Berlin kann kapitalmarktbasierte und unseriöse Unternehmen einfach vom Wohnungsmarkt ausschließen. Das meint Jura-Professor Stefan Klinski. Die Idee könnte eine Alternative sein zur Vergesellschaftung großer Wohnungskonzerne, gegen deren Umsetzung sich Teile des Senats sträuben.
Die Auswüchse auf dem Wohnungsmarkt lassen sich abstellen, indem der Senat Wohnungsunternehmen, die gegen das Allgemeinwohl arbeiten, den Zugang zum Markt verwehrt. Vor allem Unternehmen, die vom Finanzmarkt getrieben agieren, die ihre Eigentumsverhältnisse nicht offenlegen oder ihre Gewinne in Steueroasen verschieben, dürften dann in Berlin nicht mehr tätig sein und müssten folglich ihre Wohnimmobilien verkaufen. Ein Gutachten des Professors Stefan Klinski von der Hochschule für Wirtschaft und Recht Berlin (HWR) zeigt, dass dies mit Bundes- und EU-Recht vereinbar wäre und auch in der Kompetenz des Landes Berlin läge.
Die Idee klingt utopisch. Doch in der Energiewirtschaft, in der Telekommunikationsbranche oder bei der Personenbeförderung sind Marktzugangsbeschränkungen seit Langem üblich. Wer bestimmte Mindeststandards nicht gewährleistet, darf nicht als Stromlieferant, Telefonanbieter oder Busunternehmer tätig werden. Damit sichert der Staat das Funktionieren einer grundlegenden Versorgung ab.
Der Zugang zum ebenso existenziellen Wohnungsmarkt ist hingegen nicht reguliert. Hier können börsennotierte Aktiengesellschaften, anonyme Fonds und Steuervermeider mit vielfältigen Spekulationsmethoden den sozialen Frieden gefährden, ohne dass sie negative Konsequenzen fürchten müssen. Für die Allgemeinheit ziehen solche Geschäftsmodelle jedoch erhebliche Folgekosten nach sich.
„Keine am Kapitalmarkt gehandelten Unternehmen“
Konkret möchte Klinski einen Genehmigungsvorbehalt für solche Akteure einführen: „Der Marktzugang wird auf Unternehmen beschränkt, deren Geschäftsmodelle sich mit dem Ziel vereinbaren lassen, der Bevölkerung auf Dauer ein angemessenes Wohnen zu ermöglichen.“ Auszuschließen wären laut Klinski Unternehmen, die am Kapitalmarkt gehandelt werden. „Immobilien haben für diese Unternehmen den Status von Finanzprodukten“, erklärt Klinski. „Die Wohnungen sind nicht mehr vorrangig Gebrauchsgegenstände, sondern eine Form der Finanzanlage.“
Außerdem soll der Zugang auch Unternehmen verwehrt werden, die ihre Eigentumsverhältnisse verschleiern oder Gewinne in Steueroasen verschieben. „Wenn es ein öffentliches Anliegen und staatlicher Auftrag ist, für geordnete Verhältnisse am Wohnungsmarkt zu sorgen, dann passt es dazu nicht, Geschäftsmodelle zuzulassen, die undurchschaubar sind – bis hin zu der bekanntermaßen nicht selten genutzten Möglichkeit, die Immobilien als Mittel zur Geldwäsche oder zur Steuerhinterziehung zu nutzen“, so Klinski.
Im nächsten Schritt wird diesen Unternehmen ein Veräußerungsgebot auferlegt. Das heißt, sie müssen ihre Wohnungsbestände innerhalb einer mehrjährigen Übergangsfrist verkaufen. Um eine Umgehung zu unterbinden, wird verboten, die Mietwohnungen in Einzeleigentum umzuwandeln oder für andere Zwecke umzunutzen.
Klinski ist überzeugt, dass eine solche Marktzugangsregelung in die Zuständigkeit des Landes Berlin fällt. Die Grundrechte des Eigentums, der Berufsfreiheit und der Gleichbehandlung sowie die EU-Kapitalverkehrsfreiheit würden nicht unverhältnismäßig durch eine solche Regelung eingeschränkt.
Jens Sethmann
Alternative zu „Deutsche Wohnen & Co enteignen“?
Die vorgeschlagene Marktzugangsbeschränkung zielt wie das erfolgreiche Volksbegehren „Deutsche Wohnen & Co enteignen“ darauf ab, die unverträglichsten Vermieter aus dem Spiel zu nehmen und so den gesamten Berliner Wohnungsmarkt zu beruhigen. Anders als die Enteignungsinitiative greift der Marktausschluss nicht erst ab einer Unternehmensgröße von 3000 Wohnungen, sondern ermöglicht es auch, kleinere unseriöse Vermieter vom Markt zu entfernen. Weil die zu veräußernden Wohnungen dieser Unternehmen nicht automatisch in öffentliches Eigentum übergehen, muss Berlin hier auch keine Entschädigung leisten. Allerdings wäre ein Ankauf durch die städtischen Wohnungsunternehmen wünschenswert. Dafür müsste die Stadt dann aber eine Menge Geld in die Hand nehmen. BMV-Geschäftsführer Reiner Wild unterstützt beide Ansätze: „Beide Vorschläge, die Vergesellschaftung wie der Bewirtschaftungsstopp, eint die Idee, ganz grundsätzlich auf dem Wohnungsmarkt umzusteuern und der Sozialpflichtigkeit des Eigentums wieder mehr Raum zu verschaffen.“ Dies sei dringend erforderlich.
js
28.06.2022