Wen Berliner Geschichte interessiert und wer etwas über die Vorgänger heutiger Aktionen und Initiativen wissen möchte, wird in dem Fotoband von Gottfried Schenk finden, was er sucht.
Vor fast 50 Jahren stand Gottfried Schenk, ein junger Mann aus Österreich, der sich gerade eine Spiegelreflexkamera gekauft hatte, in der ersten großen Foto-Ausstellung des Berliner Künstlers Heinrich Zille im Berlin-Museum in der Lindenstraße. Zilles beeindruckende Aufnahmen der Berliner Kieze zeigten Schenk eine Stadt, die es nicht mehr gab. Vor allem aber lehrten sie ihn einen Blick, mit dem er von nun an seine Umgebung betrachtete und seinerseits im Bild festhielt: das sich verändernde Leben im Kiez und das Aufbegehren und der Aufbruch einer jungen, politisierten Generation. Weil die Abrissbirne den Fotografen selbst bedrohte, schloss er sich der Mieterinitiative Sanierungsgebiet Klausenerplatz an und dokumentierte nun auch die Aktivitäten gegen die Entmietung ganzer Straßenzüge. Es sind aber vor allem die Leute aus dem Kiez, die auf seinen Fotos berühren. Er erinnert an die sich etablierende Alternativszene, in der sich Produktionskollektive gründeten, Bäckereien basisdemokratisch geführt wurden und genossenschaftliche Firmen alle Mitarbeiter gleich entlohnten.
rm
27.10.2022