Die Rosa-Luxemburg-Stiftung und die Bundestagsfraktion der Linken haben eine Studie zu einem bundesweiten Mietendeckel vorgelegt. Das Konzept würde in den Städten mit besonders hoher Wohnungsnot jeden vierten Haushalt entlasten. Die Autoren sind sicher, dass ihr Modell verfassungsrechtlich wasserdicht ist. Der Berliner Mieterverein hält den Ansatz für vielversprechend.
Der Berliner Mietendeckel wurde im April durch das Bundesverfassungsgericht gestoppt – nicht, weil er inhaltlich verfassungswidrig war, sondern weil das Land Berlin für eine landesrechtliche Regelung keine Gesetzgebungskompetenz hatte.
Der Berliner Stadtsoziologe Andrej Holm und der Fachanwalt für Mietrecht Benjamin Raabe haben im Auftrag der Linksfraktion und der Rosa-Luxemburg-Stiftung eine Studie zu einem bundesweiten Mietendeckel verfasst. Aus Bausteinen des vorhandenen Mietrechts und des Berliner Mietendeckels erstellten sie ein abgestuftes Modell für Städte mit einer Wohnungsnotlage, mit einem angespannten und mit einem ausgeglichenen Wohnungsmarkt.
Dreistufenmodell nach Marktlage
Generell soll die ortsübliche Vergleichsmiete als Durchschnitt aller Mieten ermittelt werden. Diese Referenzmiete stellt dann das tatsächliche Mietniveau eines Ortes dar – und nicht wie der Mietspiegel die Mieterhöhungen der letzten sechs Jahre. Zudem wird der Wucherparagraf im Wirtschaftsstrafgesetz wieder handhabbar gemacht. So wird sichergestellt, dass keine Miete um mehr als 20 Prozent über der Referenzmiete liegt. Dies soll in Orten mit ausgeglichenem Wohnungsmarkt gelten.
In Städten mit angespanntem Wohnungsmarkt soll darüber hinaus auf Basis der Referenzmiete die Mietpreisbremse ohne die noch geltenden zahlreichen Ausnahmen angewandt werden. Damit liegt bei einer Wiedervermietung der Preis höchstens zehn Prozent über der Referenzmiete. Hier bekommen die Gemeinden auch die Möglichkeit, Mieterhöhungen auf die Inflationsrate zu begrenzen.
In Wohnungsnotgebieten soll es möglich sein, die Mieten für einen bestimmten Zeitraum, etwa für fünf Jahre, einzufrieren. Die Wiedervermietungsmiete darf die Referenzmiete nicht übersteigen. Die Gemeinden können eine „leistbare Miete“ bestimmen, die 30 Prozent des mittleren monatlichen Netto-Haushaltseinkommens nicht übersteigen soll. Keine Miete darf diese „leistbare Miete“ um mehr als 20 Prozent überschreiten, höhere Mieten sind abzusenken. Ausnahmen gelten ausschließlich für Neubauten.
Von einer Wohnungsnotlage geht die Studie aus, wenn es in der Stadt überdurchschnittliche Mietsteigerungen in den letzten fünf Jahren gegeben hat, die Lücke zwischen Bestands- und Angebotsmieten überdurchschnittlich groß ist und im Mittel die Mietkostenbelastung über 30 Prozent liegt. Dazu zählt die Studie elf Städte, darunter die sechs größten Metropolen Berlin, Hamburg, München, Köln, Frankfurt am Main und Stuttgart sowie einige Universitätsstädte.
In den Städten mit Wohnungsnot würde der Mietendeckel jedem vierten Haushalt zu einer leistbaren Miete verhelfen. Um die gleiche Entlastung mit Mietzuschüssen wie dem Wohngeld zu erreichen, müsste der Staat fünf Milliarden Euro pro Jahr aufwenden. Es rechnet sich also auch für den öffentlichen Haushalt.
Der Berliner Mieterverein (BMV) hält das Modell für einen „innovativen Ansatz“, so der stellvertretende Geschäftsführer Sebastian Bartels. „Die Klippen der Landeskompetenz werden klug umschifft, indem die zentralen Regelungen im Bürgerlichen Gesetzbuch sehr genau verankert werden und die Länder diese umsetzen dürfen.“ Etwas kritisch sieht der BMV aber das Festhalten an dem teilweise für Mieter anwenderunfreundlichen System der ortsüblichen Vergleichsmiete. Auch sei noch nicht ganz klar, wie in der Praxis die Einkommenssituation abgebildet werden kann.
Jens Sethmann
Berlin: Länder sollen selbst deckeln
Der Berliner Senat möchte über den Bundesrat den Mietendeckel wiederbeleben. Mit seiner Initiative will er aber keinen bundesweiten Mietendeckel einführen, sondern eine Länderöffnungsklausel erreichen, die es den Bundesländern erlaubt, in Gebieten mit angespanntem Wohnungsmarkt Mietpreisbegrenzungen zu erlassen, die über das Bundesrecht des Bürgerlichen Gesetzbuchs hinausgehen. Dies ginge zwar schneller als die Gesetzgebung eines bundesweiten Mietendeckels, hätte aber den Nachteil, dass viele Städte davon ausgeschlossen blieben, wenn ihre Landesregierungen aus politischen Gründen keine Mietenbeschränkungen zulassen möchten.
js
www.rosalux.de/publikation/id/44898
26.10.2021