Wohnen in Wien kann teuer sein. Denn selbst wenn die Wohnung nicht in einem noblen und angesagten Bezirk liegt, fordern Vermietende oft einen kräftigen Lagezuschlag. Eine Studenten-Wohngemeinschaft zahlte vier Jahre lang – nach ihrem Auszug ließ sie den Mietvertrag jedoch von der Wiener Schlichtungsstelle prüfen.
Die Wohnung in der Wiener Uchatiusgasse ist typisch für eine Wohngemeinschaft von jungen Leuten: Zwei Zimmer, zwei Kabinette (kleine Nebenzimmer), dazu Küche, Bad, WC und Abstellraum, gelegen im Tiefparterre eines Mehrfamilienhauses noch innerhalb der Innenstadt. Vier Jahre, von 2017 bis 2021, teilte sich Fabian B. die Bleibe mit drei anderen Studierenden. Sie hatten einen auf diese Zeit befristeten Mietvertrag unterschrieben, der für die 107,67 Quadratmeter große Wohnung mit einigen Küchenmöbeln eine Gesamtmiete von 1235,47 Euro forderte. Hinzu kamen die Kosten für die Gasetagenheizung. Die Vermieterin hatte bei der Miete ganz selbstverständlich einen satten Aufschlag für die Lage in der Stadt dazugerechnet – in Wien durchaus üblich, weil damit der sehr niedrige städtische Richtwertmietzins von Vermietenden „aufgebessert“ werden kann.
Der Wohngemeinschaft war klar: Für diese Wohnung zahlt sie entschieden zu viel. Infrage stellen mochten die jungen Leute die Miete dennoch erst einmal nicht: „Wir wollten uns keinen Stress mit der Vermieterin während des Studiums einhandeln“, begründet Fabian B. ihre Entscheidung. Aber die Überteuerung letztendlich hinnehmen? Als der Mietvertrag ausgelaufen war, gab es dafür keinen Grund mehr. Zumal das österreichische Mietrechtsgesetz (MRG) bei befristeten Verträgen nach Auflösung des Mietverhältnisses bis zu sechs Monaten Zeit gibt, um die Höhe der monatlichen Zahlung überprüfen zu lassen.
111 Prozent über dem Zulässigen
Nach seiner Rückkehr nach Berlin wandte sich Fabian B. an den Wiener Mieterschutzverband. Mit einem Quadratmeterpreis von 11,76 Euro hätten die Studierenden eine Miete gezahlt, die 111 Prozent über dem Richtwert für eine Normwohnung in Wien lag, so die Antwort der dortigen Rechtsberatung. Die Leute vom Mieterschutzverband urteilten auch: „Die Lage der Liegenschaft ist als durchschnittlich zu bewerten.“
Nachdem sich Fabian B. und seine einstigen Mitbewohnerinnen darauf einigt hatten, den Antrag auf Überprüfung der Miete zu stellen, kam es im Juni letzten Jahres schließlich zur Verhandlung: „Die Verkehrsanbindung und die gegebenen Einkaufsmöglichkeiten entsprechen der Durchschnittslage in Wien.“ Bei dieser Adresse könne kein Lagezuschlag berücksichtigt werden. Es kam zu einem Vergleich, in dem sich die Vermieterin verpflichtete, 4100 Euro an überzahlter Miete zurückzuzahlen.
Rosemarie Mieder
Trotz guter Aussichten wird selten reklamiert
Unterliegt ein befristeter Mietvertrag ganz oder teilweise dem österreichischen Mietrechtsgesetz – so in Gemeindewohnungen, gemeinnützigen und vor 1949 gebauten privaten Immobilien, muss er eine Mindestdauer von drei Jahren haben. Privatvermietende nutzen die Möglichkeit und vergeben Mietverträge, die immer wieder aufs Neue befristet werden. Solche Verträge sind aber unsicherer und können schneller gekündigt werden. Deshalb halten viele davon Betroffene lieber still, anstatt sich zu wehren. Dabei rät die Stadt immer wieder, die Mieten überprüfen zu lassen, bietet Beratung an, und mithilfe der Wiener Schlichtungsstelle können Mietstreitigkeiten kostengünstig beigelegt werden. Trotz dieses Angebots und hervorragenden Erfolgsaussichten wird es nur selten in Anspruch genommen. Die tatsächlich gezahlte durchschnittliche Bestandsmiete (bruttokalt) in Wiener Altbauten liegt übrigens mit 10 Euro und mehr deutlich über der Richtwertmiete von fünf bis sechs Euro.
rm
Die im Beitrag genannten staatlich geregelten „Richtwertmieten“ hat Österreich zum 1. April 2023 um 8,6 Prozent angehoben.
01.02.2023