Leitsätze:
a) Ein Mieter kann hinsichtlich der bei einer Betriebskostenabrechnung vom Vermieter geschuldeten Belegvorlage grundsätzlich Einsicht in die Originale der Abrechnungsbelege zur Betriebskostenabrechnung verlangen, ohne insoweit ein besonderes Interesse darlegen zu müssen.
b) In Ausnahmefällen kann es nach den Grundsätzen von Treu und Glauben (§ 242 BGB) allerdings in Betracht kommen, dass der Vermieter lediglich die Vorlage von Kopien oder Scanprodukten schuldet. Die Frage, ob ein solcher Ausnahmefall gegeben ist, entzieht sich allgemeiner Betrachtung und ist vom Tatrichter unter Würdigung aller Umstände des Einzelfalls zu entscheiden.
BGH vom 15.12.2021 – VIII ZR 66/20 –
Langfassung: www.bundesgerichtshof.de [PDF, 13 Seiten]
Die Mieter verlangten Einsicht in die den Betriebskostenabrechnungen für die Jahre 2015 bis 2017 zugrundeliegenden Originalbelege. Die Vermieterin übersandte stattdessen Belegkopien. Während das Amtsgericht der darauf gerichteten Klage der Mieter stattgab, wies das Landgericht die Klage ab.
Der BGH hob das Urteil des Landgerichts auf und stellte das erstinstanzliche Urteil wieder her.
Das Einsichtsrecht des Mieters beziehe sich grundsätzlich auf die Originalbelege. Das folge bereits aus dem Wortlaut des § 259 Absatz 1 Halbsatz 2 BGB. Danach habe der Rechenschaftspflichtige Belege vorzulegen, soweit sie erteilt worden sind. Anhand dieser Formulierung werde deutlich, dass der Rechenschaftspflichtige diejenigen Belege vorzulegen habe, die ihm selbst erteilt worden sind, mithin die Originale, während vom Rechenschaftspflichtigen gefertigte Kopien grundsätzlich nicht ausreichend seien.
Aus dem Normzweck des § 259 Absatz 1 BGB ergebe sich ebenfalls, dass sich die Vorlagepflicht auf die Originalbelege beziehe. Die Rechenschafts- und Vorlagepflicht sei dazu bestimmt, dem Interesse des Gläubigers, hier des Mieters, an einer umfassenden und übersichtlichen Information Rechnung zu tragen. Er solle in den Stand versetzt werden, die Ordnungsgemäßheit der Verwaltung, über die Rechenschaft abzulegen sei, zu überprüfen und – bei Missständen – Ansprüche geltend machen zu können. Dazu seien indes in erster Linie Originalunterlagen uneingeschränkt geeignet, selbst wenn diese vielfach durch Kopien ersetzbar sein mögen.
Von den vorbezeichneten Grundsätzen gehe bereits das Urteil des BGH vom 8.3.2006 (– VIII ZR 78/05 ) aus, welches ebenfalls zwischen den der Abrechnung zugrundeliegenden Belegen und deren Ablichtungen unterscheide. Diese Entscheidung habe die umgekehrte Fallgestaltung betroffen, in der der Mieter die Überlassung von Fotokopien der Abrechnungsbelege begehrte. Einen solchen Anspruch sehe das Gesetz für den Bereich preisfreien Wohnraums grundsätzlich nicht vor. Zur Begründung sei unter anderem ausgeführt worden, dem Interesse des Mieters an einer Überprüfung der Abrechnung werde im Regelfall dadurch Rechnung getragen, dass er vom Vermieter Einsicht in die der Abrechnung zugrundeliegenden Belege verlangen könne. Nur ausnahmsweise komme nach dem Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB) ein Anspruch des Mieters auf Übermittlung von Kopien von Rechnungsbelegen in Betracht, wenn ihm die Einsichtnahme in den Räumen des Vermieters nicht zugemutet werden könne. Diese Rechtsprechung des BGH gehe ersichtlich davon aus, dass der Vermieter dem Mieter auf dessen Verlangen grundsätzlich Einsicht in die Originalbelege der Betriebskostenabrechnung schulde.
Das Einsichtsrecht in die Originalbelege hänge auch nicht davon ab, ob dies im Rahmen der geschuldeten Rechnungslegung – hier im Wohnraummietverhältnis – üblich sei. Maßgeblich sei vielmehr, ob die Erteilung von Belegen bei demjenigen Vorgang üblich sei, den der Beleg dokumentieren soll. Es komme daher auf das Verhältnis des Vermieters zu seinem Dienstleister an, nicht hingegen auf etwaige Gepflogenheiten von (Groß-)Vermietern gegenüber ihren Mietern.
Daraus ergebe sich, dass es der Darlegung eines besonderen Interesses des Mieters im Hinblick auf die begehrte Einsicht in die Originalunterlagen nach § 259 Absatz 1 Halbsatz 2 BGB nicht bedürfe. Ein Mieter, dem ohne sein Einverständnis lediglich Belegkopien zugänglich gemacht werden, müsse demgemäß keinen begründeten Verdacht aufzeigen, die Kopien seien manipuliert oder wiesen Unstimmigkeiten auf. Das Interesse des Mieters an der Einsicht in Originalbelege bedürfe keiner zusätzlichen Begründung.
Ebenso wie nach der Rechtsprechung des BGB gemäß den Grundsätzen von Treu und Glauben (§ 242 BGB) ausnahmsweise ein Anspruch des Mieters auf Überlassung von Fotokopien von Rechnungsbelegen bestehen könne (Urteil vom 8.3.2006 – ZR ), werde es allerdings nach den Grundsätzen von Treu und Glauben unter Umständen gleichermaßen in Betracht kommen, dass sich der regelmäßig auf Einsicht in die Belegoriginale gerichtete Anspruch des Mieters auf die Zurverfügungstellung von Kopien oder Scanprodukten beschränke. Die sich einer allgemeinen Betrachtung entziehende Frage, ob ein solcher Fall ausnahmsweise anzunehmen ist, habe der Tatrichter unter Würdigung aller Umstände des Einzelfalls zu entscheiden. Voraussetzung sei nach dem Rechtsgedanken des § 126 b Satz 2 Nr. 2 BGB dabei allerdings stets, dass die vom Vermieter zur Verfügung gestellten Kopien geeignet seien, die dokumentierten Erklärungen unverändert wiederzugeben. Dabei gingen Zweifel an der Authentizität und Unverfälschtheit zu Lasten des Vermieters.
Ein Ausnahmefall, in dem der Vermieter nicht Einsichtnahme in die Originalbelege schulde, komme beispielsweise dann in Betracht, wenn der Vermieter seinerseits von seinem Dienstleister entsprechende Belege nur in digitaler Form erhalten habe. Darüber hinaus könne aufgrund besonderer, vom Tatrichter zu würdigenden Umständen des Einzelfalls anzunehmen sein, dass dem Vermieter ausnahmsweise nicht zugemutet werden könne, dem Mieter Einsicht in vorhandene Originalunterlagen zu gewähren. Für den vorliegenden Fall hätten hierfür keine Anhaltspunkte vorgelegen.
27.04.2022