Leitsatz:
Die ortsübliche Vergleichsmiete ist auf Grundlage des Berliner Mietspiegels 2021 gemäß § 287 ZPO zu schätzen. Die Einholung eines Gutachtens ist nicht erforderlich.
AG Kreuzberg vom 3.3.2022 – 8 C 263/21 –
Mitgeteilt von Rechtsanwalt Manfred Lenz
Anmerkungen des Berliner Mietervereins
Mit Schreiben vom 2.6.2021 forderte die Vermieterin die Mieterin auf, einer Anhebung der monatlichen Nettokaltmiete von 409,00 Euro um 45,36 Euro auf 454,36 Euro mit Wirkung ab dem 1.9.2021 zuzustimmen. Zur Begründung ihres Mieterhöhungsverlangens benannte die Vermieterin sechs Vergleichswohnungen. Das Mietspiegelfeld, in das die Wohnung der Mieterin nach dem Berliner Mietspiegel 2021 einzuordnen ist, nannte die Vermieterin nicht.
In der Klageschrift vom 26.11.2021 gab die Vermieterin das Mietspiegelfeld H1 als einschlägiges Mietspiegelfeld für die Wohnung der Mieterin an. Zudem verlangte die Vermieterin mit der Klageschrift hilfsweise erneut die begehrte Mieterhöhung und benannte hierzu ergänzend vier weitere Vergleichswohnungen.
Die Vermieterin war der Ansicht, dass es sich bei dem Berliner Mietspiegel 2021 weder um einen einfachen Mietspiegel im Sinne von § 558 c BGB, geschweige denn um einen qualifizierten Mietspiegel im Sinne von § 558 d BGB handele und dieser daher für die Ermittlung der ortsüblichen Vergleichsmiete nicht herangezogen werden könne.
Dieser Auffassung folgte das Amtsgericht jedoch nicht.
Zwar sei das Mieterhöhungsverlangen vom 2.6.2021 formell wirksam. Die Kappungsgrenze im Sinne von § 558 Abs. 3 BGB und die Wartefrist gemäß § 558 Abs. 1 BGB seien eingehalten worden. Soweit die Vermieterin entgegen § 558 a Abs. 3 BGB das unstreitig einschlägige Mietspiegelfeld H1 im Mieterhöhungsverlangen vom 2.6.2021 nicht angegeben habe, habe sie dies in der Klageschrift nachgeholt, so dass dieser Formmangel gemäß § 558 b Abs. 3 Satz 1 BGB geheilt worden sei.
Unter Zugrundelegung des Berliner Mietspiegels 2021 bestehe jedoch kein Anspruch auf Zustimmung zur Mieterhöhung. Die ortsübliche Vergleichs-Nettokaltmiete betrage danach maximal 393,90 Euro. Die Mieterin zahle aber jetzt schon eine Nettokaltmiete in Höhe von 409 Euro.
Das Gericht könne sich zur Ermittlung der ortsüblichen Vergleichsmiete des Berliner Mietspiegels 2021 bedienen. Der Mietspiegel sei grundsätzlich anwendbar, denn er entspreche jedenfalls den Anforderungen des § 558 c BGB und stelle damit als zumindest einfacher Mietspiegel ein Indiz dafür dar, dass die angegebenen Entgelte die ortsübliche Vergleichsmiete zutreffend wiedergäben. Gemäß der Sollvorschrift des § 558 c Abs. 3 BGB sollen einfache Mietspiegel im Abstand von zwei Jahren der Marktentwicklung angepasst werden.
Das Gesetz schreibe weder die Form der Fortschreibung vor noch begrenze es die Anzahl der möglichen Mietspiegelfortschreibungen. Letztendlich werde die Entscheidung, wie und wie oft die Fortschreibung erfolge, davon abhängen, wie sich das Mietenniveau verändert habe. Bei größeren Veränderungen dürfte eine Neuaufstellung sinnvoll sein, ansonsten komme die Fortschreibung in Betracht.
Die Besonderheit des Berliner Mietspiegels 2021 bestehe darin, dass aufgrund des sogenannten Mietendeckels in Berlin, der die Mieten in Berlin auf dem Stand 18.6.2019 eingefroren hatte und der erst am 13.4.2021 vom Bundesverfassungsgericht für verfassungswidrig erklärt wurde, die Mieten in Berlin ganz überwiegend über einen Zeitraum von nahezu zwei Jahren unverändert geblieben seien. Die meisten Vermieter hätten die Mieten in dieser Zeit nicht unter Hinweis auf die von ihnen angenommene Verfassungswidrigkeit des Mietendeckels erhöht, sondern „stillgehalten“. Diese Besonderheit habe dazu geführt, dass im Berliner Mietspiegel 2021 die Werte des Berliner Mietspiegels 2019 übernommen und nur um einen allgemeinen Preisanstieg in Höhe von 1,1 % erhöht wurden. Dies erscheine vor dem geschilderten Hintergrund der durch den verfassungswidrigen Mietendeckel entstandenen Konstellation richtig und angemessen. Eine Fortschreibung des Berliner Mietspiegels 2019 sei damit sinnvoll.
Aber selbst wenn weder die Voraussetzungen eines qualifizierten noch die eines einfachen Mietspiegels erfüllt wären, sei das Gericht berechtigt, den Berliner Mietspiegel 2021 bei seiner Beurteilung der ortsüblichen Vergleichsmiete zugrunde zu legen. Denn Anknüpfungspunkt für die tatrichterliche Überzeugungsbildung sei nicht die Qualifikation eines Mietspiegels, sondern seine Indizwirkung, dass die dort angegebenen Entgelte die ortsübliche Vergleichsmiete zutreffend wiedergäben. Inwieweit diese Indizwirkung reiche, hängt von den konkreten Umständen des jeweiligen Einzelfalls, insbesondere der Qualität des herangezogenen Mietspiegels ab.
Im Ergebnis halte das Gericht die im Berliner Mietspiegel 2021 angegebenen Mietentgelte für die zutreffende, da repräsentativ ermittelte Schätzgrundlage, wohingegen die von der Vermieterin zur Begründung angeführten wenigen Vergleichswohnungen nur ein schwaches Indiz dafür seien, dass die dort angegebenen Mieten der tatsächlich ortsüblichen Vergleichsmiete entsprächen. Zum einen seien drei der Vergleichswohnungen aus dem Mieterhöhungsverlangen vom 2.6.2021 und zwei der Vergleichswohnungen, die in der Klageschrift benannt wurden, Wohnungen in demselben Haus, in dem sich auch die streitgegenständliche Wohnung der Mieterin befinde, so dass davon auszugehen sei, dass die Vermieterin auch die Vermieterin dieser Vergleichswohnungen sei. Zum anderen wichen die Größen der Wohnungen von der Größe der streitgegenständlichen Wohnung der Mieterin erheblich ab, und zwar um bis zu 50 % nach unten und bis zu 30 % nach oben. Es liege auf der Hand, dass die bei der Erstellung des Berliner Mietspiegels 2019 (der – wie oben geschildert – mit um 1,1 % erhöhten Werten in den Berliner Mietspiegel 2021 mündete) eingeflossenen Daten wesentlich umfangreicher und präziser und somit repräsentativer seien als die von der Vermieterin angeführten Mieten der von ihr herangezogenen Vergleichswohnungen. Dies gelte umso mehr, als es sich bei dem hier einschlägigen Mietspiegelfeld H1 um kein mit Sternchen versehenes Feld handele, das nach den Erläuterungen des Berliner Mietspiegels 2021 nur eine geringere Aussagekraft hätte als die anderen Mietspiegelfelder.
Anmerkung
Bislang sind folgende weitere amtsgerichtlichen Entscheidungen zur Qualität des Berliner Mietspiegel 2021 bekannt geworden:
Der Berliner Mietspiegel 2021 entspricht jedenfalls den Anforderungen des § 558 c BGB und stellt damit als zumindest einfacher Mietspiegel ein Indiz dafür dar, dass die angegebenen Entgelte die ortsübliche Vergleichsmiete zutreffend wiedergeben (AG Neukölln vom 7.7.2021 – 13 C 43/21 –, GE 21, 1007).
Der Berliner Mietspiegel 2021 dient dem Gericht als Schätzungsgrundlage für die Ermittlung der ortsüblichen Vergleichsmiete (AG Lichtenberg vom 5.11.2021 – 10 C 553/21 –, WuM 22, 113; Anm. Jakob WuM 22, 114).
Der Berliner Mietspiegel 2021 ist weder ein qualifizierter Mietspiegel nach § 558 d BGB noch ein einfacher Mietspiegel nach § 558 c BGB, weil er nur die in den letzten vier Jahren erhöhten beziehungsweise neu vereinbarten Mieten wiedergibt und nicht die ortsübliche Miete nach der seit dem 1. Januar 2020 geltenden rechtlichen Definition (AG Spandau vom 10.1.2022 – 6 C 395/21 –, GE 22, 255; Anm. GE 22, 227).
Zur Feststellung der ortsüblichen Vergleichsmiete ist das Datenmaterial des Berliner Mietspiegels 2021 heranzuziehen (ohne weitere Begründung) (AG Kreuzberg vom 30.3.2022 – 7 C 306/21 –).
Der Berliner Mietspiegel 2021 ist ein einfacher Mietspiegel (AG Lichtenberg vom 8.2.2022 – 20 C 322/21 –, WuM 22, 248).
Urteilstext
Tatbestand
Zwischen den Parteien besteht ein Wohnraummietverhältnis, das mit Mietvertrag vom 06.03.2006 begründet wurde. Die Klägerin begehrt von der Beklagten die Zustimmung zu einer Mieterhöhung auf die ortsübliche Vergleichsmiete.
Das zwischen den Parteien bestehende Mietverhältnis betrifft eine (nach Neuvermessung unstreitig) 61,07 m2 große 2-Zimmer-Wohnung im 3. Obergeschoss links des Hinterhauses in der L.-straße xx in 1xxxx Berlin. Zwischen den Parteien ist eine Nettokaltmiete zuzüglich eines Betriebs- und Heizkostenvorschusses vereinbart.
Mit Schreiben vom 02.06.2021 forderte die Klägerin die Beklagte auf, einer Anhebung der monatlichen Nettokaltmiete von 409,00 € um 45,36 € auf 454,36 € mit Wirkung ab dem 01.09.2021 zuzustimmen. Zur Begründung ihres Mieterhöhungsverlangens benannte die Klägerin sechs Vergleichswohnungen. Das Mietspiegelfeld, in das die Wohnung der Beklagten nach dem Berliner Mietspiegel 2021 einzuordnen ist, nannte die Klägerin nicht.
In der Klageschrift vom 26.11.2021 gab die Klägerin das Mietspiegelfeld H1 als einschlägiges Mietspiegelfeld für die Wohnung der Beklagten an. Zudem verlangte die Klägerin mit der Klageschrift hilfsweise erneut die begehrte Mieterhöhung und benannte hierzu ergänzend vier weitere Vergleichswohnungen.
Zwischen den Parteien ist unstreitig, dass die Wohnung in das Mietspiegelfeld H1 nach dem Berliner Mietspiegel 2021 einzuordnen und mit Sammelheizung, Bad und Innen-WC ausgestattet ist. Weiterhin ist zwischen den Parteien unstreitig, dass die Merkmalgruppen 2 (Küche) und 5 (Wohnumfeld) als neutral zu bewerten sind und dass das Bad kleiner als 4 m2 ist und sich dort ein Strukturheizkörper als Handtuchwärmer befindet.
Die Wohnung verfügt über keinen Balkon. Direkt neben der Eingangstür befindet sich eine Fläche, die vom sonstigen Flur weitgehend abgeteilt ist und mittels eines Vorhangs zu einer Abstellkammer gemacht werden kann. Die Wohnung verfügt über Thermopenfenster, welche nach 1995 eingebaut worden sind. Ausweislich des von der Klägerin als Anlage K6 vorgelegten Energieausweises beträgt der Endenergiebedarf des Hauses 156 kWh/(m2 a).
Die Klägerin behauptet, dass der Anbau eines Balkons aus baulichen und/oder rechtlichen Gründen nicht zulässig sei, weil die erforderlichen Abstandsflächen nicht eingehalten werden könnten.
Die Klägerin ist der Ansicht, dass es sich bei dem Berliner Mietspiegel 2021 weder um einen einfachen Mietspiegel im Sinne von § 558c BGB geschweige denn um einen qualifizierten Mietspiegel im Sinne von § 558d BGB handele und dieser daher für die Ermittlung der ortsüblichen Vergleichsmiete nicht herangezogen werden könne.
Die Klägerin beantragt, die Beklagte zu verurteilen, einer Erhöhung der monatlichen Nettokaltmiete für die von ihr gemietete Wohnung in der L.-straße xx, 1xxxx Berlin, von bislang 409,00 € um 45,36 € auf 454,36 € ab dem 01.09.2021 zuzustimmen.
Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.
Die Beklagte behauptet, dass die Wohnung einen schlechten Schnitt habe und im Quergebäude bei verdichteter Bebauung liege. Man könne sich mit den Nachbarn durch die Fenster unterhalten Die Beklagte ist im Übrigen der Ansicht, dass das Mieterhöhungsverlangen vom 02.06.2021 formell unwirksam sei, weil eine Bezugnahme auf den Berliner Mietspiegel 2021 fehle.
…
Entscheidungsgründe
Die Klage ist zulässig, aber unbegründet.
I.
Die Klägerin hat gegen die Beklagte keinen Anspruch aus §§ 558 Abs. 1, 558b Abs. 1 BGB auf Zustimmung zu der von ihr begehrten Mieterhöhung.
Das Mieterhöhungsverlangen vom 02.06.2021 ist zwar formell wirksam. Die Kappungsgrenze im Sinne von § 558 Abs. 3 BGB und die Wartefrist gemäß § 558 Abs. 1 BGB wurden eingehalten. Soweit die Klägerin entgegen § 558a Abs. 3 BGB das unstreitig einschlägige Mietspiegelfeld H1 im Mieterhöhungsverlangen vom 02.06.2021 nicht angegeben hat, hat sie dies in der Klageschrift nachgeholt, so dass dieser Formmangel gemäß § 558b Abs. 3 Satz 1 BGB geheilt wurde.
Unter Zugrundelegung des Berliner Mietspiegels 2021 besteht jedoch kein Anspruch auf Zustimmung zur Mieterhöhung.
Nach ständiger Rechtsprechung darf die ortsübliche Vergleichsmiete im Prozess nur auf der Grundlage von Erkenntnisquellen bestimmt werden, die die tatsächlichen üblicherweise gezahlten Mieten für vergleichbare Wohnungen in einer für die freie tatrichterliche Überzeugungsbildung (§ 286 ZPO) hinreichenden Weise ermittelt haben (vgl. BGH, Urteil vom 26.5.2021 – VIII ZR 93/20 -, juris, Rz. 25 m. w. N.). Nach dieser Maßgabe schätzt das Gericht die ortsübliche Vergleichsmiete gemäß § 287 ZPO auf Grundlage des Berliner Mietspiegels 2021 und hält die Einholung eines Sachverständigengutachtens nicht für erforderlich.
Das Gericht kann sich zur Ermittlung der ortsüblichen Vergleichsmiete des Berliner Mietspiegels 2021 bedienen. Der Mietspiegel ist grundsätzlich anwendbar, denn er entspricht jedenfalls den Anforderungen des § 558c BGB und stellt damit als zumindest einfacher Mietspiegel ein Indiz dafür dar, dass die angegebenen Entgelte die ortsübliche Vergleichsmiete zutreffend wiedergeben. Gemäß der Sollvorschrift des § 558c Abs. 3 BGB sollen einfache Mietspiegel im Abstand von zwei Jahren der Marktentwicklung angepasst werden.
Das Gesetz schreibt weder die Form der Fortschreibung vor noch begrenzt es die Anzahl der möglichen Mietspiegelfortschreibungen (vgl. Börstinghaus in Schmidt-Futterer, Mietrecht, 15. Aufl. 2022, §§ 558c, 558d, Rn. 71). Letztendlich wird die Entscheidung, wie und wie oft die Fortschreibung erfolgt, davon abhängen, wie sich das Mietenniveau verändert hat. Bei größeren Veränderungen dürfte eine Neuaufstellung sinnvoll sein, ansonsten kommt die Fortschreibung in Betracht.
Die Besonderheit des Berliner Mietspiegels 2021 besteht darin, dass aufgrund des sog. Mietendeckels in Berlin, der die Mieten in Berlin auf dem Stand 18.06.2019 eingefroren hatte und der erst am 13.04.2021 vom Bundesverfassungsgericht für verfassungswidrig erklärt wurde, die Mieten in Berlin ganz überwiegend über einen Zeitraum von nahezu zwei Jahren unverändert geblieben sind. Die meisten Vermieter haben die Mieten in dieser Zeit nicht unter Hinweis auf die von ihnen angenommene Verfassungswidrigkeit des Mietendeckels erhöht, sondern „still gehalten“. Diese Besonderheit führte dazu, dass im Berliner Mietspiegel 2021 die Werte des Berliner Mietspiegels 2019 übernommen und nur um einen allgemeinen Preisanstieg in Höhe von 1,1 % erhöht wurden. Dies erscheint vor dem geschilderten Hintergrund der durch den verfassungswidrigen Mietendeckel entstandenen Konstellation richtig und angemessen. Eine Fortschreibung des Berliner Mietspiegels 2019 ist damit sinnvoll.
Aber selbst wenn weder die Voraussetzungen eines qualifizierten noch die eines einfachen Mietspiegels erfüllt wären, ist das Gericht berechtigt, den Berliner Mietspiegel 2021 bei seiner Beurteilung der ortsüblichen Vergleichsmiete zugrunde zu legen. Denn Anknüpfungspunkt für die tatrichterliche Überzeugungsbildung ist nicht die Qualifikation eines Mietspiegels, sondern seine Indizwirkung, dass die dort angegebenen Entgelte die ortsübliche Vergleichsmiete zutreffend wiedergeben (vgl. BGH a. a. 0., Rz. 30, m. w. N.). Inwieweit diese Indizwirkung reicht, hängt von den konkreten Umständen des jeweiligen Einzelfalls, insbesondere der Qualität des herangezogenen Mietspiegels ab (vgl. BGH a. a. 0., Rz. 30).
Im Ergebnis hält das Gericht die im Berliner Mietspiegel 2021 angegebenen Mietentgelte für die zutreffende, da repräsentativ ermittelte Schätzgrundlage, wohingegen die von der Klägerin zur Begründung angeführten wenigen Vergleichswohnungen nur ein schwaches Indiz dafür sind, dass die dort angegebenen Mieten der tatsächlich ortsüblichen Vergleichsmiete entsprechen (vgl. hierzu Börstinghaus in Schmidt-Futterer, Mietrecht, 15. Aufl. 2022, § 558a BGB, Rn. 149). Zum einen sind drei der Vergleichswohnungen aus dem Mieterhöhungsverlangen vom 02.06.2021 und zwei der Vergleichswohnungen, die in der Klageschrift benannt wurden, Wohnungen in demselben Haus, in dem sich auch die streitgegenständliche Wohnung der Beklagten befindet, so dass davon auszugehen ist, dass die Klägerin auch die Vermieterin dieser Vergleichswohnungen ist. Zum anderen weichen die Größen der Wohnungen von der Größe der streitgegenständlichen Wohnung der Beklagten erheblich ab, und zwar um bis zu 50 % nach unten und bis zu 30 % nach oben. Es liegt auf der Hand, dass die bei der Erstellung des Berliner Mietspiegels 2019 (der – wie oben geschildert – mit um 1,1 % erhöhten Werten in den Berliner Mietspiegel 2021 mündete) eingeflossenen Daten wesentlich umfangreicher und präziser und somit repräsentativer sind als die von der Klägerin angeführten Mieten der von ihr herangezogenen Vergleichswohnungen. Dies gilt umso mehr, als dass es sich bei dem hier einschlägigen Mietspiegelfeld H1 um kein mit Sternchen versehenes Feld handelt, das nach den Erläuterungen des Berliner Mietspiegels 2021 nur eine geringere Aussagekraft hätte als die anderen Mietspiegelfelder.
Die Wohnung ist, was zwischen den Parteien unstreitig ist, in das Mietspiegelfeld H1 nach dem Berliner Mietspiegel 2021 einzuordnen, das hinsichtlich der Nettokaltmiete eine Mietpreisspanne von 4,89 €/m2 bis 10,11 €/m2 und einen Mittelwert von 6,84 €/m2 ausweist.
Grundsätzlich ist zur Ermittlung der ortsüblichen Vergleichsmiete der Mittelwert maßgeblich, da dieser den für die weitaus überwiegende Anzahl der in der Mietspiegelgruppe erfassten Wohnungen geltenden Mietzins wiedergibt. Eine Über- oder Unterschreitung ist nur dann geboten, wenn in der Wohnung wohnwertmindernde oder wohnwerterhöhende Merkmale überwiegen. Im vorliegenden Fall führt dies dazu, dass die ortsübliche Vergleichsmiete maximal dem Mittelwert abzüglich 20 % der Differenz zwischen dem Mittelwert und dem unteren Spannenwert entspricht, mithin 6,45 €/m2 (6,84 €/m2 – 20 % aus 1,95 €/m2). Denn neben den zwischen den Parteien unstreitig neutralen Merkmalgruppen 2 (Küche) und 5 (Wohnumfeld) ist die Merkmalgruppe 1 (Bad/WC) neutral, die Merkmalgruppe 3 (Wohnung) negativ und die Merkmalgruppe 4 (Gebäude) maximal neutral. Die ortsübliche Vergleichs-Nettokaltmiete beträgt mithin maximal 393,90 € (6,45 €/m2 x 61,07 m2). Die Beklagte zahlt aber jetzt schon eine Nettokaltmiete in Höhe von 409,00 €. Im Einzelnen:
1.
Die Merkmalgruppe 1 (Bad/WC) ist neutral, da einerseits das Bad, das kleiner als 4 m2 ist, als wohnwertminderndes Merkmal, andererseits aber unstreitig ein Strukturheizkörper als Handtuchwärmer als wohnwerterhöhendes Merkmal vorhanden ist.
2.
Die Merkmalgruppe 3 (Wohnung) ist im Ergebnis negativ. Die Wohnung hat, wie sich aus dem in der mündlichen Verhandlung vom 03.03.2022 übergebenen Grundriss ergibt, ein gefangenes Zimmer, nämlich den Raum 2, den man nur über den Raum 1 erreichen kann. Unstreitig verfügt die Wohnung auch über keinen Balkon. Soweit die Klägerin behauptet, der Einbau eines Balkons ei aus baulichen und/oder rechtlichen Gründen nicht möglich oder nicht zulässig, hat die Klägerin ihren diesbezüglichen Vortrag nicht ausreichend belegt. Bei der Benennung eines instruierten Mitarbeiters des Bauamtes handelt es sich um kein hinreichendes Beweisangebot. Vielmehr hätte die Klägerin darlegen müssen, dass sie sich um den Anbau eines Balkons bemüht habe und eine entsprechende Anfrage beim Bauamt abschlägig beschieden worden sei.
Diesen beiden wohnwertmindernden Merkmalen innerhalb der Merkmalgruppe 3 steht nur ein wohnwerterhöhendes Merkmal gegenüber, nämlich der von der Klägerin vorgetragene Abstellraum innerhalb der Wohnung, der auf dem in der mündlichen Verhandlung vom 03.03.2022 überreichten Grundriss unschwer zu erkennen ist. Die Nische, die sich gleich rechts neben der Wohnungseingangstür befindet, ist für die Annahme dieses Merkmals ausreichend, da es nur darum geht, einen nicht sichtbaren Bereich in der Wohnung zu haben, in dem man Staubsauger, Bügelbrett und andere Gerätschaften abstellen kann, ohne dass sie die Optik der übrigen Räume stören (vgl. AG Wedding GE 2012, 1047). Soweit die Klägerin vorgetragen hat, dass in der Wohnung nach 1995 Thermopenfenster eingebaut worden seien, vermag dieser Vortrag das wohnwerterhöhende Merkmal „überwiegende Wärmeschutzverglasung (Einbau ab 2002)“ nicht zu begründen, da die Klägerin nicht vorgetragen hat, dass der Einbau erst ab 2002 erfolgt wäre. Im Ergebnis steht daher nur ein wohnwerterhöhendes Merkmal zwei wohnwertmindernden Merkmalen gegenüber, so dass die Merkmalgruppe 3 (Wohnung) insgesamt negativ ist.
3.
Die Merkmalgruppe 4 (Gebäude) ist maximal neutral. Die Klägerin hat für diese Merkmalgruppe keine wohnwerterhöhenden Merkmale vorgetragen, sondern nur die von der Beklagten behaupteten wohnwertmindernden Merkmale „Lage im Seitenflügel oder Quergebäude bei verdichteter Bebauung“ und „Energieverbrauchskennwert größer als 155 kWh/(m2 a)“ bestritten. Ob diese beiden Merkmale vorliegen oder nicht, kann aber dahin stehen, da die begehrte Mieterhöhung auch schon nicht begründet ist, wenn diese Merkmalgruppe neutral wäre.
II.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
26.05.2022