„Kooperation statt Konfrontation“ sollte der neue Spirit sein, wie die Regierende Bürgermeisterin Franziska Giffey (SPD) immer wieder betonte. Mit einem „Bündnis für Wohnungsneubau und bezahlbares Wohnen“ wollte sie die Blockaden und Widersprüche der Berliner Bau- und Wohnungspolitik innerhalb eines halben Jahres auflösen. Gelungen ist das nicht. Das am Ende präsentierte Papier des Bündnisses enthält in weiten Teilen nur unverbindliche Absichtserklärungen. Besonders beim Mieterschutz bleibt es weit hinter den Erwartungen zurück. Der Berliner Mieterverein, der an den Verhandlungen beteiligt war, ist dem Bündnis deshalb nicht beigetreten. Auch andere Beteiligte haben das Abschlusspapier nicht unterschrieben. Nachdem der angestrebte Schulterschluss der Beteiligten nicht zustande gekommen ist, steht das gesamte Projekt vor dem Scheitern.
Am 20. Juni, dem Tag der Präsentation der Bündnis-Ergebnisse im Roten Rathaus, war Franziska Giffey sichtlich um gute Stimmung bemüht. Sie inszenierte das Bündnis mit drei überdimensionalen Schlüsseln aus Pappe – dem Neubauschlüssel, dem Neuvermietungsschlüssel und dem Schutzschlüssel – die sie nacheinander einem Berliner Bären – ebenso aus Pappe – über den Arm hängte. „Wir haben sehr ambitionierte Ziele vereinbart, um die Berliner Mischung in lebenswerten Stadtquartieren zu erhalten“, kündigte Franziska Giffey an. „Berlin geht voran.“
Nicht so ganz in die launige Show passte, dass viele, die mit am Verhandlungstisch saßen, das Bündnis am Ende nicht mittrugen. Der Berliner Mieterverein (BMV) und der Zentrale Immobilienausschuss (ZIA) verweigerten ihre Unterschriften. Auch der Eigentümerverband Haus & Grund und die Gewerkschaften tragen das Bündnis nicht mit. „Keiner wird 100 Prozent seiner Wünsche erfüllt bekommen“, erklärte Giffey. „Aber wir haben viel, viel mehr geschafft als null Prozent. Und wir haben mehr geschafft als in anderen Bundesländern auch nur diskutiert wird.“
Bündnisziel Nummer eins: 100.000 Wohnungen innerhalb von fünf Jahren
Das Bündnis setzt vor allem auf den Neubau. Das Ziel sind 100.000 neue Wohnungen in den nächsten fünf Jahren. Davon sollen die landeseigenen Wohnungsunternehmen 35.000 und Genossenschaften 5000 bauen. Mit 60.000 Wohnungen sollen private Unternehmen den Löwenanteil errichten. „Ohne Private wird es nicht gehen“, sagt Franziska Giffey. Auf welche Weise diese Neubauwohnungen bezahlbar gehalten werden sollen, ist nur teilweise vereinbart: Wo bei größeren Bauvorhaben ein Bebauungsplan aufgestellt wird, ist gefordert, dass künftig 50 Prozent der Wohnungen Mietpreisbindungen unterliegen und an Haushalte mit Wohnberechtigungsschein (WBS) vermietet werden. Davon entfallen wie bisher 30 Prozent auf Haushalte mit niedrigem Einkommen (bis zu 40 Prozent über der bundesweit festgelegten WBS-Einkommensgrenze) sowie erstmalig 20 Prozent auf Haushalte mit mittlerem Einkommen (bis zu 80 Prozent über der Einkommensgrenze). „Damit haben wir zum ersten Mal eine Quote für das mittlere Preissegment“, erklärt Giffey. Im Gegenzug versprechen Senat und Bezirke eine bessere Wohnungsbauförderung und schnellere Planungs- und Genehmigungsverfahren.
Die zwei großen privaten Vermieter, die dem Bündnis beigetreten sind, haben erklärt, bei der Wiedervermietung 30 Prozent der freiwerdenden Wohnungen an Haushalte mit WBS zu vergeben. Das betrifft nur Unternehmen mit mehr als 3000 Wohnungen in Berlin. Für die landeseigenen Wohnungsbaugesellschaften gilt bereits eine höhere Vergabequote von 63 Prozent.
Bei Mieterhöhungen wollen sich die großen Wohnkonzerne an der bundesweit geplanten Absenkung der Kappungsgrenze von 15 auf 11 Prozent „orientieren“. Bei WBS-Berechtigten sollen sie die Mieten um höchstens zwei Prozent im Jahr erhöhen – letzteres gilt allerdings nur bis Ende 2023. Alle Vermieter, die dem Bündnis beigetreten sind, willigten ein, die Mieten von WBS-berechtigten Haushalten höchstens bis zu 30 Prozent des Haushaltseinkommens zu erhöhen. Die Mieter müssen in solch einem Fall allerdings selbst aktiv werden und einen Erhöhungsverzicht beantragen.
Die Absicht anerkannte auch der Berliner Mieterverein. Dessen Geschäftsführer Reiner Wild: „Wir attestieren der Landesregierung, dass sie mit großem Engagement und schnellen Schritten zu einer freiwilligen Vereinbarung kommen wollte, die auch den Mieterschutz an zentraler Stelle im Auge hatte“ – allerdings mit enttäuschendem Ergebnis. „Am Ende mussten wir aber feststellen, dass das Erzielte aus Sicht der Mieterinnen und Mieter Berlins nicht reicht für eine Unterschrift.“
Der BMV vermisst in der Vereinbarung jedwede Zusage der Immobilienwirtschaft für eine verbesserte Mietpreisbremse bei Wiedervermietung, für einen geringeren Mietenanstieg nach Modernisierung und für eine Begrenzung der Heizkosten bei energetisch schlechten Wohngebäuden. Die angestrebten Kappungen von Mieterhöhungen bei zwei Prozent pro Jahr und bei 30 Prozent des Nettoeinkommens sind nur Härtefallregelungen für Haushalte mit WBS. Aus Erfahrung weiß der Mieterverein, dass solche Regelungen weitgehend wirkungslos sind, denn Mieter und Mieterinnen wollen unter Wahrung ihrer Würde die Miete aus eigener Kraft zahlen und vermeiden deshalb bürokratische Anträge auf einen Mieterhöhungsverzicht.
Den Vorschlag, dass große Wohnungsunternehmen 30 Prozent der freien Wohnungen an WBS-Berechtigte vergeben sollen, betrachtet der BMV nicht als großen Wurf: Der Prozentsatz ist zu niedrig, denn immerhin fast 55 Prozent der Haushalte sind WBS-berechtigt. Weil nun auch den mittleren Einkommensgruppen ein Anspruch auf geförderte Wohnungen eingeräumt wird, besteht die Gefahr, dass die ärmsten Haushalte am Ende mit noch weniger Chancen dastehen.
Das riesige Problem der steigenden Energiekosten und der notwendigen energetischen Sanierungen wurde im Bündnis kaum behandelt, obwohl klar ist, dass die aktuellen Kostensteigerungen bei Heizung und Warmwasser das Wohnen noch stark verteuern werden.
Der Mieterverein warnt auch, dass der Milieuschutz ausgehöhlt werden könnte. Geplant ist, mit der Wohnungswirtschaft über eine „Vereinfachung, Verkürzung und Vereinheitlichung“ der Milieuschutzpraxis zu beraten. Dabei sind gerade die mieterschützenden Bestimmungen des Milieuschutzes für viele Vermieter schon immer ein rotes Tuch gewesen.
Grundsätzlich kritisiert der BMV, dass am Konzept festgehalten wurde, über möglichst viel – auch teuren – Neubau eine Wohnungsmarktentspannung zu erreichen, anstatt sich auf den Wohnungsbau im unteren und mittleren Marktsegment zu konzentrieren. Die Zahl der neu zu errichtenden Sozialwohnungen ist unverbindlich, und wie die darüber hinaus angepeilten 5000 gemeinwohlorientierten Neubauwohnungen zustande kommen, bleibt unklar.
Gerade diese Unverbindlichkeit ist der größte Minuspunkt im Papier des Bündnisses: Lösungen werden nur „angestrebt“, Ziele nicht präzise benannt. Die Wohnungsverbände können ihre Mitgliedsunternehmen nur ermuntern, daran mitzuwirken. Mieterinnen und Mieter haben nichts Verbindliches in der Hand, was sie einklagen könnten.
Fazit für den Mieterverein: „Die Berliner Bündnisvereinbarung macht erneut deutlich, dass der Weg über freiwillige Vereinbarungen extrem beschwerlich ist und gesetzliche Regelungen nicht ersetzen kann“, so Reiner Wild. „Wenn auch zukünftig jedwede Regulierung zugunsten der Mieterinnen und Mieter von der Immobilienwirtschaft als Konfrontation verstanden wird, kann ,Kooperation statt Konfrontation‘ nicht gelingen.“
Dass mit dem BMV die Vertretung der Menschen, um die es eigentlich geht, dem Bündnis abhanden gekommen ist, schien bei der presseöffentlich inszenierten Unterzeichnungsshow am 20. Juni kaum jemanden ernsthaft zu bekümmern. Nur Kultursenator Klaus Lederer (Linke) sprach das Manko an: „Ich finde es schade, dass der Berliner Mieterverein nicht unterschreibt. Es ist verständlich, dass er für die Mieter mehr rausholen wollte.“
Absage auch von den Gewerkschaften
Dem Bündnis ebenfalls nicht beigetreten sind der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) und die Industriegewerkschaft Bauen Agrar Umwelt (IG BAU). Wie der BMV kritisieren sie die schwachen und unverbindlichen Mietenbegrenzungen und fehlende Aussagen zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen auf den Baustellen: „Zum Thema Gute Arbeit steht in dem Bündnispapier nicht ein einziger Satz“, so die IG BAU.
Aus gegensätzlichen Gründen hat der Zentrale Immobilienausschuss (ZIA) sich dem Bündnis entzogen. Die wenigen mietbegrenzenden Passagen gehen dem Verband schon zu weit. Er will nicht bei Wiedervermietungen 30 Prozent der Wohnungen an WBS-Inhaber vergeben und auch nicht die Miete bei 30 Prozent des Haushaltseinkommens kappen. Letzteres sei „realitätsfern“, so ZIA-Hauptgeschäftsführer Oliver Wittke.
Ins gleiche Horn stößt der Verband Haus & Grund, der vor allem Kleineigentümer vertritt: Auch er nennt eine Deckelung der Miete bei 30 Prozent des Mietereinkommens „unrealistisch“. Und: Ihm fehlt auch eine klare Absage an Enteignungen. Deshalb hat Haus & Grund nicht unterschrieben.
Der schwedische Großvermieter Heimstaden gab sich freundlich, aber zurückhaltend. „Heimstaden unterstützt das Berliner Wohnungsbündnis und wird den für das Unternehmen möglichen Beitrag zur Erreichung der Bündnis-Ziele leisten“, erklärt Unternehmenssprecher Michael Lippitsch. Inzwischen ist Heimstaden dem ZIA beigetreten, der seine Unterschrift verweigert.
Unterschrieben haben von der Vermieterseite der Verband Berlin-Brandenburgischer Wohnungsunternehmen (BBU) und der Bundesverband Freier Wohnungsunternehmen (BFW) sowie der Wohnungskonzern Vonovia, zu dem auch die Deutsche Wohnen gehört. Für den BBU ist das Bündnis ein „unverzichtbarer Beitrag zur Wahrung des sozialen Friedens“, so BBU-Vorständin Maren Kern. „Wir haben große Zugeständnisse gemacht, und wir unterschreiben aus Überzeugung.“ Vonovia-Chef Rolf Buch betont ebenfalls, dass das Bündnis seinem Unternehmen viel abverlange. „Auch wenn es wehtut, unterschreiben wir dieses Bündnis“, so Buch. „Insbesondere einkommensschwachen Mieterinnen und Mietern bietet das Bündnis nun zusätzliche Lösungen.“ Für den BFW ist die rechtliche Unverbindlichkeit der Absprachen sogar eine Stärke des Bündnisses: „Freiwilligkeit bei der Umsetzung sorgt für Akzeptanz und ist der schnellste Weg, um die vorhandenen Probleme zu lösen“, erklärt BFW-Geschäftsführerin Susanne Klabe.
Das Wohnungsbündnis ist ein zentrales Projekt der Regierenden Bürgermeisterin Franziska Giffey. Den Wohnungsbau hatte sie zur Chefinnensache erklärt. Zur Beschleunigung des Bauens hatte der Senat bereits Anfang des Jahres eine Änderung der Bauordnung und der Förderbedingungen für den Sozialen Wohnungsbau angestoßen und eine Senatskommission Wohnungsbau aufgestellt. Als mögliches Ergebnis des Wohnungsbündnisses hatte Stadtentwicklungssenator Andreas Geisel (SPD) sogar ein „freiwilliges Mietenmoratorium“ in Aussicht gestellt: Vermieter sollten sich freiwillig verpflichten, die Mieten für einige Jahre höchstens um ein Prozent pro Jahr zu erhöhen.
Das Mietenmoratorium war schnell zu Grabe getragen
Doch die Hoffnung, dass beim Bündnis etwas Zählbares für die Mieterinnen und Mieter herauskommt, war schon am Anfang gering. Im Laufe der Verhandlungen schwand sie immer weiter.
Die Immobilienwirtschaft fand wie immer Gründe, warum neue Regelungen, die Mieter schützen und entlasten, gerade jetzt nicht möglich seien. Aktuell sind das die steigenden Baukosten, die hohe Inflationsrate und der Krieg in der Ukraine.
Vor allem das als Möglichkeit im Raum schwebende Mietenmoratorium wurde bekämpft. So stellte der BBU im Februar 2021 fest, dass wegen des Mietendeckels bei seinen Mitgliedsunternehmen die Mieten beinahe stagnierten. „Wenn die zügig steigenden Arbeits-, Bau- und Materialkosten nicht auf der Einnahmenseite kompensiert werden können, geht das letztlich auf Kosten der Substanz“, klagte BBU-Vorständin Maren Kern. Vor diesem Hintergrund erteilte sie „Überlegungen zu einem pauschalen Mietenmoratorium eine Absage“.
Auch Deutschlands größter Vermieter Vonovia kündigte noch während der Bündnisverhandlungen mit dem Senat deutliche Mieterhöhungen an. „Wir können nicht so tun, als wenn die Inflation an den Mieten vorbeigehen könnte“, erklärte Vonovia-Chef Rolf Buch. Mieterhöhungen seien „unausweichlich“. Stadtentwicklungssenator Andreas Geisel hat deshalb das von ihm ins Spiel gebrachte Mietenmoratorium schon im Mai begraben. Angesichts einer Inflationsrate von zuletzt sieben Prozent sei das nicht machbar, argumentiert er ganz im Sinne der Vermieter – und ließ außer Acht, dass Mieter von den rasant steigenden Lebenshaltungskosten natürlich genauso betroffen sind.
Der Senator befürwortet zudem, dass die landeseigenen Wohnungsunternehmen künftig auch Eigentumswohnungen bauen und an Selbstnutzer verkaufen dürfen. Diese Forderung kam von Jörg Franzen, dem Sprecher der landeseigenen Wohnungsunternehmen. Sie wollen mit den Verkäufen Geld einnehmen, um ihre Wohnungsbauverpflichtungen erfüllen zu können. Allerdings steht eine solche Praxis im klaren Widerspruch zur Koalitionsvereinbarung, die besagt, dass öffentliche Wohnungen nicht privatisiert werden dürfen.
Nach der Unterzeichnung des Bündnisses bröckelten die Vereinbarungen weiter. So stellte der BBU nach nur drei Wochen das Neubauziel offen in Frage. Bei der Vorstellung ihres Jahresberichts sagte BBU-Vorständin Maren Kern: „Ich mache ein Fragezeichen an das Ziel, 20.000 Wohnungen pro Jahr neu zu bauen. Das ist für dieses Jahr kaum noch machbar.“
Bleibt als Ergebnis des mit viel Vorschuss-Lorbeeren von der Regierenden Bürgermeisterin versehenen Bündnisses, dass wichtige Akteure abgesprungen sind, halbherzige Ziele unverbindlich vereinbart und kurz danach wieder unter Vorbehalt gestellt wurden. Ist dieses Bündnis noch zu retten?
Die Vereinbarungen haben ein kurzes Haltbarkeitsdatum
Nach den Worten Giffeys soll die Bündnis-Vereinbarung nur der erste Meilenstein für eine langfristige Zusammenarbeit der Partner sein. Ein Meilenstein bei Betrachtung der Ergebnisse war es nicht. Und das wird es auch nicht nach der ersten Auswertung, wenn das Bündnis im Dezember wieder zusammenkommt.
Der Berliner Mieterverein bleibt dialogbereit. Wenn gewünscht, wird er sich weiterhin mit Verbesserungsvorschlägen einbringen.
Jens Sethmann
Vergesellschaftung weg-kooperieren?
Das von der Regierenden Bürgermeisterin Franziska Giffey ausgegebene Bündnis-Motto „Kooperation statt Konfrontation“ ist auch ein Seitenhieb gegen den erfolgreichen Volksentscheid zur Enteignung großer Wohnungskonzerne. Giffey stemmt sich vehement gegen die Umsetzung der Vergesellschaftung und versucht offensichtlich, diese Frage von einer zögerlich aufgestellten Expertenkommission über ein Jahr lang zu Tode diskutieren zu lassen, um gleichzeitig mit dem eiligen „Bündnis für Wohnungsneubau und bezahlbares Wohnen“ eine alternative Lösung zu präsentieren, die niemandem wehtun soll. Die Initiative „Deutsche Wohnen & Co enteignen“ will sich davon nicht beirren lassen: „Der demokratische Auftrag von mehr als einer Million Berliner Wählerinnen und Wähler an den Senat war nicht, jene Immobilienkonzerne zu hofieren, die die Krise mitverursacht haben, sondern sie zu enteignen“, so Sprecherin Gisèle Beckouche. Die Enteignungsinitiative protestiert vor allem gegen die Beteiligung von Vonovia und Heimstaden. „Börsennotierte Immobilienkonzerne sind keine verlässlichen Partner für bezahlbares Wohnen“, sagt Beckouche.
js
Ausführliche Begründung für den Nichtbeitritt des BMV:
www.berliner-mieterverein.de/aktuelles/newsletter/warum-wir-dem-buendnis-fuer-wohnungsneubau-und-bezahlbares-wohnen-nicht-beigetreten-sind-nl0722.htm
Informationen des Senats zum Bündnis:
www.stadtentwicklung.berlin.de/wohnen/buendnisse/index.shtml
Andere Ansichten
Das Bündnis-Abschlusspapier wird nicht nur mit Blick auf Mieterinteressen kritisiert. Auch Gewerkschaften und Verbände, die Eigentümer vertreten, haben nicht unterschrieben. Kritik an Einzelpunkten ist auch aus den Parteien zu hören, die mit Giffeys SPD die Regierungskoalition bilden.
Der Berliner Mieterverein formulierte die umfassendste Kritik am Ergebnis der Bündnis-Verhandlungen. An deren Ende stellte Mietervereins-Geschäftsführer Reiner Wild fest, dass dieses Ergebnis „aus Sicht der Mieterinnen und Mieter nicht für eine Unterschrift reicht“. Der Weg über freiwillige Vereinbarungen könne gesetzliche Regelungen nicht ersetzen.
Als „schwere Belastung“ erkannte der CDU-Fraktionsvorsitzende Kai Wegner, dass es der Regierenden Bürgermeisterin nicht gelungen sei, den Berliner Mieterverein einzubinden: „Ohne entscheidende Partner wird das Bündnis zur reinen Shownummer.“
Den Vorsitzenden des Eigentümerverbandes „Haus & Grund“, Carsten Brückner, stört neben den seiner Ansicht nach unberücksichtigten wirtschaftlichen Erfordernissen der Vermieter vor allem eines: Es gibt keine „klare Absage an Enteignungen“.
Ausschließlich unter dem Gesichtspunkt der Wirtschaftlichkeit begründet der ZIA-Hauptgeschäftsführer Oliver Wittke seine Absage an das Bündnis. Die dort getroffenen Entscheidungen „müssen unsere Mitglieder auch refinanzieren können“.
Für seinen Freibrief an die städtischen Wohnungsunternehmen zum Bauen und Verkaufen erhält Bausenator Geisel eine klare Absage von Niklas Schenker von den Linken: „Nicht mit uns!“
Zur Absicht des Bausenators, kommunalen Wohnungsunternehmen den Bau und Verkauf von Wohnungen zu gestatten, meint die wohnungspolitische Sprecherin der Grünen, Katrin Schmidberger, „dass da mindestens ein Senatsmitglied aus dem Ausverkauf der Stadt nichts gelernt hat.“
Mit seiner Weigerung, den Bündnis-Text zu unterschreiben, nutze der Berliner Mieterverein „die prekäre Situation der Regierenden Bürgermeisterin rücksichtslos aus, um die Lage am Wohnungsmarkt zu eskalieren“, meint Björn Matthias Jotzo, Sprecher für Stadtentwicklung und Mieten der FDP.
05.09.2022