Nach der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom November muss das kommunale Vorkaufsrecht neu geregelt werden. Wie, dazu hat der BMV mit anderen Mietervereinen einen Vorschlag gemacht.
Die Mietervereine Berlin, Hamburg und München haben ein gemeinsames Eckpunktepapier für eine schnelle Neuregelung des kommunalen Vorkaufsrechts in Milieuschutzgebieten vorgelegt. Eines ist klar: Viel Zeit bleibt nicht, denn es wird weiter mit Immobilien spekuliert. Eine erste Bundestagsdebatte am 28. Januar 2022 brachte lediglich eine Überweisung des Themas in den Bundestagsausschuss für Wohnen und Stadtentwicklung. Erwartungsgemäß war es die FDP, die sich in der Plenardebatte gegen eine zügige Änderung des Baugesetzbuches und damit gegen eine schnelle gesetzliche Neuregelung des Vorkaufsrechts ausgesprochen hat.
Das Vorkaufsrecht in Milieuschutzgebieten (Gebiete mit sozialer Erhaltungssatzung nach Paragraph 172 des Baugesetzbuches) ist ein wichtiges Instrument der Bezirke und Kommunen, um bezahlbaren Wohnraum zu erhalten und die ansässigen Mieter:innen vor Verdrängung zu schützen. Doch ein Urteil des Bundesverwaltungsgerichts aus dem November 2021 hindert die Kommunen nun deutschlandweit daran, dem spekulativen Immobilienhandel in Milieuschutzgebieten etwas entgegenzusetzen und das Vorkaufsrecht zugunsten gemeinwohlorientierter Wohnungsunternehmen auszuüben.
Seit das Bundesverwaltungsgericht sein Urteil gefällt hat, ist einiges passiert: Mieter:innen machen mobil mit ihrer Initiative „Neues Vorkaufsrecht jetzt“. Die Mietervereine Berlin, Hamburg und München unterstützen die Forderungen mit einem offenen Brief an die Bundesbauministerin. Auch elf Stadträte der Berliner Bezirke sowie Berlins Bausenator Andreas Geisel (SPD) haben sich an Bundesministerin Klara Geywitz (SPD) im neuen Bauministerium gewandt. Wir alle fordern eine schnelle gesetzliche Neuregelung für das Vorkaufsrecht, um das Ziel, die Zusammensetzung der Wohnbevölkerung in den Milieuschutzgebieten zu erhalten, weiterhin wirkungsvoll verfolgen zu können. Unsere wichtigsten Forderungen gemeinsam mit den Mietervereinen in Hamburg und München sind:
Mietbegrenzungen rein in das Erhaltungsrecht
Der Erhalt der Zusammensetzung der Wohnbevölkerung ist zentraler Gegenstand im Paragraf 172 des Baugesetzbuches (BauGB), in dem die Ausweisung von Milieuschutzgebieten geregelt ist. Damit müssen auch „absehbare negative Auswirkungen“, die sich beispielsweise über einen hohen Kaufpreis vermitteln, berücksichtigt werden. Das Bundesverwaltungsgericht hatte in seiner Urteilsbegründung angegeben, dass ein hoher Kaufpreis allein – und die damit verbundene Prognose über die Refinanzierung des Kaufpreises –, die Ausübung des Vorkaufsrechts nicht rechtfertige. Die Prognose besagt, dass bei einem hohen Kaufpreis auch höhere Mieten zur Refinanzierung zu erwarten sind.
Wir schlagen deshalb die Wiedereinführung des Paragrafen 24a im damaligen Bundesbaugesetz vor. Bezirke und Kommunen können demnach das Vorkaufsrecht anwenden, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass durch den Erwerb des Grundstücks in einem sozialen Erhaltungsgebiet, die Zusammensetzung der Wohnbevölkerung gefährdet wird.
Solche Tatsachen können insbesondere ein hoher Kaufpreis oder die Weigerung des Eigentümers sein, eine Erklärung abzugeben, in der er oder sie die Einhaltung der Erhaltungsziele zusagt. Zur Erinnerung: Soziale Erhaltungssatzungen können Kommunen überall da festlegen, wo ein höherer Anteil der Wohnbevölkerung über kleine und durchschnittliche Einkommen verfügt und die Mieten noch relativ bezahlbar sind.
Preise auf einen sozialen Ertragswert wirksam limitieren
Bereits vor dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts forderten betroffene Hausgemeinschaften und Mieterorganisationen eine Schärfung des Vorkaufsrechts. Denn allzu oft hatte sich das Vorkaufsrecht als stumpfes Schwert erwiesen. Durch die rasante Steigerung der Immobilienpreise war die Wahrnehmung des Vorkaufsrechts durch die Kommunen und Bezirke zugunsten gemeinwohlorientierter Wohnungsunternehmen stark eingeschränkt. Nur mit finanzieller Unterstützung des Landes und der Kommunen für die begünstigten Gemeinwohlunternehmen konnten die durch Spekulationen in die Höhe getriebenen Verkehrswerte – wenn überhaupt – noch bedient werden. Da half auch die bestehende Regelung des preislimitierten Vorkaufs vom sogenannten Markt- auf den Verkehrswert wenig. Land und Kommunen wurden somit häufig selbst zu Mitgestaltern der Preisspirale.
Daher fordern wir eine wirksame Preislimitierung auf einen sozialen Ertragswert. Die Grundlage für diese Ertragswerte könnten Mietbegrenzungen im sozialen Erhaltungsrecht (Paragraph 172 BauGB) sein. Es ist nur schwer verständlich, warum im Rahmen einer sozialen Erhaltungssatzung eine maximale Miethöhe die Sozialpflichtigkeit des Eigentums in den Milieuschutzgebieten nicht sicherstellen sollte. Überhöhte Ertragserwartungen von Investor:innen wären mit einer wirksamen Preislimitierung ausgehebelt, möglicherweise können sich daraus sogar Effekte für die Verkehrswertentwicklung in den Milieuschutzgebieten ergeben.
Eine sozialverträgliche Miete sichern
Mietbelastungsgrenzen werden bei den Untersuchungen für geplante Festsetzungen der Milieuschutzgebiete bereits seit langer Zeit erhoben. Die Gesetzesänderung in Paragraf 172 BauGB könnte sich auf die jeweiligen Befunde in den Untersuchungen beziehen. Ausnahmen – beispielsweise auf der Grundlage der wirtschaftlichen Verhältnisse der Vermieter:innen – können als eine Einzelfallentscheidung nach Ermessen getroffen werden. Das Ziel sollte jedoch eine sozialverträgliche Miete sein, die auf mehreren Wegen erzielt werden kann: Maßnahmenbegrenzung bei baulichen Veränderungen, öffentliche Förderung für Eigentümer:innen und deren Verzicht auf überhöhte Erträge. All das bewegt sich im Rahmen der Sozialbindung des Eigentums wie sie Artikel 14 im Grundgesetz vorsieht. Den Bezirken würde eine solche Gesetzesänderung zudem ein Instrument für Einflussnahme und Genehmigung im Rahmen energetischer Sanierungen an die Hand geben.
Schließlich gilt es, die Frist für die Prüfphase des Vorkaufsrechts in den Bezirken zu überdenken. Die Prüfung der betroffenen Immobilie, die Erstellung der unterschiedlichen Gutachten, die Abstimmung mit dem Drittkäufer sowie die Sicherstellung der Finanzierung sind Schritte, die sich nur schwerlich in drei Monaten erledigen lassen! Die Frist war erst im August 2021 mit dem Baulandmobilisierungsgesetz von zwei auf drei Monate angehoben worden. Gemeinsam mit den anderen Mietervereinen hatten wir jedoch eine Erweiterung der Frist auf mindestens vier Monate vorgeschlagen.
Soziale Erhaltungssatzungen (Milieuschutzgebiete) und ein wirksames Vorkaufsrecht für die Bezirke sind vor allem für Mieter:innen ausgesprochen wichtig. Über viele Jahre war das rendite-orientierte Immobilienkapital strukturbestimmend für unsere Städte. Dem muss endlich Einhalt geboten und mehr Gemeinwohlorientierung entgegengesetzt werden. Auch dafür brauchen wir das Vorkaufsrecht – nicht nur, aber ganz besonders in Berlin: 96 Häuser mit 2.674 Wohnungen haben die städtischen Wohnungsgesellschaften, Genossenschaften und Stiftungen bereits über das Vorkaufsrecht erworben, hunderte weitere Hausgemeinschaften konnten über Abwendungsvereinbarungen mit den Eigentümer:innen immerhin bis zu 20 Jahre abgesichert werden.
Hintergrund:
Die Wirkung des Vorkaufsrechts sowie die etablierte Vorkaufspraxis in den Städten ermöglichte es den Bezirken, mit zahlreichen Eigentümer:innen Abwendungsvereinbarungen zu treffen. Diese Vereinbarungen sichern Mieter:innen in vielen Fällen Schutz zu, der über die Kriterien der Milieuschutzgebiete hinausgeht und Bußgelder vorsieht, wenn die Eigentümer:innen sich nicht an die vereinbarten Regeln halten. In einem gelungenen Video-Tutorial hatte die Hausgemeinschaft der Schöneweider Straße 20 im Jahr 2019 Milieuschutzgebiete und Vorkaufsrecht erklärt.
Weiterführende Artikel zum kommunalen Vorkaufsrecht:
23.02.2022