Die Stadt München hat ihr Modell „Sozialgerechte Bodennutzung“ verschärft und verlangt nun von Wohnungsbau-Investoren, dass sie unter anderem 60 Prozent des Wohnraums in Form von Sozialwohnungen errichten. Das Modell gibt es im Kern schon seit über 25 Jahren und nimmt Grundstücksbesitzer seither bei der Baulandentwicklung energisch in die Pflicht.
Die bayerische Landeshauptstadt München – geplagt von den deutschlandweit höchsten Mieten – will „weiterhin eine Stadt im sozialen Gleichgewicht mit bezahlbarem Wohnraum bleiben“, so Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD). Angesichts einer durchschnittlichen Nettokaltmiete von 12,05 Euro pro Quadratmeter im aktuellen Mietspiegel und 19,60 Euro bei Wiedervermietungen mag das wie ein frommer Wunsch klingen. Doch die Stadt zieht alle Register, die ihr als Kommune zur Verfügung stehen.
Mit ihrem Modell „Sozialgerechte Bodennutzung“ (SoBoN) war München im Jahr 1994 Vorreiter. Als erste Kommune nutzte sie die Möglichkeit, Grundeigentümer mit städtebaulichen Verträgen an den Kosten der Baulandentwicklung zu beteiligen. Wenn die Stadt eine Freifläche zu Bauland erklärt, haben die Eigentümer einen riesigen Gewinn, denn Wohnbauland hat selbstverständlich einen viel höheren Wert als Ackerfläche. Weil die Stadt durch das Aufstellen eines Bebauungsplanes diesen Wertzuwachs erst geschaffen hat, darf sie ihn auch in einem bestimmten Maße abschöpfen. Mit SoBoN hat München dafür feste Regeln aufgestellt: Die Eigentümer übernehmen die Kosten für die Schaffung der notwendigen Infrastruktur wie Straßen, Anschlüsse, Grünanlagen, Kita- und Grundschulplätze und treten die dafür benötigten Flächen kostenlos ab. Zudem verpflichten sie sich, einen bestimmten Teil der neuen Wohnungen mit Mietpreisbindungen zu versehen. Darüber schließen sie mit der Stadt einen städtebaulichen Vertrag. 30 Prozent des Wertzuwachses können Grundstückseigentümer in München behalten.
In diesem Jahr wurden die SoBoN-Regelungen noch einmal verschärft. Das Grundmodell sieht vor, dass vom neu geschaffenen Wohnbaurecht 60 Prozent im geförderten und preisgebundenen Segment entstehen müssen. Dazu kommen 20 Prozent freifinanzierter Mietwohnungsbau und nur noch 20 Prozent freifinanzierte Eigentumswohnungen. Die Bindungsdauer wurde auf 40 Jahre verlängert. Die Bauträger müssen sich außerdem mit 175 Euro pro Quadratmeter Geschossfläche an den Kosten der sozialen Infrastruktur beteiligen.
Inspiration für andere Städte
„Mit der neuen SoBoN machen wir einen weiteren wichtigen Schritt hin zu mehr bezahlbaren Wohnungen für München“, freut sich Oberbürgermeister Reiter. Stadtbaurätin Elisabeth Merk sagt: „Unser neues SoBoN-Modell kann andere Städte inspirieren, kooperative Baulandplanung neu und flexibler zu denken.“
SoBoN war bisher schon „ein Erfolgsmodell im Wohnungsbau“: Von 1994 bis Ende 2020 hat München 176 Bebauungspläne mit insgesamt 1512 Hektar Fläche aufgestellt. 59.130 Wohnungen wurden so geschaffen, davon 16.060 mietpreis- und belegungsgebundene Sozialwohnungen. Neben den Verkehrs- und Grünflächen sind auf Kosten der Investoren 13.200 Kitaplätze sowie 5500 Grundschul- und Hortplätze entstanden.
Jens Sethmann
Berlin: 20 Jahre zurück und nur halb so ambitioniert
Was in München „Sozialgerechte Bodennutzung“ heißt, wird in der Hauptstadt „Berliner Modell der kooperativen Baulandentwicklung“ genannt. Das 2014 eingeführte und 2018 überarbeitete Berliner Modell verlangt den Investoren aber bei Weitem nicht so viel ab wie die Münchner SoBoN. Hier müssen sie „zur Sicherung einer sozial stabilen Bewohnerstruktur“ nur 30 Prozent der Wohnfläche als mietpreis- und belegungsgebundene Sozialwohnungen errichten. Zur Erfüllung der Sozialwohnungsauflage geben die meisten Bauträger einen Grundstücksteil an eine landeseigene Wohnungsbaugesellschaft ab. Nach diesem Modell wurde bis Mai 2021 insgesamt mit 65 Verträgen der Bau von 31.433 Wohnungen geregelt. Davon sind 7410 mietpreis- und belegungsgebunden. Geregelt wurde zudem die Finanzierung von 2480 Grundschulplätzen und 2580 Kitaplätzen.
js
Berliner Modell der kooperativen Baulandentwicklung:
www.stadtentwicklung.berlin.de/wohnen/wohnungsbau/de/vertraege/
20.12.2022