Leitsatz:
Für die Vergleichbarkeit von Räumen im Sinne der Vorschrift des § 9 a Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 HeizkostenVO kommt es nicht zwingend darauf an, dass sich diese in demselben Gebäude wie diejenigen befinden, für die eine Schätzung des Wärmeverbrauchs zu erfolgen hat.
BGH vom 27.10.2021 – VIII ZR 264/19 –
Langfassung: www.bundesgerichtshof.de [PDF, 33 Seiten]
Anmerkungen des Berliner Mietervereins
Es ging um die Wirksamkeit einer Heizkostenabrechnung für eine Dachgeschoss-Maisonette-Wohnung in Mainz.
Nachdem eine Prüfung des in der Wohnung eingebauten Wärmemengenzählers ergeben hatte, dass dieser die Wärmemengen unzutreffend erfasste, erfolgte im August 2016 ein Austausch des Zählers. Auch der Austauschzähler ermittelte den Wärmeverbrauch allerdings nicht ordnungsgemäß, weshalb er im Mai 2017 seinerseits ersetzt wurde.
Nachfolgend erteilte der Vermieter der Mieterin für die Jahre 2013 bis 2016 korrigierte Betriebskostenabrechnungen. In diesen schätzte er den Wärmeverbrauch der Mieterin anhand des Verbrauchs anderer – teilweise in demselben Haus, teilweise in anderen Häusern eines Wohnkomplexes gelegener – Dachgeschoss-Maisonette-Wohnungen.
Die auf Verurteilung der Mieterin zur Zahlung von Betriebskosten in Höhe von insgesamt 1066,22 Euro für die Jahre 2013 bis 2016 gerichtete Klage war in den Vorinstanzen erfolglos geblieben. Mit der Revision verfolgte der Vermieter sein Klagebegehren weiter. Mit Erfolg: Der BGH hob das Urteil des Berufungsgerichts auf und verwies die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an dieses zurück.
Anders als das Berufungsgericht meine, scheide ein Anspruch des Vermieters nicht deshalb aus, weil er seiner Schätzung nach § 9 a Abs. 1 Satz 1 HeizkostenVO größtenteils Verbrauchswerte von Vergleichswohnungen aus einem anderen Gebäude als dem, in dem sich die damals von der Mieterin bewohnte Wohnung befindet, zugrunde gelegt habe. Mit der vom Berufungsgericht gegebenen Begründung, der Vermieter habe über die Betriebskosten bereits deshalb nicht (materiell) ordnungsgemäß abgerechnet, könne ein Anspruch des Vermieters auf Nachzahlung nicht durch Vorauszahlungen gedeckter Betriebskosten für die Abrechnungszeiträume 2013 bis 2016 nicht verneint werden.
Die Auslegung des § 9 a Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 HeizkostenVO dahingehend, dass sich vergleichbare Räume im Sinne dieser Vorschrift nur in demselben Gebäude wie die betroffenen Räume befinden dürften, finde bereits im Wortlaut des § 9 a Abs. 1 Satz 1 HeizkostenVO keine Stütze, der im Zusammenhang mit dem Ersatzverfahren nur von „vergleichbaren anderen Räumen“ spreche, ohne insoweit eine entsprechende Beschränkung hinsichtlich der Örtlichkeit der Räume vorzugeben.
Auch der Sinn und Zweck der Vorschrift erfordere es nicht, dass eine Schätzung anhand des Verbrauchs für vergleichbare Räume im selben Abrechnungszeitraum nur anhand solcher Räume vorgenommen werden dürfe, die sich in demselben Gebäude befänden wie die Räume, für die eine Schätzung erfolge.
Mit § 9 a Abs. 1 Satz 1 HeizkostenVO wollte der Verordnungsgeber die – bereits zuvor in der Praxis bewährte – Möglichkeit, den Wärme- oder Wasserverbrauch für die Fälle, in denen eine Erfassung des tatsächlichen Verbrauchs wegen Geräteausfalls oder aus anderen zwingenden Gründen nicht möglich sei, anhand von Ersatzkriterien zu ermitteln, im Sinne einer möglichst verbrauchsnahen Ermittlung regeln. Zur Erreichung dieses Ziels und zur Vereinheitlichung der Ermittlung lasse § 9 a Abs. 1 Satz 1 HeizkostenVO nur solche Ermittlungsmethoden zur Verbrauchsschätzung zu, die aus Sicht des Verordnungsgebers eine hinreichende Vergleichbarkeit der den Verbrauch beeinflussenden Umstände sicherstellten.
Die Erreichung des Ziels einer möglichst verbrauchsnahen Ermittlung verlange es aber nicht, eine Vergleichbarkeit nur bei solchen zum Vergleich herangezogenen Räumen anzunehmen, die in demselben Gebäude liegen wie die Wohnung, für die der Verbrauch schätzweise ermittelt werden solle. Vielmehr lasse sich die Vergleichbarkeit der anderen Räume abhängig von den Einzelfallumständen anhand unterschiedlicher objektiver Merkmale, beispielsweise der Bausubstanz, Konstruktion, Lage, Größe oder Nutzungsart hinreichend feststellen, ohne dass dabei eine Vergleichbarkeit hinsichtlich sämtlicher Merkmale gegeben sein müsse. Maßgebend sei, dass zu vergleichende Räume bautechnisch und von ihrer Nutzungsintensität (Anzahl der Nutzer/Dauer der Nutzung) im Wesentlichen vergleichbar seien. Hierbei sei insbesondere zu berücksichtigen, dass allein die Lage der zu vergleichenden Räume in demselben Gebäude nichts darüber besage, ob die zum Vergleich herangezogenen Räume einen ähnlichen Einfluss auf den Wärmeverbrauch hätten wie die von der Schätzung betroffenen Räumlichkeiten. So werde sich beispielsweise eine in demselben Gebäude befindliche Kellerwohnung nicht ohne Weiteres mit einer Mittelgeschosswohnung vergleichen lassen.
Zudem folge für den Mieter aus einer fehlenden Überprüfbarkeit nicht ein unvertretbares Kostenrisiko für den Fall, dass er die Vergleichbarkeit der in einem anderen Gebäude gelegenen Vergleichsräume in Frage stellen möchte. Denn die Darlegungs- und Beweislast für das Bestehen einer sich aus einer formell ordnungsgemäß erstellten Betriebskostenabrechnung ergebenden Nachforderung trage der Vermieter, der in diesem Zusammenhang insbesondere die richtige Erfassung, Zusammenstellung und Verteilung der Betriebskosten darzulegen und im Falle des Bestreitens auch zu beweisen habe.
Der Mieter habe demgegenüber gemäß § 138 Abs. 4 ZPO die Möglichkeit, die Vergleichbarkeit der anderen Räume mit Nichtwissen zu bestreiten; dabei sei – sofern die Frage der Vergleichbarkeit nicht in seinen Wahrnehmungsbereich falle – von ihm grundsätzlich nicht zu fordern, eigene Erkundigungen anzustellen. Damit befinde sich der Mieter keineswegs in der Situation, dass sein Bestreiten der Vergleichbarkeit „aufs Geratewohl“ oder „ins Blaue hinein“ erfolge und folglich unbeachtlich sei.
25.01.2022