Der Republikanische Anwältinnen- und Anwälteverein e.V. (RAV) ist eine bundesweit tätige politische Anwaltsorganisation, die sich als Teil der Bürgerrechtsbewegung versteht. Das MieterMagazin sprach mit Carola Handwerg, Benjamin Raabe und Benjamin Hersch vom Arbeitskreis Mietrecht innerhalb des Vereins.
MieterMagazin: Was war der Anlass für die Gründung des RAV, und wie kam es dazu, dass Mietrecht ein Themenschwerpunkt wurde?
Benjamin Hersch: Der RAV wurde nach den Umbrüchen von 1968 von progressiven Anwältinnen und Anwälten gegründet, die zum Teil selber staatlicher Verfolgung ausgesetzt waren, etwa als Strafverteidiger von RAF-Angehörigen. Der RAV hat sich schon immer für die Interessen wirtschaftlich und sozial Schwacher eingesetzt. Da passt Mietrecht gut dazu: Es gibt nun mal eine strukturelle Ungleichheit im Vermieter-Mieter-Verhältnis. Trotzdem war der Verein lange Zeit vor allem von der Strafverteidigung geprägt. Erst 2013 hat sich der Arbeitskreis Mietrecht gegründet.
Benjamin Raabe: Die meisten von uns haben lange für die Berliner Mietergemeinschaft Mieterberatung gemacht. Wir haben dann irgendwann gemerkt, dass es wichtig ist, den Service für die Mitglieder zu verbessern. Wir wollten zum Beispiel, dass der Verein die Mieterinitiativen stärker unterstützt. Dafür gab es in der Mietergemeinschaft keinerlei Offenheit, und so haben wir beschlossen, uns dem RAV anzuschließen. Wir haben viel zu sagen und wollen uns einmischen. Dafür gibt uns der Republikanische Anwältinnen- und Anwälteverein Raum. Wir machen Veranstaltungen, zum Beispiel zum Zweckentfremdungsverbot oder zum Mietendeckel. Darüber hinaus werden wir bei mietrechtlichen Gesetzesvorhaben um Stellungnahmen gebeten. Qua Berufsstand gelten wir als seriös und im Vergleich zum Deutschen Mieterbund als unparteiisch. Wir sind also eine Art alternative Stimme der Juristen und damit eine echte Marktlücke (lacht).
Benjamin Hersch: Einige von uns sind im bundesweiten Netzwerk Mieten und Wohnen organisiert. Eine tragende Säule dieser Organisation sind die bundesweiten Mietenkonferenzen alle zwei Jahre. Die Idee ist, einen breiten Diskurs auf den Weg zu bringen – also nicht nur unter Juristen, auch mit Architekten und Stadtplanern – und sich mit Gleichgesinnten auszutauschen. Diese Solidarisierung erlebe ich als Gegengewicht zu den Vereinzelungen von Mieterinnen und Mietern in Gerichtsverfahren.
MieterMagazin: Was sind denn nach Ihrer Einschätzung derzeit die größten Baustellen im Mietrecht?
Carola Handwerg: Das Hauptproblem sind seit einiger Zeit Eigenbedarfskündigungen. Zwar merkt man, dass die Gerichte genauer hinschauen und Härteeinwände ernster genommen werden. Aber es kann doch nicht sein, dass Leute, die Geld haben, eine vermietete Wohnung kaufen und anschließend wegen Eigenbedarf die bisherigen Mieter kündigen. Das zu ändern ist eine unsere Forderungen.
Benjamin Raabe: Der Bundesgerichtshof baut Mieterrechte massiv ab. Mit wenigen Ausnahmen, etwa bei den Schönheitsreparaturen und dem Anspruch auf Untervermietung, urteilen die Gerichte immer vermieterfreundlicher. Eine unserer Forderungen: Die Schonfristzahlung muss auch für die ordentliche Kündigung gelten. Es kann nicht sein, dass Mieter, die Mietschulden unverzüglich ausgleichen, ihre Wohnung verlieren. Zudem muss eingeführt werden, dass Vermieter bei Vertragsverstößen die Mieterin oder den Mieter zuerst abmahnen müssen. Heutzutage wird beim kleinsten Verstoß sofort gekündigt. Auch wenn das vor Gericht nicht durchgeht, ist es ein enormer psychischer Druck für die Betroffenen. Selbstverständlich setzen wir uns auch für Vorschriften zur Mietbegrenzung ein. Ich selber habe unlängst zusammen mit dem Berliner Stadtsoziologen Andrej Holm ein Konzept für einen bundesweiten Mietendeckel erarbeitet.
Carola Handwerg: Der Berliner Markt ist außer Rand und Band geraten. Es gibt immer mehr prekäre Mietverhältnisse. Betroffen sind vor allem Leute mit Migrationshintergrund, die gar nicht wissen, was sie da im Mietvertrag unterschrieben haben. Das trifft insbesondere auf Befristungen und Mietpreisüberhöhungen zu.
Interview: Birgit Leiß
Verteidiger der Bürger- und Menschenrechte
Der RAV wurde 1979 gegründet und hat derzeit rund 1000 Mitglieder. Erklärtes Ziel des Vereins ist es, Bürger- und Menschenrechte gegenüber staatlichen, wirtschaftlichen oder gesellschaftlichen Machtansprüchen zu verteidigen und auf eine fortschrittliche Entwicklung des Rechts hinzuwirken. Der RAV bietet anwaltliche Fortbildungen an und mischt sich immer wieder in gesellschaftliche Debatten ein. Er wendet sich unter anderem gegen ein rassistisches Asylrecht, und er tritt ein gegen Polizeigewalt und gegen die Einschränkung der Versammlungs- und Pressefreiheit.
bl
29.04.2022