermietet werde, deren Größe „ca. 180 Quadratmeter“ betrage. Weiter war vereinbart, dass die Räume in allen drei Geschossen „als Wohnräume“ vermietet seien. Darüber hinaus war im Mietvertrag der Zusatz über die hälftige Anrechnung von Balkon, Loggia und Terrasse gestrichen worden.
Die Mieter richteten die Räume im Kellergeschoss auch als Wohnräume her und nutzten sie in diesem Sinne.
Eine Jahre nach Mietvertragsbeginn erfolgte Wohnflächenberechnung nach den Regeln der II. Berechnungsverordnung ergab jedoch eine Wohnfläche von nur 144,50 Quadratmetern. Die Mieter wollten daraufhin die Miete wegen dieser erheblichen Wohnflächenabweichung entsprechend mindern. Es kam zum Prozess.
Das Landgericht ging davon aus, dass die Grundflächen des Untergeschosses nach der Vereinbarung der Parteien im Mietvertrag bei der Wohnfläche miteinzurechnen seien und verneinte ein Minderungsrecht. Es begründe keinen Sachmangel, dass die nach objektiven Kriterien ermittelte tatsächliche Wohnungsgröße von 144,50 Quadratmetern gegenüber der Angabe im Mietvertrag von circa 180 Quadratmetern erheblich abweiche. Denn die Parteien könnten vereinbaren, wie sie eine im Mietvertrag angegebene Wohnfläche verstanden wissen wollten. Insbesondere sei es ihnen unbenommen, nach dem Mietvertrag zu Wohnzwecken vermietete Flächen bei der Wohnflächenermittlung unabhängig davon einzurechnen, ob sie bei einer Flächenberechnung nach den Bestimmungen der Zweiten Berechnungsverordnung (insgesamt) als Wohnraum anzusetzen seien oder nicht.
Der BGH folgte im Hinweisbeschluss vom 22.6.2021 im Ergebnis der Argumentation des Landgerichts.
Zwar sei die Angabe der Wohnfläche im Mietvertrag regelmäßig nicht als unverbindliche Beschreibung, sondern als Beschaffenheitsvereinbarung anzusehen, die bei einer Abweichung von mehr als 10 Prozent zu einem Mangel der Mietsache führe. Dies gelte auch dann, wenn die Angabe der Wohnfläche im Mietvertrag wie hier mit dem Zusatz „circa“ versehen sei. Auch könnten für die Auslegung des Begriffs der Wohnfläche grundsätzlich auch beim freifinanzierten Wohnraum die für den preisgebundenen Wohnraum geltenden Bestimmungen herangezogen werden.
Etwas anderes gelte aber, wenn die Parteien dem Begriff der Wohnfläche im Einzelfall eine abweichende Bedeutung beigemessen hätten. Einer Vereinbarung der Parteien darüber, welche Flächen in die Berechnung der Wohnfläche einzubeziehen seien, komme damit Vorrang zu. Eine solche Vereinbarung liege hier vor.
Das Landgericht habe den Mietvertrag rechtsfehlerfrei dahin ausgelegt, dass die Parteien mit der Formulierung, die Räume im Erd-, Zwischen- und Untergeschoss würden „zur Benutzung als Wohnraum“ vermietet, vereinbart haben, dass die Grundflächen dieser von den Mietern auch tatsächlich als Wohnraum genutzten Räume in die Berechnung der im Mietvertrag vereinbarten Wohnfläche einfließen sollten.
Der Einwand der Mieter, die Räume im Kellergeschoss seien wegen unterdurchschnittlicher Beleuchtung nicht als Wohnraum genehmigungsfähig und wegen einer daraus folgenden eingeschränkten Nutzbarkeit auch nur als Gästezimmer genutzt, was lediglich einer Nutzung von 50 Prozent entspreche und einer Anrechnung der gesamten Grundfläche entgegenstehe, führe zu keinem anderen Ergebnis. Hier werde verkannt, dass sich aus einer öffentlich-rechtlichen Nutzungsbeschränkung mangels Einschreitens der Behörde keine zur Minderung berechtigende Einschränkung der Nutzbarkeit ergebe (BGH vom 16.9.2009 – VIII ZR 275/08 –). Es sei den Mietvertragsparteien unbenommen, im Rahmen einer Wohnflächenvereinbarung auch die Anrechnung von Flächen wie hier solche mit unterdurchschnittlicher Beleuchtung vorzusehen, die etwa nach der II. Berechnungsverordnung oder der Wohnflächenverordnung nicht oder nicht vollständig zu berücksichtigen seien.
Fehl gehe schließlich der weitere Einwand, die Entscheidung des Berufungsgerichts, bei der Mieterhöhung auf die tatsächliche Wohnfläche abzustellen, es den Mietern aber zu verwehren, sich bei der Frage des Mangels und der Mietminderung auf die tatsächliche Wohnfläche zu berufen, sei widersprüchlich.
Hier würden insoweit die grundlegenden Unterschiede zwischen einer für die Frage des Sachmangels maßgeblichen Vereinbarung der Mietvertragsparteien über die Wohnfläche einerseits und einer Mieterhöhung nach dem Vergleichsmietenverfahren (§ 558 BGB) andererseits verkannt. Bei einer Beschaffenheitsvereinbarung über die Wohnfläche bestimmten die Parteien, wie sie die Wohnfläche verstanden wissen wollten und welche Flächen nach ihren Vorstellungen dahin einzurechnen seien. Bei der Mieterhöhung nach § 558 BGB sei dagegen die nach objektiven Kriterien ermittelte tatsächliche Wohnfläche der streitigen Wohnung maßgeblich. Etwaige abweichende Vereinbarungen der Parteien über die Wohnfläche beziehungsweise deren Berechnung seien insoweit gemäß § 558 Abs. 6 BGB unwirksam (vgl. BGH vom 27.2.2019 – VIII ZR 255/17).
25.10.2021