Die explodierenden Heizkosten bereiten vielen Mietern große Sorgen. Was passiert, wenn man die sicher kommende Nachzahlung nicht begleichen kann? Droht eine Kündigung? Und wie soll man reagieren, wenn der Vermieter vorsorglich eine erhöhte Vorauszahlung fordert?
Viele Mieter haben Post von ihrem Vermieter bekommen. Mit dem vagen Hinweis auf die gestiegenen Energiepreise wird dort – ohne dass bereits eine Abrechnung vorliegt – eine höhere Abschlagszahlung gefordert. Doch das muss man nicht akzeptieren, wie Sebastian Bartels von der Geschäftsführung des Berliner Mietervereins erklärt. In diesem Fall müsste der Vermieter ganz konkret darlegen, zu welchen Einkaufspreisen er Gas oder Heizöl bestellt hat und wie sich das auf die jeweilige Wohnung auswirkt.
Abgesehen von der rein rechtlichen Seite kann es aber durchaus Sinn machen, einem erhöhten Vorschuss zuzustimmen. Denn ansonsten droht unter Umständen eine happige Nachzahlung, wenn Mitte oder Ende nächsten Jahres die Heizkostenabrechnung für 2022 kommt. Es gibt allerdings Ausnahmen. „Wenn ich weiß, dass ich im nächsten Winter gar nicht da bin, oder wenn ich vorhabe, konsequent Heizenergie zu sparen, ist eine vorsorgliche Anhebung nicht erforderlich“, sagt Bartels. In solchen Fällen empfiehlt er jedoch das „Keksdosenprinzip“, will heißen: Man sollte sich vorsorglich etwas zur Seite legen, bis die Abrechnung kommt.
Sicher ist sicher: das Keksdosenprinzip
Wer Schwierigkeiten hat, eine Nachforderung zu begleichen, sollte versuchen, mit dem Vermieter eine Ratenzahlung zu vereinbaren, und zwar schriftlich. Ein Anspruch auf Ratenzahlung besteht zwar nicht, doch einige Wohnungsunternehmen haben bereits Kulanz angekündigt. Auch auf Kündigungen wegen Zahlungsrückstand wollen einige verzichten. Ansonsten gilt: Heizkosten sind ein Bestandteil der Miete, und sobald eine Monatsmiete Rückstand zusammengekommen ist, wird es kritisch. Das vom Deutschen Mieterbund geforderte Kündigungsmoratorium wird von Teilen der Ampelkoalition unterstützt, ist aber derzeit noch nicht beschlossen.
Um wieviel teurer das Heizen wird, ist schwer vorauszusagen, zumal es auch auf die Heizungsart ankommt. Betroffen sind fast alle Mieter, egal ob mit Gas, Heizöl, Fernwärme oder Kohlen geheizt wird. Wer seine Heizkosten nicht an den Vermieter, sondern direkt an den Versorger zahlt, etwa bei Gasetagenheizungen, hat häufig jetzt schon Preiserhöhungen erhalten. Hier muss man wegen Ratenzahlungen direkt mit dem Versorger verhandeln.
Eine weitere große Sorge vieler Mieter: Kann die Heizung vom Vermieter so weit heruntergefahren werden, dass es nicht mehr richtig warm wird? Einige Wohnungsunternehmen haben das bereits angekündigt. Eine Genossenschaft in Sachsen will ihre Mieter sogar nur noch stundenweise mit Warmwasser versorgen.
Doch ohne gesetzliche Grundlage ist das eindeutig rechtswidrig. Nach wie vor gilt: der Vermieter schuldet bestimmte Mindesttemperaturen. Manchmal sind sie im Mietvertrag festgelegt, ansonsten gelten die Vorgaben der Rechtsprechung. Demnach muss es tagsüber mindestens 20 bis 22 Grad sein, nachts mindestens 17 bis 18 Grad. Allerdings ist nicht ganz ausgeschlossen, dass bei einer sich verschärfenden Situation der juristische Tatbestand „Wegfall der Geschäftsgrundlage“ zum Tragen kommt. Das bedeutet: Gibt es nicht genug Heizenergie für alle Wohnungen, entfällt die Verpflichtung. Die Hürden hierfür sind allerdings sehr hoch.
Birgit Leiß
Untaugliche Alternativen
Die Angst vor einer kalten Wohnung hat zu einem Ansturm auf elektrische Heizlüfter geführt. 600.000 dieser Geräte wurden im ersten Halbjahr 2022 verkauft, das ist ein Anstieg von 35 Prozent. Die nächste Stromrechnung könnte allerdings ein Schock werden, denn der Verbrauch ist enorm.
Eine andere absurde Entwicklung: Immer mehr Mieter wollen ihre noch vorhandenen Kachelöfen reaktivieren oder sich einen Kamin installieren lassen. Doch für beides braucht man die Zustimmung des Vermieters. Zudem muss der Schornsteinfeger überprüfen, ob ein Anschluss überhaupt möglich ist. Abgesehen von der ökologischen Fragwürdigkeit – Stichwort Feinstaub und CO2-Belastung – gibt es ein weiteres Problem: für Kaminöfen existieren im Moment lange Lieferzeiten.
bl
30.08.2022