Kleingärten erfreuen sich nicht erst seit der Corona-Pandemie größter Beliebtheit. Wie eine Neu-Kleingartenpächterin die ersten Monate erlebt, davon berichtet Katharina Buri, MieterMagazin-Autorin und seit einiger Zeit selbst Angehörige der Schreber-Zunft.
Freund oder Feind? Stehenlassen und die ungehemmte Ausbreitung riskieren – oder rausreißen und womöglich eine schöne Staude vernichten? Die Pflanzenerkennungs-App muss mal wieder ran. Ich fotografiere Blätter und Blüten der unbekannten Pflanze, die sich gefühlt über Nacht flächig rund um unsere Laube ausgebreitet hat. „Leider kein Ergebnis“, stellt die App fest. Ich seufze. Dann muss wohl eines von Omas alten Pflanzenbestimmungsbüchern ran. Zu erkennen, was eine Nutzpflanze ist und was gefürchtetes Unkraut – das in Gärtnerkreisen heute auch als „Beikraut“ firmiert – dass ist für Kleingarten-Neulinge wie mich eine der größten Herausforderungen. Eine von vielen.
Die Hängematte ist nicht vorn auf der Liste
Ich kann nicht behaupten, ich sei nicht gewarnt worden: „Kleingärten sind keine Erholungsgärten!“, titelte streng das örtliche Kleingarten-Magazin im vergangenen Jahr. Eine Überschrift, die mir immer mal wieder in den Sinn kommt, wenn ich jäte, Hochbeete bepflanze oder den Brombeerranken den Kampf ansage, statt wie geplant mit einem Buch in der Hängematte zu liegen. Aber letztere ist sowieso noch nicht gekauft, denn bei den neuerdings zahlreichen Fahrten in den Baumarkt steht leider Praktisches wie etwa Gartenwerkzeuge deutlich weiter oben auf der Einkaufsliste.
Irgendwann lasse ich das Googeln sein und probiere einfach selber aus: Kann man statt Saatkartoffeln auch einfach keimende Supermarkt-Kartoffeln in die Erde drücken? Ab wann sollte man die vorgezogenen Zucchini-Pflänzchen ins Freie setzen? Wie oft muss man in einem Gewächshaus wässern? Und was hilft eigentlich wirklich gegen Schnecken?
Der Weg zum Selbstversorgertum, er ist steinig. Und man kann nicht einmal im Stillen scheitern. Denn neben den zahlreichen Tieren, denen der Garten ein Zuhause ist und die meinen Aktionismus interessiert betrachten – und konterkarieren –, gibt es ja auch noch die menschlichen Nachbarn. Wir wurden gewarnt vor dem Kleingarten-Kleingedruckten, dessen Einhaltung bei der jährlichen Gartenbegehung überprüft wird. Und: Wer einen Kleingarten pachtet, wird auch Mitglied im Kleingartenverein – und muss entsprechend Arbeitseinsätze im Vereinsgarten leisten.
Aber trotz der niemals endenden Arbeit und der Fülle an Projekten gibt es kaum einen schöneren Ort als den eigenen Garten. Morgens barfuß übers Gras und mit einem Kaffee in der Hand den Vögeln lauschen. Fürs Kind ein Ort zum toben. Abends Selbstgegrilltes genießen mit Freunden. Denn eine alte Kleingärtnerweisheit besagt: Nichts schmeckt besser als selbstgezogenes Gemüse.
Katharina Buri
Wie komme ich an einen Kleingarten?
Unsere Autorin Katharina Buri (37) lebt und gärtnert mit Partner und Kind in Potsdam. Auch in Berlin gibt es mit 71.000 Kleingärten – verteilt auf 880 Anlagen, die drei Prozent der Stadtfläche ausmachen – ein großes Angebot. Noch größer ist allerdings die Nachfrage. Bereits vor Corona standen 12.000 Berliner auf Wartelisten für einen Kleingarten – im letzten Sommer waren es laut dem Berliner Landesverband der Gartenfreunde 19.000. „Geschätzte Wartezeit: bis zu zehn Jahre“, schrieb Deutschlandfunk Kultur. Wer sein Glück versuchen möchte, bewirbt sich beim jeweils im Bezirk ansässigen Kleingärtner-Bezirksverband. Bei einer erfolgreichen Vermittlung werden einmalige und laufende Kosten fällig: zunächst für die Laube und die Pflanzen auf der Parzelle. Diese bewegen sich laut Senatsverwaltung für Umwelt bei 2000 bis 5000 Euro. Jährlich ist dann noch mit rund 500 Euro für Pachtzins, Vereins-Mitgliedsbeiträge sowie Wasser und Strom zu rechnen. Das Bundeskleingartengesetz regelt die Nutzung der Gärten, in den Anlagen in bezirklicher Hand auch die Verwaltungsvorschriften des Senats. Zudem greift die jeweilige Vereinssatzung.
kb
Übersicht über die bezirklichen Kleingartenverbände unter
www.berlin.de/sen/uvk/natur-und-gruen/stadtgruen/kontakt/verbaende-organisationen/kleingartenverbaende
Dass dem Kleingartentum längst nichts Piefiges mehr anhaftet, zeigen zahlreiche aktuelle Bücher zum Thema, unter anderem „A Modern Way to Schreber“ von Anne Peter und Jens Amende, im Februar bei Knesebeck erschienen und für 28 Euro im Handel erhältlich.
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27.05.2022